Im vollen Gasthaus ohne Test und Mundschutz Tisch an Tisch – im Theater nur mit 2G-Plus und Maske und vielen freien Plätzen. Viele Kulturschaffende in Unterfranken empfinden die aktuellen bayerischen Corona-Regeln für ihre Branche als extrem ungerecht. Sie verlangen deshalb trotz rasant steigender Zahl an Neuinfektionen deutliche Lockerungen für den Kulturbereich.
Kritik vor allem an der 25 Prozent Auslastungsgrenze bei Kulturveranstaltungen
Vor allem die nur in Bayern vorgeschriebene 25-Prozent-Auslastungsgrenze ist für viele Kultureinrichtungen ein gewaltiges Problem: "Der Dolchstoß für alle kleinen Theater", warnt etwa Monika Wagner-Repiscus vom Kabarett Bockshorn in Würzburg. "25 Prozent ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig", sagt Dirk Terwey, geschäftsführender Direktor im Mainfranken Theater. Dieser bayerische Sonderweg sei nur "sehr schwer zu begreifen und ein Fehler", kritisiert auch Intendant Markus Trabusch.
In Berlin etwa gelte 100-Prozent-Auslastung – soweit müsse Bayern ja gar nicht gehen, erklärt Trabusch: "Schon irgendwas dazwischen wäre gut." So sieht dies auch Brigitte Obermeier, Prinzipalin des Theaters Sommerhaus in Winterhausen (Lkr. Würzburg): "Für uns wäre schon eine 50-Prozent-Regelung eine große Hilfe. Doch die Politik denkt überhaupt nicht an die Kleinen wie uns", kritisiert Obermeier. "Je kleiner der Laden, desto schlimmer diese Regelung", klagt Jürgen Dahlke von der Kleinkunstbühne Disharmonie in Schweinfurt: "Wir sind im De-Facto-Lockdown."
Was die Kulturschaffenden besonders ärgert, sind die deutlich lockereren Regelungen in der Gastronomie: Hier hat die Staatsregierung gerade erst die bundesweite Vorgabe, die 2G-Plus-Regelung einzuführen, ignoriert. In Theater, Kinos oder bei Konzerten müssen Besucherinnen und Besucher, die nicht geboostert sind, dagegen bereits seit November einen negativen Corona-Test vorlegen - und zudem FFP2-Masken tragen. "In Bayern ist eben nur die Wirtshauskultur wichtig. Die andere Kultur steht immer am Schluss", sagt Bockshorn-Chefin Monika Wagner-Repiscus.
Der wachsende Unmut der Kulturbranche ist inzwischen auch in der Bayerischen Staatsregierung angekommen. Im Theater oder Kino nur mit weitem Abstand - aber im Gasthaus sitzt man dicht an dicht? "Das kann schon als Widerspruch gesehen werden", räumt sogar Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ein. Die unterschiedlichen Regelungen seien allerdings nicht neu, sagt Aiwanger – man habe aktuell nur den seit Spätherbst geltenden Status Quo verlängert.
Will die Regierung die Regeln für die Kultur lockern – trotz drohender Omikron-Wand?
Doch angesichts der der sich auftürmenden "Omikron-Wand" steht die Staatsregierung jetzt vor einem echten Dilemma: Kann man bei der hohen Zahl an Neuinfektionen tatsächlich im Sinne der Gleichbehandlung die Einschränkungen für die Kultur lockern? Oder würde im Zweifel Gleichbehandlung nicht heißen: doch noch schärfere Regeln auch für die Gastronomie? Selbst der Freie-Wähler-Chef, dem einst keine Öffnungsforderung zu früh kam, bleibt im Moment lieber vorsichtig: "Wir hoffen, auch bei der Kultur kleine Schritte gehen zu können."
Kunstminister Bernd Sibler (CSU) bemühte sich in dieser Woche bei einem Gespräch mit Kulturschaffenden um eine Entspannung der Lage. Konkretes konnte er danach aber nicht verkünden: Er wolle sich für Erleichterungen einsetzen, beteuerte Sibler. Auch weitere Hilfsprogramme für die Kulturszene seien möglich. Das Kabinett werde das Problem in der kommenden Woche intensiv beraten.
SPD-Mann Halbleib: Söders Kurs eines Kulturstaats nicht würdig
Der Opposition im Landtag ist dies bei weitem nicht genug: "Jetzt braucht die Kultur ein klares Signal, dass die 25-Prozent-Regel fällt", fordert etwa der unterfränkische SPD-Abgeodnete Volkmar Halbleib. Der aktuelle bayerische Kurs sei "eines Kulturstaats nicht würdig", kritisiert Halbleib. Auch FDP und Grüne fordern schnelle und spürbare Erleichterungen für die Kultur.
Der Programmkino-Verband AG Kino hält es indes für "vollkommen unverständlich, dass die Kultur in Bayern weiterhin so barsch behandelt wird". Die Omikron-Variante dürfe nicht als Vorwand dienen, "dass die Kultur in Bayern weiter mit unverhältnismäßigen Auflagen bestraft wird", mahnt der Verband. Die Kultureinrichtungen hätten in fast zwei Jahren Pandemie längst bewiesen, einen sicheren Betrieb ermöglichen zu können.
sind Aiwanger und auch Söder Bier, Wein und Fressen wichtiger als Kultur und Museen oder anderes Einrichtungen für das seelische Wohlbefinden.