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Würzburg
G9: Warum fehlen den Neuntklässlern so viele Schulbücher?
Unterfrankens Gymnasien warten auf Lehrbücher: Den neunten Klassen fehlen Bücher in Sprachen, Naturwissenschaften und Religion. Was Schuldirektoren sagen.
In der vierten Woche nach Schulbeginn fehlen in Bayern immer noch Bücher. Betroffen sind vor allem Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse des neuen G9 (Symbolfoto).
Foto: Jens Wolf, dpa | In der vierten Woche nach Schulbeginn fehlen in Bayern immer noch Bücher. Betroffen sind vor allem Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse des neuen G9 (Symbolfoto).
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:39 Uhr

Seit 2017 ist klar, dass Bayern das neunstufige Gymnasium wieder einführt. Trotz dieser langen Vorlaufzeit fehlen aktuell zahlreiche Schulbücher für die neunte G9-Jahrgangsstufe, die es in dieser Form im Freistaat seit Jahren erstmals wieder gibt. Der Bayerische Philologenverband und der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) sind empört. Bayerns Kultusminister dagegen redet das Problem klein: "Wir haben den Kenntnisstand, dass die meisten Schulbücher vorliegen“, erklärte Michael Piazolo (Freie Wähler) in der vergangenen Woche. Wie groß ist der Mangel wirklich?

Umfrage bei unterfränkischen Gymnasien: Mangel deutlich gravierender als laut Piazolo

Der Nachfrage bei rund einem Dutzend Gymnasien in Unterfranken zufolge jedenfalls deutlicher dramatischer als vom Minister angegeben: Zwar lägen in den Kernfächern Deutsch und Mathe flächendeckend neue G9-Bücher vor, heißt es bei den Schulleitungen. Doch schon bei weiteren Kernfächern klafften Lücken:  G9-Französischbücher für jene Schüler, die mit der Sprache neu anfangen, fehlen gänzlich.

Den Mangel an neuen Lateinbüchern für die 9. Klasse beklagen vier Schulleiter, dreien fehlen neue Englisch-, dreien Spanischbücher. An etlichen Schulen sind in Physik, Chemie oder Informatik keine G9-Bücher greifbar. Und in den meisten der befragten zwölf Schulen haben die Direktoren nicht die leiseste Ahnung, wann Bücher für katholische Religion verfügbar sind. Bei evangelischer Religion oder Ethik sieht es kaum besser aus.

Lehrkräfte: Macht den Unterricht nicht leichter

Je nachdem, bei welchen Verlagen sie geordert haben, sind die Gymnasien vom Mangel unterschiedlich stark betroffen. Während einige Schulen "nur" das Fehlen von Religionsbüchern monieren, schicken andere ellenlange Mangel-Listen: Seinen Neuntklässlern fehlten Bücher in "Chemie, Französisch, Geschichte, Informatik, Physik, Politik und Gesellschaft, Musik, Ethik sowie in katholischer und evangelischer Religon", berichtet Achim Höfle, Leiter des Gymnasiums Landschulheim Wiesentheid. "Noch nicht geliefert" seien Englisch- , Latein- und Französisch-Bücher sowie Lehrwerke in Physik, Chemie und Ethik, teilt Klemens Alfen, Leiter des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Schweinfurt mit. Lehrkräfte dort kritisieren, dass "der allseits apostrophierte Start in eine Aufholphase nach den Lockdowns dadurch in keinem Fall leichter wird".

Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit alten Lehrwerken oder Online-Material behelfen

Wie geht Unterricht ohne Bücher? Vierlerorts behelfen sich Pädagogen mit den von Verlagen zur Verfügung gestellten Online-Materialien. Andere verlassen sich auf Lehrbücher aus dem alten G8. Das aber bedeutet laut Kerstin Vonderau, der Leiterin des Rhön-Gymnasiums in Bad Neustadt, Mehrarbeit für die Lehrkräfte: "Wir haben für G9 einen neuen Lehrplan, der stärker als früher kompetenzorientiert ist. Wir müssen also das alte Lehrwerk mit dem neuen Lehrplan sorgfältig abgleichen und schauen, auf welche Kompetenzen die Lehrplanmacher abzielen."

Diese Neuntklässler haben zum Schuljahresstart ihre neuen Chemiebücher bekommen. 
Foto: Peter Kneffel, dpa | Diese Neuntklässler haben zum Schuljahresstart ihre neuen Chemiebücher bekommen. 

Vonderau zufolge ist es auch möglich, allen, die Französisch als dritte Fremdsprache gewählt haben, die G9-Lehrwerke für Französisch als erste oder zweite Fremdsprache anzubieten. Auch diese Option sei nicht einfach: "Bei Französisch als dritte Fremdsprache geht man ja mit neuen Grammatikstrukturen viel schneller voran, so dass die Bücher nicht zum neuen Lehrplan passen."

Ist das langwierige Prüfverfahren des Ministeriums an Verzögerung schuld?

