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MAINFRANKEN
Björn Höckes fränkische Freunde
Christian und Andrea Klingen
Foto: Ralf Dieter | Christian und Andrea Klingen
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:07 Uhr

Fragen unerwünscht. Ihr Mann sei „nicht zu sprechen“, bügelt Andrea Klingen die Redaktion am Telefon ab und legt auf. Die 46-Jährige ist stellvertretende Schatzmeisterin im AfD-Bezirksverband Unterfranken. Ihr Mann Christian, 51, ist Bezirksvorsitzender. Beide sind Direktkandidaten ihrer Partei für die anstehende Bundestagswahl. Beide sind glühende Anhänger des auch in der AfD in Verruf geratenen Rechtsaußen Björn Höcke. Das Ehepaar Klingen gehört dem parteiinternen Netzwerk „Der Flügel“ an, in dem sich die Höcke-Fans sammeln. Sie sind nicht die einzigen in der fränkischen AfD, die den völkisch-nationalen Kurs des Thüringischen Parteivorsitzenden stützen.

AfD-Mitgliedern wie dem Ehepaar Klingen dürfte die Nachricht über das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke sauer aufgestoßen sein. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Schlammschlacht, die in der Partei seit Monaten tobt und bei der es auch um die Frage geht, wer für die AfD im Herbst in den Bundestag einzieht. Schon bei der Aufstellung der Direktkandidaten kam es in einigen fränkischen Kreisverbänden zu Ungereimtheiten.

Unter anderem wurden Mitglieder zu Parteiversammlungen nicht eingeladen (wir berichteten). Im März will die AfD in Bayern ihre Landesliste aufstellen.

Auffällig ist, dass sich inzwischen mehrere Höcke-Getreue als Direktkandidaten durchsetzen konnten. Im Wahlkreis Bad Kissingen tritt Andrea Klingen an, im Wahlkreis Schweinfurt Gatte Christian. In Würzburg kandidiert mit Thomas Thiel jemand, der sich selbst als „Freund des Flügels“ bezeichnet. Eigentlich wohnt er in Augsburg, im Sommer sei er einmal auf einer AfD-Kundgebung in Würzburg gewesen. „Eine wunderschöne Stadt – aber schlimme Zustände!“, so der 43-Jährige mit Blick auf linke Gegendemonstranten. Auch in Nürnberg tritt ein „Flügel“-Freund an. Martin Sichert bewirbt sich im Wahlkreis Nürnberg-Nord um einen Sitz im Parlament.

Und im oberfränkischen Kulmbach hat sich mit Georg Hock, Mitglied im bayerischen Landesvorstand, ebenfalls ein „Flügel“-Mann als Direktkandidat in Stellung gebracht.

Schlammschlacht in geheimen Facebook-Gruppen

Wie tief der Graben zwischen den „Flügel“-Anhängern und ihren Kritikern ist, zeigte auch eine AfD-Veranstaltung am Samstag in Würzburg. Neben den Rednern Sichert, Thiel und Christian Klingen war auch Höcke-Kritikerin Alice Weidel angekündigt. Doch das AfD-Bundesvorstandsmitglied sagte kurzfristig ab. Wegen Krankheit, hieß es. Gemutmaßt wurde aber, dass sie nicht auf einer „Flügel“-Veranstaltung auftreten wollte.

Auf Thiels öffentlich zugänglicher Facebook-Seite entlud sich der Zorn des „Flügels“. „Echt krank oder behauptet, um sich nicht den Mitgliedern stellen zu müssen???“, fragte Hans-Jörg Müller, Vorsitzender des AfD-Mittelstandsforums und selbst einer der Redner am Samstag. Weidels Antwort: „Erbärmlich, Herr Müller.“ Edwin Hübner, vom Kreisvorstand Kulmbach-Lichtenfels und bekannt durch ein TV-Interview, in dem er die Meinung vertrat, Deutschland sei in den Zweiten Weltkrieg getrieben worden, schrieb an Weidels Adresse: „Ich bin FLÜGEL-Mann, also HÖCKE-Fan, Sie haben den Fehler gemacht, ihn öffentlich zu kritisieren, das TUT MAN NICHT.“

Im Vergleich zum Umgangston, der in verborgenen Facebook-Gruppen unter AfD-Mitgliedern herrscht, sind solche Töne noch harmlos. In Diskussionen, die der Redaktion zugespielt wurden, wird gelästert und gestritten. Die Rede ist von „laufenden und künftigen Intrigen“. Die AfD sei ein „Sammelsurium aus Verrat, Denunziation, Feigheit, Wichtigtuerei und Pöstchenjägerei“, schreibt einer. Vorwürfe werden laut, wonach Kandidaten für Parteiposten „unter Druck gesetzt werden“, sogar der Ausdruck „Treibjagd“ fällt in diesem Zusammenhang.

Unterdessen bläst nicht nur Björn Höcke scharfer Wind aus der eigenen Partei ins Gesicht, sondern auch seinen Anhängern. Gegen Christian Klingen etwa halten sich hartnäckige Vorwürfe. Vereinzelte Kritik gab es, weil er im November den umstrittenen neurechten Publizisten Jürgen Elsässer nach Prichsenstadt (Lkr. Kitzingen) zu einem Vortragsabend der AfD eingeladen hatte. Vehement beklagen schon seit vergangenem Herbst Parteifreunde den Rechtsruck im Bezirksverband Unterfranken. So wurde etwa unter Klingen ein ehemaliges NPD-Mitglied aufgenommen. Der Mann musste die Partei inzwischen wieder verlassen.

