Eintracht Frankfurt spielt in der Champions League, hat einen Kadermarktwert von knapp 230 Millionen Euro, ein mehr als 50.000 Fans fassendes Stadion – und kooperiert im Jugendbereich mit einem Würzburger Verein, dessen erste Mannschaft in einer Spielgemeinschaft mit dem Soccer Club Würzburg in der B-Klasse kickt und dessen Nachwuchsabteilung gelinde gesagt recht übersichtlich ist: dem TV 73 Würzburg. Warum das?
Weil "die ganzheitliche Ausbildung junger Bewegungstalente beim TV 73 Würzburg im Fokus steht. Das bedeutet, dass neben der sportlichen Ausbildung die Persönlichkeitsentwicklung der Spieler:innen und Trainer:innen vorangetrieben wird." So zumindest antwortet Eintracht Frankfurt schriftlich auf eine entsprechende Anfrage. Der TV 73 ist überdies der einzige Kooperationsverein, der auf der Website der Frankfurter zu finden ist, der nicht aus Hessen kommt.
Seit dem 1. April dieses Jahres ist die Jugendförderakademie (JFA) Frankenwarte beim TV 73 für den Fußball-Nachwuchs zuständig. Dort gibt es aktuell nur eine Mannschaft – eine U 13 mit 22 Kindern, die in der Kreisliga spielt und diese mit sieben Siegen aus sieben Spielen sowie einem Torverhältnis von 41:4 dominiert. Gegründet wurde die JFA von Alexander Kohl und Maximilian Stumpf. Und Stumpf ist seit dem 1. Juni bei Eintracht Frankfurt als "Leiter Kinderfußball und Kooperationen" tätig – und nicht beim Schweinfurter A-Klassisten DJK Büchold, dem er "aus verschiedenen privaten und beruflichen Gründen" abgesagt hatte.
Maximilian Stumpf bestreitet Beteiligung an Kooperation
Es dauerte nicht lange, ehe nach Stumpfs Amtsantritt bei den Hessen Kooperationen im Nachwuchsbereich festgezurrt wurden. Eine davon mit einem ihm gut bekannten Verein: Am 26. Juli, also etwa acht Wochen, nachdem Stumpf seine Arbeit aufgenommen hatte, gaben die Hessen bekannt, fortan mit dem TV 73 Würzburg, also der von Stumpf gegründeten JFA Frankenwarte, zu kooperieren.
Hängt also Stumpfs Doppelrolle mit der Kooperation zusammen? Eintracht Frankfurt wollte selbst auf Nachfrage nichts zu einem seiner Angestellten sagen. Stumpf, redegewandt, selbst gibt zu, dass die Nachfrage aufgrund der vorliegenden Fakten durchaus berechtigt sei, ob er bei einer Kooperation nachgeholfen habe, um die eigene Fußballschule nach vorne zu bringen. Er beteuert allerdings, dass er dabei zumindest keine aktive Rolle gespielt habe.
Während seines Bewerbungsprozesses bei der Eintracht sei das Thema zur Sprache gekommen und er habe dort sein Konzept, bevor er seinen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, vorstellen können. "Ich habe, als ich bei der Eintracht angefangen habe, nicht selbst entschlossen, dass wir die Kooperation eingehen", betont Stumpf. "Es gibt ein Gremium, das das entscheidet. Ganz am Ende der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), der das unterschreiben und bewilligen muss."
Kickers und FV waren keine Optionen für Eintracht Frankfurt
Der Entscheider wäre demnach Alexander Richter gewesen, der am 1. April bei der Eintracht seinen Dienst als neuer NLZ-Leiter antrat, oder noch dessen Vorgänger Andreas Möller, dessen Rückzug bereits seit Februar feststand. Er allerdings sei, als dies entschieden wurde, noch kein Teil von Eintracht Frankfurt gewesen, erklärt Stumpf.
Kooperationen mit den Würzburger Kickers oder dem Würzburger FV 04 seien, teilte der Klub mit, nicht möglich gewesen, da es im Fall der Kickers bereits ein anerkanntes NLZ gebe, das nicht mit einem zweiten zusammenarbeiten könne, und der FV mit dem 1. FC Nürnberg kooperiere. Der Vorteil der Hessen sei, dass es immer mal wieder Spieler aus den Kooperationsvereinen ins Eintracht-NLZ schaffen würden. Auf der anderen Seite kann Stumpf seinen Spielern beispielsweise Leistungsvergleiche und Ausflüge zu Bundesliga-Spielen anbieten.
