Es war ein symbolischer Ort, an dem der Deutsche Fußball-Bund den mit Spannung erwarteten Untersuchungsbericht über die sogenannte „Sommermärchen-Affäre“ vorstellen ließ. In Salon 9 und 10 des Steigenberger-Hotels direkt am Frankfurter Flughafen war exakt vor vier Jahren Wolfgang Niersbach zum DFB-Präsidenten gewählt worden. An diesem Nachmittag war Niersbach zwar nicht anwesend, unter der Last der Vorwürfe war er im Herbst 2015 von seinem Amt zurückgetreten, doch war er auch an diesem regnerischen Tag ständig präsent. Denn Wolfgang Niersbach war einer der Protagonisten in dem Fall um Bestechungsvorwürfe und dubiose Millionenzahlungen, seine Rolle als Mitverantwortlicher wurde durch den Untersuchungsbericht erhärtet. Bis er auch noch seine Ämter als Uefa- und Fifa-Exekutivmitglied niederlegt, erscheint nur als Frage der Zeit.
90 Minuten dauerte die Pressekonferenz mit der Vorstellung des über eine Million teuren Freshfields-Reports, und allein die Besetzung auf dem Podium zeigte, wie sehr es den mächtigen DFB, mit rund 6,9 Millionen Mitgliedern der weltgrößte Sportfachverband, in den vergangenen Monaten zerfleddert hatte: Mit dem Liga-Präsidenten Reinhard Rauball und dem bayerischen Verbandschef Rainer Koch stellten sich die beiden Interimspräsidenten den Fragen der Presse. Dazu gesellte sich der CDU-Bundestagabgeordnete Reinhard Grindel, Schatzmeister und designierter DFB-Präsident. Eine neue Führung wählt der DFB erst auf seinem Bundestag am 15. April.
Das erste Wort jedoch hatte Christian Duve von der Frankfurter Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die im Herbst mit der Aufarbeitung des Falls beauftragt worden war. Es war eine Mammutaufgabe für die Prüfer, sie sichteten insgesamt 128 000 elektronische Dokumente, die 1695 relevante Funde erbrachten. 740 Aktenordner wurden eingesehen, 31 Personen wurden persönlich befragt. Wobei nicht alle Gesprächspartner zur Verfügung standen: Einige, wie der Franzose Robert Louis-Dreyfus, der ominöse Geldgeber, oder Robert Schwan, Franz Beckenbauers ehemaliger Manager, sind bereits tot.
Andere, wie etwa Fifa-Präsident Joseph Blatter oder Verantwortliche der Kirch-Gruppe, Inhaber der Fernsehrechte, wollten sich nicht äußern.
Dazu hatten die Ermittler, „die keine Staatsanwälte und keine Richter sind“, wie Duve betonte, mit anderen Widrigkeiten zu kämpfen. „Erschwert wurde unsere Untersuchung auch dadurch, dass uns manche potenziell relevanten Dokumente nicht zur Durchsicht zur Verfügung standen. Auch die beim DFB auffindbaren Unterlagen waren nicht vollständig“, heißt es in dem 361 Seiten dicken Untersuchungsbericht, den der DFB am Freitag komplett online stellte. So war ein Ordner mit der Aufschrift „Fifa 2000“ im DFB-Archiv nicht mehr aufzufinden. Er sei, so Duve, von einer DFB-Mitarbeiterin ausgeliehen worden. Bei den Recherchen der Prüfer konnte die Frau ausfindig gemacht, der Ordner aber nicht aufgetrieben werden. „Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass frühere DFB-Mitarbeiter Akten nach ihrem Ausscheiden vernichtet haben“, heißt es in dem Bericht weiter. Auch die Akten, die die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt habe, seien nicht einsehbar gewesen. „Angesichts dieser Beschränkungen können wir heute kein abschließendes Bild darstellen“, sagte Duve.
Verschwundene Akte
So bleibt auch nach diesem Tag ein diffuses Bild. Ob sich der DFB durch Bestechung die Ausrichtung der WM 2006 gesichert habe, konnte auch der Freshfields-Report nicht klären. Zwar scheinen die Geldströme um jene 6,7 Millionen Euro geklärt, die der DFB auf ein Fifa-Konto in Zürich zahlte, von wo aus es umgehend bei Louis-Dreyfus landete. Die Zahlung des DFB sei mit dem Vermerk „Aufwendungen für Fifa-Kulturprogramm“ bewusst falsch deklariert worden, so die Prüfer. Denn ein Kulturprogramm der Fifa im Rahmen der WM in Deutschland fand nie statt, die Gala war im Januar 2006 abgesagt worden. Die Zahlung sollte eine frühere Überweisung über zehn Millionen Schweizer Franken an eine Firma in Doha kompensieren, für die Dreyfus das Geld vorgestreckt hatte. Die Firma mit dem Namen Kemco Scaffolding Co. soll Mohamed bin Hammam gehören, damals Mitglied der Fifa-Finanzkommission und ein international gut vernetzter Strippenzieher.
Hat er Stimmen aus Asien für Deutschland in der entscheidenden Abstimmung der Fifa-Exekutive im Jahr 2000 besorgt? Die Prüfer fanden keine Beweise dafür, Freshfields-Sprecher Duve deutete lediglich „eine Änderung im Stimmverhalten der Asiaten“ an.
Korruptionsexpertin Sylvia Schenk von Transparency International, die die Vorstellung des Berichts in Frankfurt vor Ort verfolgte, sagte, „aus dem Fall müssen die Lehren gezogen werden“. Die Aufarbeitung im Report hinterlasse einen „glaubwürdigen Eindruck“.
Für den DFB, dem Rainer Koch ein Komplettversagen der Kontrollorgane attestierte, kündigte der designierte Präsident Reinhard Grindel Konsequenzen an: Er will einen Compliance-Experten sowie einen Ethikrat im Verband installieren sowie künftig Bilanzpressekonferenzen durchführen und einen Wirtschaftsbericht veröffentlichen. „Nur so können wir Integrität gewinnen.“ Was Konsequenzen für die Verantwortlichen der Affäre anbetrifft, so erbat Reinhard Rauball Zeit: „Wir werden das in den Gremien besprechen.“ Die Frage, ob er sich von Niersbach hintergangen gefühlt habe, ließ er offen. Grindel sagte, „dass ich mir gewünscht hätte, dass er uns früher informiert hätte“.
Die "DFB-Affäre / "Fifa-Affäre" haben dagegen eine Handvoll korrupter (kriminelle?) Funktionäre produziert!!!