Aus gut informierten Kreisen ist zu hören, dass auch in Bayern Parteiordnungsverfahren angestrengt werden. Ob davon auch fränkische Funktionäre betroffen sind, ist derzeit unklar.

Die rechten Baustellen der AfD

Björn Höcke bestimmt die Schlagzeilen – doch er ist offenkundig nicht das einzige Problem der AfD, wenn es um die Abgrenzung zu Rechtsextremismus geht: Die Nürnberger AfD-Bundestagskandidatin Elena Roon hat in einer Chatgruppe der Partei ein Hitler-Bild verbreitet. Dazu der Text: „Vermisst seit 1945“ und „Adolf, bitte melde Dich!“ AfD-Landesschef Petr Bystron sagte dazu: „Wir nehmen das ernst.“ Der Landesvorstand habe sofort eine Untersuchungsgruppe einberufen. In Baden-Württemberg soll ein Mitarbeiter der Landtagsabgeordneten Christina Baum aus Lauda-Königshofen in der Jugendorganisation der NPD aktiv gewesen sein. Unter anderem nennt ihn ein Anmeldeformular für eine NPD-Veranstaltung, das der Redaktion vorliegt, als Ansprechpartner. Der Mitarbeiter wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern und verwies auf seinen Anwalt. Baum erklärte, der Mitarbeiter sei weder Mitglied noch offizieller Funktionsträger irgendeiner Partei gewesen. „Wir beurteilen nicht seine Vergangenheit, sondern sein jetziges Wirken.“ ben/dpa
 
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  • jbehr74
    Das ist bei Herrn Stahl nichts Neues, der selbst ernannte Jäger der bösen Braunen malt kunstvoll ein düsteres Bild von einer angeblichen Verschwörung und es droht wahrscheinlich gleich auch noch eine Revolution der Braunen.
    Dabei glänzt er mit Halbwissen, das seine unseriösen Quellen ihm zuspielen, die Interesse daran haben, Leute wie das Ehepaar Klingen zu diskreditieren um selber an Macht in der AfD zu gewinnen und Herr Stahl wird instrumentalisiert und merkt das nicht.
    Warum hat Herr Stahl noch nie das persönliche Gespräch gesucht mit den so bösen braunen Menschen, sondern informiert sich immer aus unseriösen Quellen, die ihn bewusst so steuern wie die es brauchen.
    Wer das Ehepaar Klingen kennt oder Herrn Sichert oder Herrn Thiel wird schnell merken, das sind Bürger aus der Mitte des Lebens und keine Extremisten oder Radikale.
    Diese stehen sachlichen Dialogen, die fair geführt werden jederzeit offen, aber wie am Samstag in Heidingsfeld traut sich der linke Mobb nicht dazu!
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  • benjamin.stahl@mainpost.de
    schön, dass Sie als AfD-Mitglied meine Berichterstattung so intensiv beobachten. Ich möchte Ihnen aber versichern, dass ich mich nie selbst zum Jäger von irgendetwas ernannt habe. Was Sie darüber hinaus mit "antifaschistischer Redakteur" meinen und auf welche "unseriösen Quellen" Sie anspielen, wird mir leider nicht klar.
    Das von Ihnen geforderte persönliche Gespräch mit dem Ehepaar Klingen habe ich jedenfalls gesucht. Leider lief das Telefonat so ab wie oben im Text beschrieben. Selbstverständlich stehe ich jederzeit für einen Austausch mit Herrn und Frau Klingen bereit. Vielleicht möchten Sie ja vermitteln...
    Freundliche Grüße,
    Benjamin Stahl, Redaktion Aktuelles
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  • uwe.luz@t-online.de
    Völlig zurecht wird die AfD äußerst kritisch betrachtet. Die gleiche Behandlung ist allerdings auch für die LINKE angemessen. Nach wie vor sitzen 16 Ex-Stasi-Funktionäre im Thüringer Landtag. Nur mit Not konnte ein ehemaliger Stasi-Funktionär aus der Berliner Landesregierung wieder entfernt werden. Allerdings scheint die LINKE von vielen für salonfähig gehalten zu werden, obwohl sie sich in Ihrer extremen Ausprägung nicht von der AfD unterscheidet. Und sich mit der LINKE verbrüdern, nur weil sie auch gegen Nazis ist, wäre der falsche Weg. „Radikal“ hat bei uns nichts zu suchen.
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    "Nur mit Not konnte ein ehemaliger Stasi-Funktionär aus der Berliner Landesregierung wieder entfernt werden."
    Er wurde entfernt. Der Unterschied besteht auch darin, dass die Linke ihre unrühmliche Vergangenheit mühsam be- und verarbeitet. Verleugnet hat die Linke ihren Ursprung in der SED auch nicht.
    Die AfD orientiert sich aber immer mehr an einer Massenmörderpartei mit der sie bei ihrer Gründung nichts zu tun hatte.
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    schreibt im Fratzenbuch "Ich habe keine Freunde. Ich habe eine ausgewählte Sammlung an Irren."
    Das glaub ich gerne.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Frei nach dem Motto:

    "Die ganze Welt ist ein Irrenhaus und wir sind die Zentrale"
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