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Fußball
Wie sich Fußball-Schiedsrichterin Simone Weyerich bei Männern durchsetzt
Ihr erstes Kreisliga-Spiel bei den Männern brach Simone Weyerich ab. Die 42-Jährige blieb trotzdem am Ball und öffnet Mädchen und Frauen heute die Tür zur Schiedsrichterei.
Simone Weyerich war die erste Bezirksliga-Schiedsrichterin in Unterfranken. Auch darüber hinaus hat sie Mädchen und Frauen den Weg in die Schiedsrichterei geebnet (Archivbild).
Foto: Günter Reinwarth | Simone Weyerich war die erste Bezirksliga-Schiedsrichterin in Unterfranken. Auch darüber hinaus hat sie Mädchen und Frauen den Weg in die Schiedsrichterei geebnet (Archivbild).
Michael Endres
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:53 Uhr

Simone Weyerich aus Rothenfels (Lkr. Main-Spessart) und Bibiana Steinhaus, erste und bisher einzige Schiedsrichterin, die ein Bundesliga-Spiel der Männer geleitet hat, sind nicht nur gleich alt und teilen die Leidenschaft für die Schiedsrichterei, sie haben auch beide auf ihren jeweiligen Ebenen Pionierarbeit für Frauen im Schiedsrichterwesen geleistet.

"Ich habe mich sehr an ihr orientiert, weil sie parallel zu mir aufgestiegen ist", beschreibt Weyerich, die seit 1995 Schiedsrichterin ist, ihren Blick auf Steinhaus, und fügt an: "Sie war für mich ein Vorbild." Warum das erwähnenswert ist? "Es braucht weibliche Vorbilder, dass Mädchen sehen, dass sie das auch machen können", erklärt sie.

Nur drei Frauen in den drei höchsten deutschen Ligen

Mit Riem Hussein als Schiedsrichterin in der Dritten Liga sowie Christina Biehl und Katrin Rafalski als Assistentinnen setzt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nur drei Frauen in den drei höchsten Ligen im Männer-Fußball ein. Weyerich findet es schade, dass für Steinhaus keine Nachfolgerin in die Bundesliga nach oben gezogen wurde.

"Es braucht weibliche Vorbilder, dass Mädchen sehen, dass sie das auch machen können."
Simone Weyerich über Vorbilder

Sie selbst ist vor 26 Jahren durch ihren Onkel zur Schiedsrichterei gekommen, der sie auf einen Anfängerlehrgang aufmerksam gemacht hatte. "Ich war 15 Jahre alt und wollte was mit Fußball machen", berichtet die 42-Jährige. Das sei jedoch schwierig gewesen, da es in ihrem Ort keine entsprechende Mannschaft gab. Die Begeisterung für Fußball war bei ihr schon früh vorhanden: Ihr Vater spielte selbst aktiv und sie sei "jeden Sonntag auf dem Platz" gewesen.

Sie war die erste Bezirksliga-Schiedsrichterin in Unterfranken

Die wohl größte Hürde für Mädchen, in die Schiedsrichterei einzusteigen, sei, "dass man am Anfang keinen Bezug hat oder die Familie beziehungsweise das Umfeld nicht dahinter steht". Nach der erfolgreichen Prüfung leitete Weyerich bald ihr erstes Spiel. "Das war weniger von Erfolg gekrönt. Das war Horror", schildert sie ihre erste Erfahrung auf dem Platz. Es war ein Spiel zweier Frauen-Mannschaften. Danach pfiff sie erst mal bei den Junioren, bevor ihr Aufstieg, der sie bis in die Bezirksliga der Männer und als Assistentin in die Zweite Bundesliga der Frauen führte, begann.

"Ich war damals die erste Bezirksliga-Schiedsrichterin in Unterfranken", erzählt Weyerich, die als kaufmännische Leiterin eines Industriebetriebs im Landkreis Kitzingen auch im Job zu führen weiß. Ebenfalls war sie es, die mit zwei Kolleginnen das erste komplett weibliche Schiedsrichterinnen-Gespann im Bezirk bildete.

