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München
Söder greift tief ins staatliche Festgeldkonto
Bayerns Haushalt wächst auf Rekordniveau – und lässt sich nur dank der Milliarden-Rücklagen decken. Die Finanzpolitik bleibe aber auch in unruhiger Zeit solide, so Söder.
Braucht 3,6 Milliarden Euro aus den staatlichen Rücklagen, um den neuen Doppel-Haushalt zu finanzieren: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Kabinettsklausur am Tegernsee.
Foto: Peter Kneffel, dpa | Braucht 3,6 Milliarden Euro aus den staatlichen Rücklagen, um den neuen Doppel-Haushalt zu finanzieren: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Kabinettsklausur am Tegernsee.
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:21 Uhr

Mit einem kräftigen Griff ins staatliche Festgeldkonto will die neue schwarz-orange Staatsregierung ihre teuren Wahlversprechen finanzieren: Rund 3,6 der bislang rund 5,8 Milliarden Euro Rücklagen sind nötig, um einen Rekord-Haushalt über 124,7 Milliarden Euro für die Jahre 2019 und 2020 aufzustellen. Bereits in diesem Jahr sollen die Ausgaben um gut sechs Prozent auf rund 64,9 Milliarden Euro ansteigen. Der Landtag soll den Plan bis Mitte Mai endgültig verabschieden.

Alte Schulden getilgt und seit Landesbank-Rettung keine neuen gemacht

Alleine das Familiengeld, dessen Hartz-IV-Anrechnungsfreiheit die Staatsregierung nun gegen den Bund vor Gericht durchsetzen will, das Pflegegeld, sowie die Eltern-Zuschüsse zu den Kita-Gebühren schlagen mit rund 1,5 Milliarden Euro Zusatzkosten pro Jahr zu Buche."Zugegeben, es ist Einiges dazu gekommen", räumte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer zweitägigen Kabinetts-Klausur am Tegernsee ein. Es gebe aber auch viele neue politische Herausforderungen, auf die die neue Staatsregierung "auch finanziell reagieren" wolle.

"Zugegeben, es ist Einiges dazugekommen."
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum neuen Staatshaushalt

So fließt das Extra-Geld laut Söder vor allem in die Bereiche Familie, Umwelt, Gesundheit und Bildung. Der Bildungsetat etwa erreicht mit einem Volumen von 42 Milliarden Euro und rund 2200 neuen Lehrerstellen ein Rekordniveau. Söder beteuert jedoch, dass der neue bayerische Staatshaushalt trotz der Zusatzausgaben deutschlandweit "der Pionier bei finanzpolitischer Seriosität und Solidität" bleiben werde: So soll etwa die Quote der für die künftige Wirtschaftskraft wichtigen Investitionen bis 2020 auf 13,7 Prozent des Gesamthaushaltes steigen. Seit den Milliarden-Krediten für die Landesbank-Rettung 2009 hat der Freistaat zudem keine neuen Schulden mehr gemacht – und bislang sogar rund 5,5 Milliarden Euro alte Schulden getilgt.

Schuldentilgung noch bis 2070?

In den kommenden beiden Jahren soll eine weitere Schulden-Milliarde zurückgezahlt werden. Ein Tempo, mit dem die einst von Horst Seehofer für 2030 versprochene komplette Tilgung der derzeit noch gut 27 Milliarden Euro Verbindlichkeiten aber erst nach 2070 zu erreichen wäre. Söder will am bisherigen Zeitplan dennoch festhalten: "Das Ziel 2030 bleibt", sagte er. Denn: "Wenn sie ein Ziel aufgeben, werden sie es nie erreichen." Der "Pfad" sei wichtig, fügte Söder an – und nicht, ob man "ein paar Jahre früher oder später" ankomme.

Der ursprüngliche Seehofer-Plan, die Schuldentilgung ab 2020 mit der Entlastung Bayerns beim Länderfinanzausgleich zu bezahlen, ist dagegen vorerst vom Tisch: Die rund 1,3 Milliarden Euro, die unter dem Strich in der bayerischen Kasse bleiben sollen, sind nämlich zumindest im nächsten Jahr bereits zur allgemeinen Haushaltsdeckung eingeplant.

Bald mehr als 25 Milliarden Euro pro Jahr für Personal

Bereits seit Jahren ein enormer Kostentreiber sind die Personalausgaben: Mehr als 4300 zusätzliche Stellen sollen bis 2020 entstehen – vor allem in den Schulen und bei der Polizei. Die Personalkosten dürften damit 2020 erstmals über 25 Milliarden Euro liegen – rund fünf Milliarden mehr als noch 2015. Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben könnte damit 2020 wieder die als kritisch erachtete Schwelle von 40 Prozent überschreiten.

Kritik kam von SPD und Grünen: Falls die Konjunktur auch in Bayern schwächle, "fallen den Menschen die teuren Wahlversprechen schnell auf die Füße", warnte die Grünen-Finanzexpertin Claudia Köhler. Die neue Regierung verteile "ohne nachhaltigen Effekt wahllos Geld übers Land", bemängelte SPD-Haushälter Harald Güller. Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist dagegen mit der neuen Finanzplanung "sehr zufrieden". Noch vor Jahresfrist hatte er als Oppositionspolitiker den Haushalt des damaligen Finanzministers Söder scharf kritisiert. "Meine Stimmung hat sich geändert", erklärte er nun: "Weil wir jetzt mit dabei waren."

 
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  • al-holler@t-online.de
    Selbst Henry Stern, gewiss nicht der - vorsichtig ausgedrückt - "dickste Freund" der Staatsregierung oder von Herrn Söder ist, gibt in seinem heutigen sog. Standpunkt zu, dass es nicht verwerflich ist, auf die hohe Kante, also vorher erwirtschaftetes Geld zurückzugreifen. Aus seiner Feder ist das nebenbei bemerkt schon ein Lob.
    Verwerflich ist aber, dass man in geradezu pawlowsch anmutendem Beissreflex ihm etwas anzukreiden versucht, was man z.B. einem Berliner Senat durchgehen lässt, der am Tropf der anderen Bundesländer hängt und solche und noch größere Wohltaten nur über den Länderfinanzausgleich - also letzten Endes auch mit bayer. Steuergelt - zahlen kann.
    Scheinheilig nenne ich so was!
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  • rebnik
    Andererseits: Die absolute Mehrheit bei der nächsten Landtagswahl, die kostet halt schon ne Stange Geld! grinsen
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  • rebnik
    Du lieber Himmel, Herr Söder, des iss aber so gar nicht protestantisch und fränkisch, dass Sie hier mit den dicken Spendierhosen unterwegs sind! Na hören Sie mal! Machen Sie jetzt schon einen auf dicker katholischer Bayer, was? zwinkern
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  • Lebenhan1965
    Söder

    tut das, was er Sozialdemokraten vorwirft. Er lebt aus der Substanz.
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  • al-holler@t-online.de
    im Gegensatz etwa zu SPD-regierten Schulden-Ländern wurde dieses Festgeldkonto trotz Länderfinanzausgleich durch einen CSU-Finanzminister gefüllt. Insofern ist die suggestive Schlagzeile typische stern'sche xxxxx - aber da schweig ich erst mal lieber.......
    Und Schuldentilgung betreibt bzw. betrieb m.W. z.Zt. weder ein anderes Bundesland, noch der Bund selbst
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