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MAßBACH
Theater Schloss Maßbach: Die Kultur-Versorger
Theater Schloss Maßbach: Hier wohnen und arbeiten die Schauspieler zusammen. Wie wirkt sich das aufs Spielen aus? Und: Geht man sich da nicht auf die Nerven? Antworten von Theaterchefin Anne Maar.
Wurde von manchem als „harter Tobak“ empfunden: „Wir sind keine Barbaren!”, das Eröffnungsstück der Saison.
Foto: Sebastian Worch | Wurde von manchem als „harter Tobak“ empfunden: „Wir sind keine Barbaren!”, das Eröffnungsstück der Saison.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:32 Uhr

Anne Maar ist seit 2003 Direktorin des Theaters Schloss Maßbach. Die 1965 geborene Tochter des Kinderbuchautors Paul Maar („Sams“) übernahm die Leitung von ihrer Großmutter Lena Hutter (1911 bis 2003), die das Theater 1946 – damals als „Coburger Kulturkreis“ – mit Oskar Ballhaus gegründet hatte.

Frage: Jahrzehntelang hieß es „Fränkisches Theater Schloss Maßbach“. „Fränkisches“ haben Sie mittlerweile gestrichen. Weil's Ihnen zu folkloristisch klang?

Anne Maar: Gerade bei Gastspielen, die ja einen wesentlichen Teil unserer Arbeit ausmachen, haben wir gemerkt, dass bei „Fränkisches Theater“ an Mundarttheater gedacht wurde – nicht nur in weiter entfernten Gastspielorten, auch bei Kurgästen in Bad Kissingen. Aber wir heißen ja noch „Unterfränkische Landesbühne“. Damit wollen wir ganz klar zeigen, dass die Verbundenheit mit der Region sehr stark ist. Wir verstehen uns als Landesbühne. Von der Trägerschaft her sind wir das zwar nicht, von der Funktion her aber schon. Wir versorgen diesen Landstrich mit Theater, mit Kultur. Wir erhalten Zuschüsse von den Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld, Haßberge, von Stadt und Landkreis Schweinfurt, der Gemeinde Maßbach und vom Bezirk Unterfranken.

Diese Unterstützung durch Städte und Landkreise ist im Prinzip genau das, was eine Landesbühne ausmacht.

Vom Freistaat gibt's nichts?

Maar: Doch, 50 Prozent der Zuschüsse. Mehr darf das Land nicht geben. Weil die Zuschüsse von allen etwas erhöht wurden, zahlt jetzt aber auch der Freistaat mehr. Unser Gesamtetat liegt bei 1,1 Millionen. Davon sind 55 bis 60 Prozent Zuschüsse.

Eine Besonderheit des Theaters war immer, dass die Schauspieler hier im Schloss wohnen.

Maar: Das ist noch so.

Wohnen alle hier?

Maar: Nein, einige haben Familie und wohnen nicht im Haus. Das wäre doch ein bisschen eng. Andere, die schon lange hier engagiert sind, haben Wohnungen im Ort. Aber im Moment ist das Haus ziemlich voll – bis auf ein Zimmer sind alle belegt.

Und da geht man sich nicht auf die Nerven, wenn man probt und spielt und sich auch in der Freizeit immer wieder über den Weg läuft?

Maar: Es gibt manchmal so einen Maßbach-Koller. Da hat man dann Lust, mal was anderes zu sehen, da will man dann in eine Stadt. Aber das hält meistens nicht so lange an. Das zusammen Wohnen wird eigentlich positiv wahrgenommen, weil man sich doch anders kennenlernt, besser kennenlernt, natürlich auch alltäglicher.

Das kommt auch dem Spielen zugute, weil das Vertrauen zueinander größer ist. Man kann sich auf eine andere Art öffnen als das vielleicht der Fall ist, wenn man die Kollegen nur bei Proben kennenlernt. Es bilden sich auch Freundschaften, die länger halten als nur ein Engagement.

