zurück
Ebrach/München
Steigerwald: Forstamtsleiter hält kleine Schutzgebiete für besser
Der Ebracher Forstamtsleiter Ulrich Mergner spricht über Nutzungskonzepte für den Wald und verrät, was er sich von den Umwelt-Aktivisten wünscht.
'Große Schutzgebiete können sogar kontraproduktiv sein', findet Ulrich Mergner, staatlicher Forstamtsleiter in Ebrach im Steigerwald.
Foto: Wolfgang Hüßner | "Große Schutzgebiete können sogar kontraproduktiv sein", findet Ulrich Mergner, staatlicher Forstamtsleiter in Ebrach im Steigerwald.
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:34 Uhr

Seit Jahren wird im Steigerwald hitzig über die Zukunft des Waldes diskutiert. Nun will der Freistaat dort eine größere Fläche Staatswald aus der Nutzung nehmen. Förster Ulrich Mergner kümmert sich mit dem viel beachteten Trittstein-Konzept seit Jahren um den Naturschutz in der Region. Im Gespräch erklärt er, warum er sich von Naturschützern mehr Unterstützung wünscht. 

Herr Mergner, die Staatsregierung will im Böhlgrund im Steigerwald rund 850 Hektar Staatswald aus der Nutzung nehmen. Eine gute Entscheidung?

Ulrich Mergner: Ich kann diese Entscheidung gut mittragen. Sie ist zwar der Tatsache geschuldet, dass die Naturschutz-Seite meint: Je größer ein Schutzgebiet, desto besser. Ich bin dagegen ein Vertreter einer Naturschutz-Politik der kleinen Schritte. Mein Motto: Small is beautiful. Gleichwohl finde ich die Entscheidung richtig, weil es sich um ein hoch attraktives Gebiet handelt.

Kritiker wenden ein, andere Waldflächen, etwa im Ebracher Forst, wären besser geeignet, als der Böhlgrund. Wie sehen Sie das als Forst-Experte?

Mergner: Das Gebiet Knetzberge-Böhlgrund ist deutlich höherwertig als der so genannte Hohe Buchene Wald. In der neuen Naturwald-Fläche gibt es doppelt so viele Biotop-Bäume, mehr Baum-Arten, mehr Standort-Vielfalt und mehr alte Wälder über 100 Jahre. Wegen der vielen Gräben und Schluchten ist es spannender als das flache Gelände bei Ebrach. Es macht Sinn, hier kein Holz mehr zu gewinnen. Eigentlich müsste der Naturschutz Hurra rufen.

Die Staatsregierung will in Bayern 10 000 Hektar Staatswald aus der Nutzung nehmen. Erwarten Sie deshalb, dass im Steigerwald noch weitere Flächen stillgelegt werden?

Mergner: Nein. Im Steigerwald müssen verschiedene Interessen unter einen Hut gebracht werden. Die Sägewerke in der Region haben nur Zähne knirschend der Ausweisung zugestimmt. Sie wollen keine Salami-Taktik, die nach und nach immer mehr Wald aus der Nutzung nimmt. Schließlich wurde für den gesamten Ebracher Staatswald bereits ein umfassendes Naturschutzkonzept entwickelt.

Sie spielen auf ihr Trittstein-Konzept an, das auch von Umweltverbänden gelobt wird. Können Sie das Konzept kurz erklären?

Mergner: Es besteht aus vier Elementen: Naturwaldreservate, Wald-Trittsteine, Biotop-Bäume und Totholz. Die sechs Naturwaldreservate sind zwischen 30 und 180 Hektar, die über 200 Wald-Trittsteine zwischen 0,3 und 20 Hektar groß. Beide Elemente sind an ökologisch hochwertigen Waldorten ausgewiesen und es findet keine Holznutzung statt. Dazu kommen im übrigen Wald im Schnitt zehn Biotop-Bäume pro Hektar. Diese dürfen eines natürlichen Todes sterben. Schließlich bleiben hohe Totholz-Mengen liegen. In Summe wurde die Attraktivität für Vogelarten, Fledermäuse, Insekten oder Pilze enorm erhöht. Das Konzept bildet das ökologische Rückgrat im Steigerwald. Es wird wissenschaftlich begleitet und ist weit über Deutschland hinaus ein Vorzeige-Beispiel für Naturschutz, für integrative Waldnutzung.