Simone Weyerich (links)  wurde bei einer BFV-Ehrung in München als unterfränkische Preisträgerin der Kategorie 'Schiedsrichterin' vom früheren Bezirksschiedsrichterobmann Norbert Kröckel ausgezeichnet.
Foto: BFV | Simone Weyerich (links)  wurde bei einer BFV-Ehrung in München als unterfränkische Preisträgerin der Kategorie "Schiedsrichterin" vom früheren Bezirksschiedsrichterobmann Norbert Kröckel ausgezeichnet.

"Die Schiedsrichterei muss Priorität haben, sonst schafft man es nicht", erklärt sie. Im Vergleich zu anderen habe sie ihren Beruf aber nicht dem Hobby untergeordnet. 2006 zog sie des Berufs wegen in die Schweiz und ließ das Schiedsrichterinnenamt ruhen. "Die Akzeptanz und Vereinbarkeit von Beruf und Hobby war damals nicht so gegeben, wie sie es heute ist. Das war auch der Grund, warum ich damals aufgehört habe", so Weyerich. Sechs Jahre später griff sie wieder zur Pfeife, ist seither aktiv, aktuell in der Kreisklasse, und begleitet auch Nachwuchs-Schiedsrichterinnen bei ihren ersten Einsätzen.

Weyerich brach ihr erstes Kreisliga-Spiel bei den Männer ab

"Es gehört schon Idealismus dazu, dass man das macht", erklärt die Rothenfelserin ihren Antrieb, Fußballspiele zu leiten. "Du bist im Endeffekt wie ein Richter und musst Entscheidungen treffen – teilweise auch solche, die nicht unbedingt beliebt sind. Da muss man belastbar und kritikfähig sein." Das ist sie. Dass diese Eigenschaften manchmal ausgereizt werden, ist kein Geheimnis, dass Grenzen bisweilen überschritten werden, wohl auch nicht.

"Es ist egal, welches Geschlecht du hast. Es geht gegen die Rolle des Schiedsrichters."
Simone Weyerich über Beleidigungen

Ehrenamtlichen wie Weyerich wird damit auch eine große Bürde auf die Schultern gepackt: Mit Gewalt, Sexismus und vor allem mit Beleidigungen müssen Schiedsrichterinnen rechnen. Weyerich brach ihr erstes Kreisliga-Spiel bei den Männern ab, als sie von einem Fußballer gepackt und hochgehoben wurde. "Das war keine schöne Erfahrung", erinnert sie sich. "Den Spieler hat es auch nicht gestört, dass ich eine Frau bin. Der war fast zwei Meter groß – und ich damals 17 oder 18."

Auch wenn ihrer Erfahrung nach die Themen Gewalt und Sexismus heute eher keine Rolle mehr spielten, kämen Beleidigungen weiterhin regelmäßig vor. "Es ist egal, welches Geschlecht du hast. Es geht gegen die Rolle des Schiedsrichters", erklärt Weyerich. Sie weiß, auch mit kritischen Situationen umzugehen: "Ich versuche erst mal, sie durch Kommunikation ein bisschen runterzukühlen. Aber wenn einer wiederholt meine Entscheidungen nicht akzeptiert, greife ich natürlich durch."

Assistentin bei der Frauen-Nationalmannschaft

Schiedsrichterinnen, die so etwas erleben, geben nicht selten auf. Obwohl Weyerich während ihrer Laufbahn auch negative Erlebnisse verkraften musste, steht sie hinter ihrem Hobby: "Mir hat das viel gebracht. Es hat mein Selbstbewusstsein gestärkt und meine Persönlichkeit geprägt." Außerdem habe es sich positiv auf ihre Fitness und ihren Körper ausgewirkt. Sie habe viele Leute kennengelernt und sich ein Netzwerk aufgebaut: "Wer hat schon die Chance, mal die deutsche Frauen-Nationalmannschaft zu treffen?" Es sei einer ihrer Höhepunkte gewesen, ein Freundschaftsspiel der DFB-Frauen als Assistentin zu begleiten.