„Arbeiten aus dem Geist der Gemeinschaft“ steht unten am Haus auf einer Tafel. Das ist nach wie vor die Maxime?

Maar: Schon, ja. Aber: Es ist ein Theater, da gibt es einen hierarchischen Aufbau wie in jedem anderen Theater auch. Es ist also nicht so, dass wir alle drüber entscheiden, wer welche Rolle spielen darf. Aber es gibt einen großen Austausch und jeder hat auch die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen, die ernst genommen werden. Die Wege sind kürzer, und alle bekommen viel voneinander mit, zum Beispiel die Schauspieler von der Technik.

Und es läuft gut?

Maar: Die vorige Spielzeit war erfreulich erfolgreich. Wir hatten sowohl im Intimen Theater als auch auf der Freilichtbühne mehr Zuschauer.

Von anderen Freilichtbühnen habe ich gehört, dass es immer schlechter läuft. Da scheinen Sie gegen den Trend zu liegen.

Maar: 2016 hatten auch wir einen Einbruch. Da hatten wir so wenige Zuschauer wie noch nie auf der Freilichtbühne. Aber in diesem Jahr waren's so viele Zuschauer wie seit zehn Jahren nicht. Das Zuschauerverhalten wird immer rätselhafter. Ich glaube, man kann es nicht analysieren, obwohl wir das natürlich jedes Jahr versuchen und uns fragen: Warum kam dieses Stück an, das andere aber nicht?

Gibt es so etwas wie das typische Maßbach-Publikum – und wie sieht das aus?

Maar: Zum Gastspielpublikum kann ich nicht viel sagen. Da werden wir eingekauft, und der Veranstalter vor Ort kennt sein Publikum besser als wir. Wir merken aber, dass es Gastspielorte gibt, wo wir ein eher altes Publikum haben, viele unglaublich treue Abonnenten, aber dass weniger nachkommt. In Ebern spielen wir beispielsweise in der Halle der Firma FTE, das ist die Kantine. Ein jüngerer Mensch geht da nicht hin. Der Raum spielt eine Rolle, das merken wir auch an anderen Gastspielorten.

Und zu Hause?

Maar: Da haben wir einen deutlichen Unterschied zwischen dem Freilichtpublikum und den Zuschauern im Intimen Theater, die meist Abonnenten sind. Manche gucken sich die Freilichtstücke nicht an, weil die ihnen zu lustig sind oder als zu albern empfunden werden. Andere kommen nur Freilicht. Draußen ist der Spielplan eindeutig heiter und unterhaltsam. Drinnen gibt es auch mal Provokantes. Das erste Stück dieser Spielzeit, „Wir sind keine Barbaren“, ist dafür ein Beispiel. Das ist ein ganz neues Stück, das mit der Flüchtlingssituation auf eine Art umgeht, die auch ein bisschen provozieren kann. Das hat mancher schon als harten Tobak empfunden – aber eben auch als wichtiges Thema.

Wie weit können Sie denn gehen mit Provokantem?

Maar: Im Haus können wir schon einiges ausprobieren und ich habe den Eindruck, dass unsere Abonnenten auch mitgehen. Natürlich gefällt ihnen manches nicht und das formulieren sie dann auch. Trotzdem sind sie bereit, auch mal was Schwierigeres anzunehmen. Bis wohin wir gehen können, kann ich jetzt gar nicht sagen. Letztlich ist das eine intuitive Entscheidung.

Wie viele Plätze hat das Intime Theater?

Maar: 87

Dann ist das Freilichttheater aber schon ein wichtiger Publikumsbringer.

Maar: Ja. Im Intimen Theater hatten wir zuletzt 6700 Zuschauer im Jahr, das ist eine Auslastung von 93 Prozent. Und draußen – da bietet die Zuschauertribüne 326 Plätze – hatten wir in diesem Jahr 24 800 Zuschauer. Das waren 77 Prozent Auslastung für die Abendstücke und 95 Prozent fürs Kinderstück.

