Kinderfußball ohne Punkte und Tabellen – in Unterfranken kein neues Modell. Seit über zehn Jahren wird hier, sagt Bezirksjugendleiter Wolfgang Heller, anders als in vielen anderen Regionen Deutschlands, nicht nur unterhalb der U 9, sondern auch in der U 11 auf das Ausspielen offizieller Meisterschaften verzichtet. Nun hat sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) entschieden, weiteren Leistungsdruck für die G-, F- und E-Jugend herauszunehmen und kindgerechte Spielformen anzubieten. Der DFB-Bundesjugendtag hat nach einer zweijährigen Pilotphase die Empfehlung des Jugendausschusses bestätigt, die neuen Spielformen ab der Saison 2024/25 verbindlich in die DFB-Jugendordnung aufzunehmen. Offiziell beschlossen wird das auf dem DFB-Bundestag am 11. März.
"Die neuen Spielformen sollen Kindern so häufig wie möglich die Chance geben, den Ball am Fuß zu haben, Tore zu erzielen und persönliche Erfolgserlebnisse zu haben." So steht es auf der DFB-Homepage. Hellert nickt: "Ich beobachte immer wieder Kinder, die zwar mit auf dem Platz stehen, aber nie den Ball bekommen. Die hören frustriert auf." Deswegen soll auf kleinere Teams, viel Abwechslung und vier Mini-Tore gesetzt werden – und auf einen nachmittäglichen Turniermodus mit Eventcharakter. Gespielt wird mit Mannschaftsstärken von Zwei gegen Zwei bis hin zum gewohnten Sieben gegen Sieben.
Die Kinder sollen lernen, eigene Lösungen zu finden – und einen besseren Umgang mit gewinnen und verlieren, denn der neue Modus wird innerhalb eines Eventnachmittags ein Plus an Siegen und Niederlagen bescheren – durch "Auf- und Abstieg" aufs nächste von mehreren parallelen Spielfeldern. Ein weiterer Hintergedanke: das Kopfballspiel zu minimieren, indem es kaum noch hohe Bälle geben wird. Auch im Training müsse aus medizinischen Gründen ein Umdenken stattfinden, hin zu gezieltem Kopfballtraining mit geringeren Übungsumfängen, unter Verwendung leichterer Bälle und Berücksichtigung ausreichender Regenerationszeiten.
Einer, der die Idee des "Minifußballs" nicht erst seit gestern kennt, ist Lukas Fuchs. Er war von 2016 bis 2021 beim 1. FC Nürnberg zuständig für "Funino", eine 1990 entwickelte Kleinfeld-Variante, die für die jetzige Reform Pate stand. Das Wort setzt sich zusammen aus dem englischen "Fun" (Spaß) und dem spanischen "Niño" (Kind). Nun ist Fuchs zurück in seiner Rhöner Heimat und trainiert Kinder im Rahmen eines Fußball-Projekts: Die SG-Vereine aus Heustreu, Hollstadt, Unsleben und Wollbach sowie die SG Unterweißenbrunn, SG Salz/Mühlbach, SG Herschfeld, JFG Oberes Streutal, SG Brendlorenzen und SG Burglauer haben sich zusammengeschlossen, um unabhängig vom Verband Talenten über das Vereinstraining hinaus ein Förderprogramm anzubieten.
Mit Sportlehrer Fuchs als Trainer der Jahrgänge U 11 und U 13. Damit befindet er sich genau an der Schnittstelle zwischen dem künftigen Spaßfußball und dem Großfeldspiel mit Punkten und Tabellen. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt der 30-jährige Braidbacher die Vorteile der neuen Spielformen.
Lukas Fuchs: Ja, natürlich. Für mich ist es schon Fußball, wenn einer den Ball auf der Straße jongliert. Wir haben früher Büchsen aufgestellt und Zwei gegen Zwei oder Drei gegen Drei gekickt. Heute spielen die Kinder immer noch auf Schulranzen in der Pause. Kleine Spielformen bringen zu hundert Prozent Spaß für alle Kinder, die da mitspielen. Es wurden ja, hoffe ich mal, auch bisher nirgends irgendwelche Ketten taktisch geschult auf dem Kleinfeld. Es soll bei Kindern einzig um den Spaß an der Bewegung gehen.