Simone Weyerich vor 20 Jahren im Dress der Schiedsrichtergruppe Gemünden-Lohr-Marktheidenfeld (Archivbild).
Foto: Stein | Simone Weyerich vor 20 Jahren im Dress der Schiedsrichtergruppe Gemünden-Lohr-Marktheidenfeld (Archivbild).

Für viele Schiedsrichterinnen sei die Karriere allerdings vorbei, wenn sie Familie hätten und Kinder bekämen. "Weil der Partner das nicht mehr möchte oder weil sie keine Zeit mehr haben, mit einem Kind samstags oder sonntags auf dem Sportplatz rumzurennen", weiß Weyerich. Ihre Familie unterstützt sie: "Vor allem meine Mutter, die mich am Anfang, als ich noch minderjährig war und kein Auto fahren durfte, zu den Spielen gebracht hat."

Und sie war da, wenn Weyerich als Referee von außen unter Druck stand – aufgrund ihrer Rolle, aber auch aufgrund ihres Geschlechts: "Als Frau musst du fachlich mindestens genauso gut sein, wenn nicht sogar besser. Verhaltenstechnisch darfst du dir gar nichts erlauben, weil du sonst sofort darauf angesprochen wirst", erklärt sie. "Bei Frauen wird dreimal geschaut, gerade auch von anderen Frauen."

Nur fünf Prozent in der Würzburger Gruppe sind Frauen

Auch Marcel Scherer, Obmann der Würzburger Schiedsrichtergruppe, weiß, dass nur wenige Frauen den Weg an die Pfeife finden. Aktuell seien in seiner Gruppe, die 136 Mitglieder hat, nur sieben Schiedsrichterinnen gemeldet. Das sind gerade mal fünf Prozent. Und nur drei würden aktiv Spiele leiten. "Die anderen vier haben aus beruflichen Gründen das Amt niedergelegt, sind aber noch Teil der Gruppe", erklärt er. Eine Kollegin sei beispielsweise im Vorstand aktiv.

Marcel Scherer, Obmann der Würzburger Schiedsrichtergruppe, möchte mehr Frauen in seinen Reihen. Dafür hat er auch einen Plan.
Foto: Marcel Scherer | Marcel Scherer, Obmann der Würzburger Schiedsrichtergruppe, möchte mehr Frauen in seinen Reihen. Dafür hat er auch einen Plan.

An den Neulingskursen, die die Gruppe regelmäßig anbiete, habe in den vergangenen vier Jahren nur eine Frau teilgenommen. Sie sei aber noch aktiv. Scherer möchte "in naher Zukunft noch gezielter auf Frauen und Mädchen zugehen". Julia Freimann kümmere sich im Bezirk um die Schiedsrichterinnen,  Alexandra Bauer in der Würzburger Gruppe. "Wir versuchen, neuen Schiedsrichterinnen den Weg zu erleichtern, und erhoffen uns davon, Hürden abzubauen", sagt Scherer.

Fußball als Teil der Gesellschaft, Frauen als Teil des Fußballs

Da Fußball ein Teil der Gesellschaft ist, sei es auch wichtig, dass Frauen Teil des Fußballs sind. "Dabei ist die Funktion, in der sie auftreten, eher Nebensache", findet Scherer und verweist auf "eine hervorragende Frauen-Nationalmannschaft" und auf Bibiana Steinhaus. "Daran ist zu erkennen, was sich in den letzten Jahren im Fußball alles getan hat. Dies gilt es nun, auf immer kleinere Ebenen zu übertragen."

Für Schiedsrichterinnen gebe es in Unterfranken zudem die Möglichkeit von Treffen unter ihresgleichen, wobei sie sich mit ihren Kolleginnen austauschen und von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten können – mal ganz ohne Männer. Mit dabei sind dann auch die unterfränkischen Topschiedsrichterinnen Davina Lutz (TSV Poppenhausen, Lkr. Schweinfurt) und Marina Bachmann (SV Großwallstadt, Lkr. Miltenberg), die aktuell Spiele in der Zweiten Bundesliga der Frauen leiten. Für junge Schiedsrichterinnen könnten sie Vorbilder aus der eigenen Region sein – so wie Steinhaus damals für Simone Weyerich.

 
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