
Der Choreografie wirkt perfekt. Der Ball kommt in den Stafraum, Maximilian Breunig baucht nicht lange, um ihn unter Kontrolle zu bringen. Er kurzer Blick. Ein platzierter Schuss. Drin das Ding. Tausende Male hat er das geübt. Der 19-Jährige ist von Beruf Stürmer. Und zwar ein richtig talentierter, ein junger Mann, der nun durchstarten will im Profifußball, bei seinem Klub, Drittligist Würzburger Kickers, für den auch seine beiden jüngeren Brüder in Jugendmannschaften kicken. Die Tore, die Breunig im Trainingslager der Rothosen in Andalusien schießt, sind freilich für ihn etwas ganz Besonderes. Sie markieren einen Neuanfang - das Ende einer langen Leidenszeit.
Der schlaksige junge Mann wirkt erstaunlich reflektiert und ruhig, wenn er über das spricht, was ihm im Jahr 2019 zugestoßen ist. "Bis zum Unfall war es ein ziemlich gutes Jahr für mich. Ich habe in Ingolstadt ganz gut gespielt, war zufrieden mit meinen Leistungen, und auch der Verein war zufrieden mit mir", blickt er zurück. Eine Saison lang kickte Breunig in Oberbayern. Die Kickers hatten sich mit dem FC Ingolstadt auf ein Geschäft geeinigt. Der Nachwuchsangeifer sollte die U-19-Bundesliga-Mannschaft verstärken und dann mit neuer Erfahrung in den Würzburger Drittliga-Kader zurückkehren. Und tatsächlich war er U-19-Toptorjäger, und auch für das Regionalliga-Team der Ingolstädter erzielte Breunig prompt Tore. Mit den Profis durfte er trainieren. Alles schien wie gemalt zu laufen für den hoffnungsvollen Nachwuchskicker. „Die eine Nacht hat für mich alles verändert", sagt er heute.
Es war auf der Heimfahrt nach einer mannschaftsinternen Feier, Alkohol spielte keine Rolle, teilte der Verein mit. Breunig, der auf der Rückbank schlief, und drei seiner Mitspieler verunglückten mit dem Auto. Ein schwerer Crash auf der A9 und ein tiefer Einschnitt für das Sturm-Talent. "Als ich den Arzt nach dem Unfall fragte, wann ich wieder Fußball spielen kann, sagte er zu mir: Ich solle froh sein, wenn ich überhaupt wieder laufen kann. Das war schon extrem hart", erinnert er sich an die vermutlich schwierigsten Momente des vergangenen Jahres. All das, wofür er in seiner Jugend gekämpft hatte, drohte mit einem Mal einzustürzen. In die U 12 war er zur SpVgg Greuther Fürth gewechselt. Dass er beim Zweitligisten aus Mittelfranken in der U 16 plötzlich aussortiert wurde, nahm er als Motivation. In der Heimat bei den Kickers nahm er einen neuen Anlauf, traf schon als 17-Jähriger in der U-19-Mannschaft so regelmäßig, dass Profi-Trainer Schiele auf ihn aufmerksam wurde. Im letzten Saisonspiel 2017/18 gab Breunig sein Drittliga-Debüt, ehe er nach Ingolstadt wechselte.
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Nach dem Unfall stand plötzlich die Karriere auf der Kippe. Und auch, als einige Wochen später feststand, dass er trotz der schweren Rückenverletzung - ein Lendenwirbel war gebrochen, die Bandscheibe zwischen zwei Wirbeln musste versteift werden - weiter Fußballspielen kann, lag vor Breunig eine lange Phase der Rehabilitation. "Klar war, dass es dauern würde, bis ich wieder fit bin. Aber als Fußballer ist man natürlich ungeduldig. Das war schon eine sehr schwere Zeit", sagt der junge Angreifer. Die Unterstützung seiner Familie, der Ärzte, aber auch das Vertrauen der Kickers-Verantwortlichen habe ihm damals geholfen: "Andere Vereine hätten womöglich gesagt: Was wollen wir jetzt mit dem. Der wird vielleicht gar nicht mehr fit."
Bei den Kickers aber ist der in Theilheim (Lkr. Würzburg) aufgewachsene Breunig ein Hoffnungsträger, das erste Eigengewächs, dem man zutraut, durchzustarten in Liga drei. Auf seine Entwicklung wird nun ganz besonders geachtet. "Ich versuche das auszublenden", sagt er, ganz Profi. Trainer Michael Schiele freut sich, dass Breunig bereits in diesen Tagen in Spanien im Training voll mitmachen kann. Und der 1,93 Meter lange Schlaks hat sich schon für die Drittliga-Restsaison einiges vorgenommen. Nicht nur, dass er noch auf einige Einsatzminuten kommen will, auch seine Torpremiere im Profifußball will Breunig, wenn er denn ran darf, schnell feiern: „Ich bin Stürmer, da will man immer Tore schießen. Dass ich das kann, weiß ich.“ Den Instinkt und Ehrgeiz eines Stürmers hat er offenbar nicht verloren.