Fuchs: Ehrgeiz ist ein Thema für Erwachsene. Kinder haben kurz nach einem Spieltag das Ergebnis vergessen. Mitunter fallen in einem Kleinfeldspiel so viele Tore, dass die Kinder nach dem Schlusspfiff nicht mehr wissen, wie es ausgegangen ist. Ich glaube nicht, dass sich Kinder im Kleinfeldbereich als Team ein Jahresziel stecken. Die Kinder sollen auch gewinnen wollen, aber nicht müssen, nur weil in unserer Gesellschaft verlieren etwas schlechtes ist. Der neue Modus sorgt dafür, dass man, weil man nach Niederlagen zu einem gleichwertigeren Gegner "absteigt", automatisch öfter gewinnt.
Fuchs: Im Gegenteil. Es gibt nicht mehr das eine Spielfeld, wo einer durch ein Knäuel aus 24 Beinen dribbelt. Es gibt mehrere Felder. Die Sieger "steigen auf", so dass nach einer gewissen Zeit diejenigen, die motorisch etwas weiter sind, gegen andere motorisch weitere spielen. Wenn die drei Besten gegen die drei anderen Besten spielen, steigt der sportliche Wert einzelner Partien an jedem Spielwochenende, nicht nur in einem Spitzenspiel pro Saison. Dadurch entwickeln sich Talente effektiver.
Fuchs: Die Reform ist nicht nur auf Talentförderung, sondern auch auf Breitensport angelegt. Das ist extrem wichtig. Es geht um das Vermitteln des Umgangs mit Erfolg und Misserfolg. Um soziales Verhalten, das man in alle Bereiche mitnimmt. Wenn die Kinder schon in der F-Jugend keine Lust mehr haben, geht das verloren. Man verliert diese Kinder nicht nur für den Fußball, sondern meist für den Sport allgemein. Gerade im ländlichen Bereich können wir immer weniger Mannschaften melden. Für das soziale Zusammenleben wird das schwierig.
Fuchs: Ich bin überzeugt, dass die Spieler mit den neuen Formen individualtechnisch so viel besser ausgebildet sind, dass sie mit der Umstellung weniger Probleme haben. Man kann als Trainer auch im Funino das Spiel breit machen, indem man die Tore auf der Grundlinie so weit wie möglich auseinander aufstellt. Das schult spielerisch die Raumaufteilung.
Fuchs: Das optimale Training bis in die U 11 ist allgemeinsportlich angelegt. Im Fußballtraining natürlich ganz viel Ballschule, aber auch andere Einflüsse wie Balance, Koordination, zum Beispiel mal einen Baum hochklettern. Das legt die Grundlage für eine komplette Motorik, auch späterer Torhüter. Und warum nicht jedes Mal zehn Minuten Torwarttraining machen? Aber mit allen Kids.
Fuchs: Das stimmt. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass diese Feste mehr Eltern anziehen als ein traditioneller Spieltag. Jeder Verein ist ja nur einmal mit einem Heim-Event an der Reihe. Bei einem normalen Sieben gegen Sieben haben die Eltern ihr Kind hingebracht und wieder abgeholt. Durch den Festcharakter eines Nachmittags haben sie mehr gemeinsame Zeit mit ihrem Kind. Das können richtig schöne Tage werden.
Fuchs: Nicht wirklich. Das Spiel wird freier, aber Kinder lernen nicht nur im freien Spiel. Sie lernen auch durch Zuschauen und Nachmachen. Ich finde es extrem wichtig, wenn ein Kindertrainer das, was er vormacht, auch beherrscht. Kinder schauen sich aber auch soziales Verhalten ab. Trainer müssen selbst Lust auf die neuen Spielformen haben und diese vermitteln. Ich würde mir wünschen, dass von Verbandsseite zusätzlich zu den klassischen, zeitaufwändigen Trainerscheinen raus zu den Vereinen gegangen wird. Wenn modern ausgebildete Trainer vor Ort Programme vormachen – und sich Kinder und Vereinstrainer etwas abschauen können.