Stumpfs Akademie ist in Würzburg umstritten. Zwar loben ihn ehemalige Wegbegleiter für seine Arbeit, beispielsweise als ehemaliger Trainer im Nachwuchsbereich. Auch sein Weg bis hin zur Eintracht beeindruckt. Doch das ihm unterstellte Vorgehen sorgt für Diskussionen.
Vorwürfe aus Grombühl, junge Fußballer aggressiv abzuwerben
Gert Rummel, Jugenddirektor des TSV Grombühl, macht dem 26-Jährigen und dessen Team schwere Vorwürfe: Die JFA soll demnach aggressiv Spieler von anderen Vereinen abwerben. Das Projekt habe sogar nur entstehen können, weil die JFA "aus allen Vereinen, die halbwegs gute Jugendarbeit machen, die Kinder weggezogen" habe.
Ein konkretes Beispiel für dieses Vorgehen habe Rummel in der eigenen JFG Würzburg-Nord, der neben dem TSV auch der SB Versbach und SC Lindleinsmühle angehören, erlebt. Von dort aus habe ein Spieler zum TV 73 wechseln wollen, berichtet der Jugenddirektor.
Er habe dem Vater des Jungen gesagt, der Sohn solle die restlichen beiden Punktspiele der Hinrunde noch machen, danach solle es ein weiteres Gespräch geben. Zwar habe er sich gegenüber dem TV 73 resoluter gezeigt, dem Vater des Jungen habe er allerdings ausdrücklich klargemacht, dass noch keine finale Entscheidung über eine Freigabe während der Runde gefällt sei.
JFA Frankenwarte will Eltern und Kindern nur Angebote machen
"Aber vor dem vorletzten Spieltag haben wir versucht, ihn online aufzustellen – wie vor jedem Spiel. Da war er schon gesperrt. Und zwar, weil der TV 73 zusammen mit den Eltern einen Online-Abmeldeantrag beim BFV eingereicht hat, ohne dass wir informiert waren", berichtet Rummel. Er und seine Vorstandskollegen hätten sich wegen des Vorgehens dazu entschieden, den Jungen nicht freizugeben. Die Folge: Er bekam eine sechsmonatige Sperre und darf so lange kein Punktspiel bestreiten.
Stumpf schildert es anders: Ihm zufolge hat Rummel in einem Gespräch mit dem Vater und Vertretern der JFA klargemacht, dass der Junge definitiv nicht freigegeben werde. Darum habe man das Kind in Absprache mit den Eltern abgemeldet, um die sechsmonatige Sperre möglichst bald beginnen, im Sommer also auch möglichst bald enden zu lassen.
Auch gegen den Vorwurf des aggressiven Abwerbens wehrt sich Stumpf im Gespräch mit dieser Redaktion. "Wir bieten Eltern von motivierten Kindern an, sich das bei uns mal anzuschauen. Wir machen also ein Angebot", erklärt Stumpf. Dann liege es ganz allein an den Eltern, ob sie das Kind in der JFA ausbilden lassen wollen. Und am Kind selbst, ob es lieber in seinem Heimatverein bleiben möchte. "Wir machen ganz realistisch klar, um was es geht und was wir vorhaben. Dass wir den Fokus auf den Kinder- und Jugendfußball legen."
Zusatzbeitrag beim TV 73 fast doppelt so hoch wie bei den Kickers
Ebenfalls in der Kritik steht ein Betrag von 35 Euro, den Eltern – zusätzlich zum Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft beim TV 73 in Höhe von 50 Euro im Jahr – jeden Monat pro Kind in der JFA Frankenwarte bezahlen müssen. Stumpf bestätigt dies, betont aber, dass er und seine Mitarbeitenden ehrenamtlich arbeiteten. Die 35 Euro würden beispielsweise für Ausstattung, Angestellte und Transportmittel gebraucht. Der Betrag sei außerdem so kalkuliert, dass die JFA Frankenwarte "am Ende bei null" rauskomme, erklärt Stumpf.
Im Vergleich: Bei den Würzburger Kickers liegt der monatliche Beitrag für einen NLZ-Spieler bei 19,07 Euro, dazu kommen jährlich 70 Euro für die Vereinsmitgliedschaft. Stumpf, der davon träumt, in seiner JFA irgendwann Mannschaften von den Bambinis bis zur U 19 stellen zu können, räumt ein, dass es langfristig denkbar sei, den Betrag zu senken.
Seine Prognose sei aber so, dass man einen Beitrag erheben müsse, "um qualitativ hochwertigen Kinder- und Jugendfußball im Breitensport, aber auch im semi-professionellen Sport bezahlen zu können".