Besondere Biotop-Bäume werden im Steigerwald schon jetzt über das so genannte Trittstein-Konzept geschützt. Laut Mergner sind bereits 15 Prozent der Waldfläche dauerhaft aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen.
Foto: Waldemar Wiederer | Besondere Biotop-Bäume werden im Steigerwald schon jetzt über das so genannte Trittstein-Konzept geschützt. Laut Mergner sind bereits 15 Prozent der Waldfläche dauerhaft aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen.
Das heißt, aus Ihrer Sicht ist ein großes, zusammenhängendes Schutzgebiet gar nicht nötig, um die Artenvielfalt zu verbessern?

Mergner: Richtig. Große Schutzgebiete können sogar kontraproduktiv sein. In unseren Reservaten beobachten wir, wie die Buche massiv Überhand nimmt und die Eiche verdrängt. Die Eiche ist jedoch der wichtigste Träger der Artenvielfalt. Viele Arten sind auf die Eiche spezialisiert.

Ist es also eine zu romantische Vorstellung, wenn man glaubt, dem Wald und dem Artenschutz sei am Besten geholfen, wenn man die Natur sich selbst überlässt?

Mergner: Ich habe da selbst einen Erkenntnis-Prozess durchgemacht: Vor 15 Jahre dachte ich, es sei am Besten, wenn man nichts tut. Wenn wir jedoch die Baumarten-Vielfalt im Steigerwald erhalten wollen, müssen wir die Buche zurückdrängen. Das haben unsere Vorfahren auch schon getan. Und das Ergebnis dieser Arbeit ist ja genau dieser vielfältige Wald, den wir nun alle erhalten wollen.

Mit dem neuen Schutzgebiet Böhlgrund: Welcher Anteil des Staatswaldes im Steigerwald wird künftig ohne forstwirtschaftliche Nutzung sein?

Mergner: Zehn Prozent sind nun flächig aus der Nutzung genommen. Dazu kommen noch 150 000 Biotop-Bäume im Wirtschaftswald, die noch einmal eine Fläche von rund 750 Hektar beanspruchen. Damit kommen wir de facto auf eine nicht genutzte Waldfläche von 15 Prozent.

Gerade im Steigerwald ist die Diskussion über die Zukunft des Waldes seit Jahren sehr emotional. Sie erleben die Debatten aus nächster Nähe. Welche Erwartungen prallen da aufeinander?

Mergner: Es gibt natürlich die Erwartung des Naturschutzes an den Erhalt der Artenvielfalt, auch an Unberührtheit. Manchmal schwingt eine Sehnsucht nach heiler Welt mit. Das ist ein berechtigtes Bedürfnis, das ich durchaus ernst nehme. Konträr dazu gibt es aber das Interesse der Holzwirtschaft. Im Steigerwald sind es 60 Sägewerke, die seit vielen Jahrhunderten das "Holz der kurzen Wege" nutzen. Mit den Buchen und Eichen aus dem Staatswald tragen wir maßgeblich zur Absicherung ihrer wirtschaftliche Zukunft bei. Neu sind Anforderungen des Klimaschutz, der Trockenheit, der Walderhaltung und der Sicherung der Leistungen der Wäldern. Maximalforderungen, wie die völlige Aufgabe der Waldnutzung oder eine maximale Holzausbeutung, sind keine Lösung. Es braucht deshalb Optimierungskonzepte. Dafür stehen wir Förster.

"Wenn man das Paradepferd erschießt, lädt das nicht gerade zur Nachahmung ein."
Ulrich Mergner über die anhaltende Forderung von Umweltverbänden im Steigerwald einen Nationalpark zu errichten.
Könnte das neue Schutzgebiet im Böhlgrund nicht eine Chance bieten, Maximalforderungen und alten Streit hinter sich zu lassen und auf sachlicher Basis gemeinsam nach Lösungen zu suchen?

