Das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke ist nicht etwa Zeichen dafür, dass die AfD nun dank funktionierender Selbstreinigungskräfte zu einer „normalen“ konservativen Partei wird. Wenn eines der prominentesten Mitglieder wegen tiefbrauner Entgleisungen vor dem Rauswurf steht, beweist das vielmehr, wie weit rechts Teile der Gruppierung bereits jetzt verortet sind.
Viel zu lange konnte Höcke als thüringischer AfD-Landesvorsitzender ganz offen mit rechtsextremer Ideologie herumzündeln. Dass Höcke in seiner berüchtigten Dresdener Rede etwa das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnete, kam nicht aus heiterem Himmel. Er meinte – und das wird im Mitschnitt mehr als deutlich – keineswegs die Schande des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden. Sondern er sprach von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“.
Es sagt viel über die AfD, dass es keine Einigkeit zu Höcke gibt
Es verrät viel über die Verfasstheit der AfD, dass es auch nach den jüngsten Entgleisungen Höckes keineswegs Einigkeit über dessen Ausschluss gibt. Im Gegenteil. Im Bundesvorstand stellten sich prominente Mitglieder wie der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen und Brandenburgs Landesvorsitzender Alexander Gauland gegen den Schritt. Über den möglichen Rauswurf Björn Höckes muss nun zunächst das Schiedsgericht des Landesverbandes Thüringen befinden.
Das letzte Wort aber wird aller Wahrscheinlichkeit nach das Bundesschiedsgericht haben, in dem Höcke wiederum großen Rückhalt genießt. Das Gremium hat es etwa abgelehnt, dass der saarländische AfD-Landesverband – wie vom Bundesvorstand gefordert – wegen seiner Kontakte in rechtsradikale, vom Verfassungsschutz beobachtete Kreise aufgelöst wird. Auch zu einem generellen Verbot für AfD-Politiker, bei Veranstaltungen der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung aufzutreten, konnte sich das Gremium nicht durchringen. Am Ende könnte auch das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke nach hinten losgehen und mit einem Triumph für den thüringischen Rechtsaußen enden.
Das Ausschlussverfahren gegen Höcke ist nicht Ausdruck eines Läuterungsprozesses, bei dem es darum geht, vor der Wahl zumindest die schlimmsten braunen Flecken auszuwaschen. Es ist vielmehr Zeichen eines gnadenlosen innerparteilichen Machtkampfes. Wie die Linien verlaufen, zeigt schon ein kurzer Blick in die Geschichte der AfD. Die 2013 gegründete Gruppe war ja zunächst vor allem Plattform von Kritikern der Euro-Rettungspolitik.
Jetzt kämpfen Petry und Pretzell gegen Gauland
Für den wirtschaftsliberalen Flügel stand der Ökonom Bernd Lucke. Doch der befand sich von Anfang an unter Beschuss durch stärker nationalkonservativ und rechtspopulistisch orientierte Kräfte – darunter vor allem Björn Höcke. Der nationalkonservative Flügel gewann 2015 endgültig die Oberhand. Lucke verließ die Partei, Frauke Petry und Jörg Meuthen wurden zu Bundessprechern gewählt.
Jetzt aber kämpfen Petry, ihr Ehemann Marcus Pretzell und weitere Getreue ihrerseits gegen den nationalkonservativen Flügel, in dem Alexander Gauland den Ton angibt – der Mann, der keinen Boateng als Nachbarn will. Bei dem mit harten Bandagen geführten Streit zwischen rechts und extrem rechts dreht es sich vor allem um die beste Ausgangsposition für die Bundestagswahl. Denn wenn die AfD ins große Parlament einzieht, woran es derzeit kaum einen Zweifel gibt, sind die wirklich lukrativen und einflussreichen Posten zu vergeben.
Auch viele der konservativen Wähler, die sich aus Frust über Eurorettung und Asylpolitik von CDU und CSU abgewandt haben, werden nun merken, dass es im AfD-Flügelkampf vor allem um Macht und Pfründe geht. Und nicht etwa um die konsequente Abgrenzung gegenüber antisemitischen und völkischen Ideologien, wie sie Höcke und Konsorten vertreten.