Wird das Publikum vielleicht auch jünger?

Maar: Ja, man merkt doch immer wieder, dass Jüngere dazukommen. Vor allem auf der Freilichtbühne ist es sehr gut gemischt.

Und wie sieht die Zukunft aus?

Maar: Wir wollen noch ein wenig „nahbarer“ werden. Seit vorigem Jahr bieten wir deswegen regelmäßig „Freitag spezial mit Nachgespräch“ an, das heißt, wir – also das Ensemble und die Regie – sprechen nach der Aufführung mit interessierten Zuschauern über die Inszenierung. Das wurde vorige Spielzeit sehr gut angenommen. Bei „Freitag spezial mit Führung“ bieten wir vor der Vorstellung eine Führung an und danach ein Essen. Wir wollen auch etwas weiterführen, was wir in der vorigen Spielzeit mit dem „Kleinen Prinzen“ begonnen haben: Da wurde eine Choreografie eingearbeitet.

Das wird auch beim diesjährigen Kinderstück „Bambi“ so sein. Andere Elemente ins Schauspiel mitzunehmen, finde ich sehr spannend. Wir überlegen also zum Beispiel: Wie kann man genreübergreifend arbeiten? Kann uns das neue Impulse geben, können wir uns weiterentwickeln? Auch die Theaterpädagogik soll noch mehr Gewicht bekommen und wir denken an einen Seniorenclub, wo wir mit älteren Menschen Stücke erarbeiten.

Sie sind auch als Kinderbuchautorin bekannt. Sind Sie da noch aktiv oder werden Sie vom Theater völlig vereinnahmt?

Maar: Es ist wegen der ganzen Arbeit hier viel viel weniger geworden. Aber ich schreibe schon noch Bücher, nicht mehr so viele und nicht mehr so lange Geschichten. Ab und zu bin ich auch noch als Autorin bei Lesungen unterwegs.

Der Spielplan des Theaters Schloss Maßbach

Wir sind keine Barbaren: Das Eröffnungsstück der Spielzeit 2017/18 läuft noch bis Sonntag. Die Verwandlung: Franz Kafkas berühmte Erzählung, für die Bühne bearbeitet von Ingo Pfeiffer (Premiere am 3. November) Bambi: Stück für Kinder ab sechs – nicht in der Disney-Version, sondern nach dem Roman von Felix Salten (Premiere am 29. November) Venedig im Schnee: Komödie mit grotesken Verwirrungen und Verwechslungen (Premiere am 15. Dezember) Kabale und Liebe: Zeitloser Klassiker von Friedrich Schiller um Liebe, Karriere und Manipulierbarkeit (Premiere am 2. März 2018) Schirokko: Das ernste Thema „Depression“ in eine Art poetischen Krimi verpackt – Theaterstück für Jugendliche (Uraufführung am 13. April 2018, Theater im Pferdestall) Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone: Humorvolles Stück um komplizierte Familienverhältnisse (Premiere am 20. April 2018 – wird auch auch auf der Freilichtbühne gespielt) Der Floh im Ohr: Komödienklassiker von Georges Feydeau (Premiere am 15. Juni 2018, Freilichtbühne) Ronja Räubertochter: Eine der berühmtesten Figuren von Astrid Lindgren (Premiere am 28. Juni 2018, Freilichtbühne) Hier sind Sie richtig: Schwank-Dauerbrenner von Marc Camoletti (Premiere 27. Juli, Freilichtbühne) Karten, Abos, Infos: Tel. (0 97 35) 235. www.theater-massbach.de
Malerisch: Die (überdachte) Freilichtbühne vor Schloss Maßbach. Auch drinnen gibt es eine Bühne. Und Wohnungen für die Schauspieler
Foto: Martina Müller | Malerisch: Die (überdachte) Freilichtbühne vor Schloss Maßbach. Auch drinnen gibt es eine Bühne. Und Wohnungen für die Schauspieler
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Foto: Peter Klopf | Anne Maar
 
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