Mergner: Ich würde mir das innigst wünschen. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Umweltverbände nicht nur sagen, der Forstbetrieb Ebrach hat zwar ein tolles Konzept, das wir gerne überall in Deutschland hätten – aber nicht im Steigerwald, weil da um jeden Preis ein Nationalpark kommen muss. Wenn man das Paradepferd erschießt, lädt das nicht gerade zur Nachahmung ein. Besser wäre es, die Förster beim Waldnaturschutz zu unterstützen.

Sie suchen ja als Forstamtsleiter das Gespräch auch mit Umwelt-Aktivisten. Stoßen Sie da auf ehrliches Interesse an offenen Diskussionen?

Mergner: Überwiegend ja – auch wenn es einzelne Aktivisten in der Region gibt, die an Fakten nicht wirklich interessiert sind. Ich versuche sehr offen zu kommunizieren. Meine Förster und Försterinnen bieten monatlich Waldführungen an. Wir wollen mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen, die sich für den Wald interessieren, im Gespräch bleiben. Allerdings sind wir bislang noch nicht mit jeder Gruppe von Fridays for Future oder Extinction Rebellion in Kontakt gekommen. Wir werden weitere Gesprächsangebote machen, um Fragen zu beantworten und Ziele zu diskutieren. Und ich habe kein Problem damit, wenn jemand nach der Diskussion sagt: Ich will trotz allem einen Nationalpark. Das ist ja ein legitimes Interesse. Allerdings gibt es dafür bislang keine politische Mehrheit.

Zur Person: Ulrich Mergner

Ulrich Mergner leitet bereits seit 2005 den rund 17 000 Hektar großen Forstbetrieb Ebrach der Bayerischen Staatsforsten im Steigerwald. Geboren 1955 wuchs Mergner in einem kleinen Spessart-Dorf, umgeben von Wäldern auf. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium Lohr studierte er Forstwissenschaft an der LMU München und an der ETH Zürich. Seitdem arbeitete er als Forstmann im Bayerische Hochgebirge, im Spessart und im Steigerwald. Selbst Mitglied beim BUND Naturschutz ist Mergner über den Steigerwald hinaus bekannt für sein Engagement für den Natur- und Artenschutz im Wald.
Quelle: Internet-Seite ulrich-mergner.de
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ebrach
Henry Stern
Artenschutz
Artenvielfalt
Bund für Umwelt und Naturschutz
Extinction Rebellion
Klimaschutz
Ludwig-Maximilians-Universität München
Naturschutz
Naturschutzpolitik
Naturschützer
Schutzgebiete
Steigerwald als Nationalpark
Umweltaktivisten
Umweltverbände
Wald und Waldgebiete
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • DieWahrheit
    Herr Stern, können Sie aus den Kommentaren lesen.

    Was würden diese Kommentatoren wohl auf Ihre Frage antworten.

    Ich zitiere: "Könnte das neue Schutzgebiet im Böhlgrund nicht eine Chance bieten, Maximalforderungen und alten Streit hinter sich zu lassen und auf sachlicher Basis gemeinsam nach Lösungen zu suchen?"

    Ach ja, diese wurde ja schon mehrfach beantwortet, mit der Aussage nur ein "Erster Schritt" und der Forderung NP sonst nichts!

    Herr Stern, Sie haben jetzt ja Herrn Mergner persönlich kennen lernen dürfen und ich bedanke mich dafür, dass Sie Herrn Mergner die Gelegenheit gegeben haben das Trittsteinkonzept näher zu erläutern und darauf hinzuweisen.

    Ich kann Ihnen versichern, dass die Menschen, die sich für das Trittsteinkonzept im nördlichen Naturpark Steigerwald einsetzen, nur den Wald und die Natur im Auge haben.