Woran aber liegt es, dass die Bücher nicht kommen? "Am langwierigen und restriktiven Prüfverfahren des Kultusministeriums", vermutet ein Schulleiter, der selbst Schulbücher geschrieben hat. Tatsächlich prüft das Ministerium aktuell noch sieben Lehrbücher für die 9. Gymnasialklasse, wie ein Sprecher mitteilt. Weitere 22 Lehrwerke sind offenbar nach der Prüfung an die Schulbuchverlage zurückgeschickt worden, wo sie aktuell noch "finalisiert" werden müssen.

Dass die Verlage ihre erstellten Schulbücher dem Ministerium zur Zulassung einreichen, um so "eine Übereinstimmung mit den gültigen Lehrplänen, Werbefreiheit, Ausgewogenheit sowie fachliche und inhaltliche Korrektheit zu garantieren", sei üblich, teilt der Sprecher mit. Die Frage, warum diese doch absehbare Aufgabe nicht rechtzeitig vom Ministerium bewältigt wurde, beantwortet er nicht. 

Religionsbücher laut Ministerium von den Verlagen sehr spät oder gar nicht eingereicht

Prüft auch die Kirche mit, dauert der Prozess noch länger: "Religionsbücher (…) erscheinen grundsätzlich mit Verzögerung, da diese neben dem staatlichen Zulassungsverfahren auch noch ein sehr zeitaufwändiges kirchliches Zulassungsverfahren durchlaufen müssen", teilt etwa der Schulbuchverlag Cornelsen mit: "Dementsprechend sind bislang erst die Bücher der Jahrgangsstufen 5 bis 7 erschienen, obwohl der LehrplanPlus bereits in Jahrgangsstufe 9 angekommen ist."

Im Widerspruch dazu erklärt ein Sprecher des Kultusministeriums auf Nachfrage, dass Verlage Religionsbücher noch nicht oder zu spät für die Zulassung eingereicht hätten.

Aktuell gar keine Bücher für Französisch als dritte Fremdsprache im G9

Jenen Schülern, die in der 9. Klasse mit Französisch als dritter Fremdsprache starten wollten, bietet übrigens offenbar gar kein Verlag ein neues Schulbuch an. Betroffene Schüler müssen das G8-Lehrbuch weiter nutzen. Darüber seien die Gymnasien informiert worden, heißt es im Ministerium nach mehrfacher Anfrage.

 
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  • D. E.
    Die Lösung ist doch einfach. Jedem Schüler ein Tablett in die Hand gedrückt und Bücher online anbieten. Das ist leicht auf aktuellen Stand zu halten und Schüler können Notizen machen und leichter als jeden Tag viele Schulbücher in die Schule zu schleppen.
    Man (Bayer. Regierung) müsste halt Digitalisierung verstehen und vorantreiben und nicht nur darüber reden.
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  • C. L.
    Oder liegt es an dem Aus der Druckerei Stürtz vor ein paar Jahren und die auf Halde liegenden Bücher sind verbraucht?
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  • M. F.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln (Falschbehauptungen) auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • M. F.
    In anderen Bundesländern klappt das doch auch mit den Büchern. Oder gar digital wie beim Bildungsweltmeister Finnland. Aber Piazolo kanns einfach nicht. Der sollte von seinem Amt wegen Unfähigkeit sofort und ohne Rentenanspruch zurücktreten. Solche Politiker braucht kein Mensch. Der Piazolo hat bisher auch sonst auf keinem einzigen Feld auch nur mit irgendetwas geglänzt. In der freien Wirtschaft wäre der nach ner Woche schon wieder rausgeflogen. Solche Sachen gehen nur wenn man ein Behördie oder mit dickem Wählergeld gepammperten Minister ist.
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  • M. S.
    Alles in allem ist es doch einfach nur peinlich. Die Probleme die im Artikel genannt werden waren alle vorab bekannt. Man hätte sie im Vorfeld lösen können.

    Zusammen mit zunehmenden Fehlstunden mangels Lehrern, unzureichenden Onlineunterricht während der Pandemie und vielen anderen Problemen im schulischen Bereich kann man auf den Gedanken kommen, dass doch nicht alles so toll ist wie von unserer Landesregierung behauptet.

    Die einfachste Lösung ist natürlich mit dem Finger auf andere zu zeigen bei denen es möglicherweise noch schlechter läuft. Vor allem darin ist unsere Landesregierung geübt. Davon wird leider nichts besser man relativiert nur. Das ist die schlechteste aller möglichen Dinge mit solchen Problemen umzugehen.

    Hier sollten sich die FW schämen die dieses Ministerium leiten. Auch die CSU, welche die Regierungsmehrheit stellt sollte sich schämen, dieses Gewurschtel geht ja schon seit Jahren. Warum lässt man das so laufen?
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  • G. M.
    Manche Fächer - wie Französisch als 3. Fremdsprache - wären für Verlage wirtschaftlich darstellbar, wenn das Ausleihsystem abgeschafft wäre.
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