
Mit dem Theater Schloss Maßbach ist es ein bisschen wie mit dem Ernst-Sachs-Bad in Schweinfurt (heute Kunsthalle): Im Bad haben Generationen Schwimmen gelernt, in Maßbach haben sie das erste Theaterstück ihres Lebens gesehen. Und sind dem Schlösschen auf dem Hügel treu geblieben – als Abonnenten oder als gelegentliche Besucher, mindestens in der Freilichtsaison, wenn draußen Unterhaltsames geboten wird.

Diesem würdevoll gealterten, heimeligen Ort mit den knarzenden Böden, dem Kaminzimmer und dem "Intimen Theater", das seinen Namen völlig zu Recht trägt: gut 80 Plätze (in normalen Zeiten) und eine winzige Bühne, auf der es immer wieder gelingt, den Blick in weite Welten zu lenken. Mit dem über die Jahrzehnte behutsam fortentwickelten Mix aus Klassikern, Komödien, Uraufführungen, Kinder- und Jugendstücken. Diesem besonderen Ort in der Pampa, in dem Teile des Ensembles zusammenleben, das immer wieder Erstaunliches, so gar nicht Provinzielles zu Wege bringt.
Die Gründer waren politisch unbelastet und bekamen deshalb von den Amerikanern die Linzenz

Die äußere Geschichte ist schnell erzählt: 1945, kurz nach Ende des Krieges, fanden sich in Coburg Künstlerinnen und Künstler zusammen, um der geistig ausgehungerten Bevölkerung Kultur anzubieten. Aus einem Kulturkreis wurde ein Theater mit festem Ensemble. Gründungstermin: 17. April 1946. Das Motto damals wie heute: "Theater aus dem Geist der Gemeinschaft". Nach Stationen auf Schloss Wetzhausen im Landkreis Schweinfurt und Schloss Stöckach in den Haßbergen residiert das Theater Schloss Maßbach seit 1960 im Landkreis Bad Kissingen – das Attribut "Fränkisch" ist 2015 der Bezeichnung "Unterfränkische Landesbühne" gewichen.
So weit, so übersichtlich. Aber die Geschichte des Theaters ist vor allem eine der Menschen, die es prägten. Der Regisseur und Schauspieler Oskar Ballhaus (Jahrgang 1908) und die Schauspielerin Lena Hutter (Jahrgang 1911) bildeten von Anfang an das Zentrum. Sie waren politisch unbelastet und bekamen deshalb von den Amerikanern eine Lizenz, als sonst niemand öffentlich auftreten durfte. Das Ehepaar trennte sich 1948, leitete aber weiter gemeinsam das Theater. Lena Hutter heiratete 1948 den Schauspieler Herbert Heinz (1922-2002), der nach dem Tod von Oskar Ballhaus 1972 in die Leitung mit einstieg.

Hutter und Ballhaus hatten zwei Kinder: Michael und Nele. Michael begann in Maßbach als Theaterfotograf und wurde Kameramann in Hollywood. Nele wurde Autorin und Familientherapeutin und heiratete den Schriftsteller und Sams-Erfinder Paul Maar. Deren Tochter Anne wiederum, geboren 1965, leitet seit 2003, seit Lena Hutters Tod, das Theater, ist also erst die zweite Prinzipalin des Hauses in dessen 75-jähriger Geschichte.
Dass die Leitung quasi zur Familienangelegenheit werden sollte, war nicht geplant. Anne Maar wuchs in Baden-Württemberg auf und ging nach Berlin, um Cutterin zu werden: "Nach Maßbach kam ich als Kind nur in den Ferien. Ich liebte den Wald und den Park. In den Freilichtaufführungen, da war ich vielleicht sechs, habe ich lauthals mitgesungen. Später habe ich natürlich auch Schauspieler angehimmelt."

In Berlin kam Anne Maar übers Drehbuch- zum Kinderbuchschreiben. Ende der 1990er Jahre floh sie dann doch nach Maßbach, erzählt sie. Wurde das "lebende Notizbuch" der Großmutter. Lena Hutter, von Freunden und Familie "Lile" genannt, war prägende Persönlichkeit und unumschränkte Herrscherin: "Es musste alles so gemacht werden, wie sie es wollte. Und wenn es darum ging, wer ihr nachfolgen sollte, konnte sie ganz schnell das Thema wechseln."
Die Frage der Versorgung ist Thema geblieben: Es ist permanent zu wenig Geld da
Nachdem Herbert Heinz einen Schlaganfall hatte und Lena Hutter nach einem Sturz bettlägerig war, übernahm Anne mehr und mehr. "Meine Großmutter sagte immer, ,Die Anne hilft mir so schön', da habe ich schon alles gemacht. Mich hat sie nur noch gefragt, ob denn alle genug zu essen hätten." Die Frage der Versorgung ist Thema geblieben: Neben der zeitlichen Schwierigkeit, als Autorin zu arbeiten, belastet Anne Maar, dass permanent zu wenig Geld da ist: "Die Leute verdienen alle zu wenig."
Immerhin: 2007 ist es gelungen, eine Vereinbarung mit den Zuschussgebern zu treffen. 50 Prozent kommen seither vom Freistaat und je 25 Prozent von Bezirk und Kommunen. Die Hälfte des Jahresbudgets von 1,2 Millionen Euro (Stand 2019) spielen die Maßbacher selbst ein, auf Anregung einer Unternehmensberatung zahlen außerdem die Bühnen, an denen die Maßbacher gastieren, mehr Honorar.
Die absolutistische Ausrichtung auf die Chefin ist längst passé. Die hierarchischen Strukturen vieler Stadttheater, wie sie immer schärfer kritisiert werden, wären in Maßbach undenkbar. "Was Initiativen wie das Ensemble-Netzwerk fordern, machen wir alles längst", sagt Anne Maar. Sie entscheidet weiterhin, welche Stücke gespielt werden, wer Regie führt, wer mitspielt. Aber in den Prozess bindet sie so viele wie möglich mit ein. "Ich glaube, dass letztlich alle froh sind, dass jemand die Entscheidungen fällt."

Als sie fest nach Maßbach kam, dachte Anne Maar, "Vieles ist ganz toll, aber manches müsste man ändern". Inzwischen hat sie einiges geändert: die Probenzeiten von vier auf sechs Wochen verlängert, so dass mehr in die Tiefe gearbeitet werden kann; Kostüm- und Bühnenwerkstatt in eigene, neue Gebäude ausgelagert; die Theaterpädagogik ausgebaut. Schwierig bleibt die Erreichbarkeit des Theaters, etwa für Jugendliche ohne Auto. Auch ein Semesterticket, wie es das Mainfranken Theater eingeführt hat, um jüngeres Publikum zu gewinnen, ist für Maßbach nicht denkbar.
Das Pandemiejahr 2020 haben die Maßbacher dank Kurzarbeit, Staatshilfen und Spenden recht gut überstanden. Schwieriger war es, dauernd an Stücken zu arbeiten, die immer wieder abgesagt oder in spätere Spielzeiten verschoben werden mussten. Den Lockdown hat das Ensemble schließlich zu innerer Fortbildung genutzt, zu Workshops und grundsätzlichen Gesprächen über das Theater, sagt Anne Maar: "Wir haben uns gemeinsam gefragt: Was wollen wir mit Theater. Was interessiert uns noch?"