    Wenn Sie das nächste Mal zu uns in den Steigerwald kommen lassen Sie es uns wissen. Wir würden uns sehr gerne Vorstellen und mit Ihnen ins Gespräch kommen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • saufhauerl
    Der Mergner ist schon komisch. Einmal is er beim BN, dann ist er wieder gegen Nationalpark. Für mich ist es so, als würde seine Doppelrolle dazu nutzen, die Argumente des Naturschutzes vollkommen umzudrehen.
    Small is beautiful. Klingt charmant, aber Quatsch bleibts trotzdem. Je größer das Schutzgebiet, umso besser für die Natur! Sogar die Wiseenschaftler der Uni WÜ sagen hinter vorgehaltener Hand, dass ein Nationalpark besser als das Trittsteinkonzept ist.
    Mergner arbeitet für die Staatsforsten und horcht gleichzeitig den BN nach Argumenten aus.
    Mergner musste die Leitung des Arbeitskreises Wald vom BN abgeben, weil seine Stellungnahmen gegen den Nationalpark Steigerwald untragbar waren.
    Nach meiner Ansicht ist er ein Verräter an der Guten Sache!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • rebnik
    Na klar! Mergner hat immer ein doppeltes Spiel gespielt. Und dann stellt er sich der Öffentlichkeit als den Unverstandenen vor. Was eine Heuchelei!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • SteffReni
    Ich frage mich, wo hier die Gier ist. Sind es die die Bayerischen Staatsforsten, Sägewerksbesitzer, Anwohner etc. oder sind es die NP Befürworter und Möchte-Gern-Natur-Ideologen, die einfach nicht von ihrer Maximalforderung lassen können ?
    Aber wie Herr Mergner so schön gesagt hat, bislang gibt es keine politische Mehrheit für den Nationalpark. d.h. das Volk wählt (Landtagswahl 2018 Grüne 17.6 Bayern/ im Steigerwald ca. 10 %), nennt sich Demokratie liebe NP-Freunde, da hilft kein Heulen und Zähneklappern.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • rebnik
    Beim Lesen fiel mir dazu nur ein Begriff ein: Scheinheiligkeit...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • manfred-englert@hotmail.de
    @richtig &gardner: Super fände ich es, Sie würden sich sachlich mit diesem Thema auseinandersetzen. Und da stellt sich natürlich die Frage, inwieweit Sie fachlich kompetent sind. In Ihren Kommentaren werfen Sie, wie ich finde sehr unsachlich, dem Fachmann Mergner Arroganz und eine Freundschaft zu Herrn Eck vor! Lassen Sie doch mal dieses "Draufgehaue"! Wenn Sie sich so kompetent einschätzen, dann machen Sie sich doch auf den Weg durch die Instanzen, gehen Sie in die Politik und versuchen Sie sich daran, alles besser zu machen!!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • richtig
    Da das Mergnersche Trittsteinkonzept bislang zwar gepriesen aber nirgendwo adaptiert wurde, sollte jedem klar sein, dass dieses Konzept von den "Bestimmern" nur gebilligt wurde, weil man glaubte damit an einem echten Schutzgebiet vorbei zu kommen.

    Mergner ist eben eine "Macher", der die Natur für suboptimal und dümmer als sein Forstwissen und das der Seinigen hält. Ein neugieriger Beobachter mit Respekt der Natur gegenüber und ist er sicherlich nicht.

    Wenn es is in einem Schutzgebiet so ist, dass sich unter gewissen Bedinungen die eine Baumart durchsetzt, dann ist das wertfrei zu betrachten. Ohnehin wird dort nicht geerntet, egal wohin die Entwicklung geht. Mergner aber meint, nur die menschengewollte Vielfalt sei als positiv zu werten. Welch eine Arroganz ...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lufti
    Hier stellt sich die Frage, wer ist tatsächlich arrogant? Derjenige der differenziert und sachlich argumentiert oder derjenige der sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnt - @richtig?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dbuettner0815@gmail.com
    Ein Freund von Eck?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten