zurück
Fußball
Wie diese Würzburgerin dem Nachwuchs beim 1. FC Nürnberg hilft
Lorea Urquiaga ist Sportpsychologin im Nachwuchsleistungszentrum des Fußball-Zweitligisten. Eigene Erfahrungen im Spitzensport helfen ihr bei der Arbeit mit den angehenden Profis.
Lorea Urquiaga arbeitet als Sportpsychologin im Nachwuchsleistungszentrum beim 1. FC Nürnberg. Der früheren Synchronschwimmerin aus Würzburg helfen die eigenen Erfahrungen im Spitzensport bei der Arbeit.
Foto: Imago/Zink | Lorea Urquiaga arbeitet als Sportpsychologin im Nachwuchsleistungszentrum beim 1. FC Nürnberg. Der früheren Synchronschwimmerin aus Würzburg helfen die eigenen Erfahrungen im Spitzensport bei der Arbeit.
Jürgen Sterzbach
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:42 Uhr

Warum sie Sportpsychologin geworden ist? "Mir hat früher jemand gefehlt, mit dem ich darüber reden konnte, was mich bewegt oder bedrückt, ohne dabei von derselben Person bewertet zu werden, ob ich für einen Wettkampf nominiert werde oder nicht", sagt Lorea Urquiaga.

Die Würzburgerin hat Sport auf höchstem Niveau betrieben: "Ich habe meine ganze Jugend als Synchronschwimmerin verbracht und hautnah erlebt, wie es sich anfühlt, im Leistungssport aktiv zu sein." In dieser Sportart ist "der psychische Druck sehr hoch, ähnlich wie beim Ballett oder Eiskunstlauf".

Die 32-Jährige kommt aus einer sportlichen Familie: Ihre Mutter Claudia ist Trainerin und Kursleiterin im Schwimmverein, ihre älteren Brüder Iñaki und Xabier spielen Wasserball und sind Sportlehrer. Das "Nesthäkchen" gewann bayerische und deutsche Meisterschaften und nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil. "Synchronschwimmen ein harter Sport, ich trainiere meist sieben Mal die Woche", sagte sie mit 18 in einem Interview.

Bei Lorea können die Jungs ihren seelischen Ballast abwerfen

Genau diese Bezugsperson, die ihr früher gefehlt hat, ist Lorea Urquiaga heute selbst. Sie arbeitet mit Sportlern, "die psychisch auf einem hohen Level sind und noch besser werden wollen". Es sei "kein Job, bei dem ich morgens um acht auf der Matte stehe". Sie dürfe, aber müsse auch flexibel sein. "Wenn ich zur Arbeit komme, weiß ich nie, was mich erwartet."

Ihr Arbeitsplatz ist das Multifunktionsgebäude am Sportpark Valznerweiher in Nürnberg. Im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) beim 1. FC Nürnberg ist sie als Sportpsychologin für alle Mannschaften zuständig. "Wenn ich mit den Jungs spreche, hilft es mir, dass ich früher Ähnliches, wenn auch in einer anderen Sportart, erlebt habe."

"Es hilft mir, dass ich Ähnliches erlebt habe."
Lorea Urquiaga, Sportpsychologin beim 1. FC Nürnberg

Spieler kämen zu ihr, "wenn sie sich mal so richtig auskotzen wollen". Über Familie, Schule oder Mädchen spreche sie mit ihnen, ebenso über Ziele, Motivation, Gedanken und Gefühle. Auch Probleme mit Trainern oder Mitspielern kommen zur Sprache. "Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele unserer Jungs sich trotz ihres jungen Alters bereits sehr gut selbst reflektieren können. Das würde ich mir auch bei manchem Erwachsenen wünschen", sagt Urquiaga.

Dass die Jugendlichen "ein ganz anderes Leben" führen, habe sie selbst erlebt: Sie haben viel weniger Freizeit und einen ganz anderen Alltag als Gleichaltrige. Auch den Eltern sei oft nicht bewusst, was es bedeute, ihr Kind optimal im Leistungssport zu unterstützen. Daher seien die Gespräche mit ihnen meist genauso wichtig.

Über Augsburg zum Fußball, über einen Kollegen zum Club

Über ein Praktikum beim FC Augsburg sei sie während ihres Studium der Wirtschafts-, Organisations- und Sozialpsychologie in München eher zufällig ins Fußballgeschäft "gerutscht". Ihre Abschlussarbeit schrieb sie über "Achtsamkeit im Leistungssport", betreut vom Kollegen Dino Poimann, der wie Urquiaga aus Veitshöchheim kommt.

Poimann, heute Sportpsychologe beim VfB Stuttgart, war damals wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Erlangen und an einem "wissenschaftlich fundierten sportpsychologischen Konzept" für das NLZ beteiligt. Als Poimann einen Job bei Red Bull Salzburg annahm, folgte Urquiaga auf ihn beim Club: "Ich bin sehr froh, dass ich Dino als Mentor an meiner Seite hatte, und es sich so ergeben hat, dass ich nach ihm hier anfangen konnte."

Sportpsychologin Lorea Urquiaga beim Yoga: Meditation, Atemübungen und Entspannung werden inzwischen als Teil des Trainings gesehen.
Foto: 1. FC Nürnberg | Sportpsychologin Lorea Urquiaga beim Yoga: Meditation, Atemübungen und Entspannung werden inzwischen als Teil des Trainings gesehen.

Das war im August 2018. Inzwischen weiß das frühere "Meefischli", wie der Verein und sein großes Umfeld tickt. "Der Club ist einfach ein besonderer Verein: eine tolle Gemeinschaft mit vielen interessanten Menschen und spannenden Geschichten", sagt sie. Auch wenn ihr Fokus auf dem Nachwuchs liegt, fiebere und leide sie mit der Profi-Mannschaft "definitiv voll mit".

Der Kampf um einen Auf- oder gegen einen Abstieg hat für Urquiaga deshalb eine zusätzliche Dimension: "Für uns macht es einen großen Unterschied, ob wir in der Ersten, Zweiten oder gar in der Dritten Liga spielen. Es hängen Arbeitsplätze und finanzielle Mittel dran. Das auszublenden, geht gar nicht."

Latteier und Shuranov: Der Weg bis zum Fußballprofi ist möglich

Im Sommer 2019 war sie bei den Profis im Trainingslager dabei. "Das war eine sehr gute Erfahrung." Entgegen gängiger Klischees über Fußballer stellt sie fest: "Sowohl bei den Profis als auch im Nachwuchs gibt es viele sehr gut erzogene und intelligente Jungs, die versuchen, ihren Traum als Fußballer zu leben."

Wenn Spielern wie Tim Latteier oder Erik Shuranov der Sprung zu den Profis gelingt, ist das ein Erfolg für alle, die im NLZ arbeiten: "Wenn es einer unserer Jungs packt, sind wir sehr stolz darauf, denn wir sehen, dass es möglich ist, nach oben durchzukommen, wenn wir alle unsere Arbeit gut machen."

"Der Club ist einfach ein besonderer Verein."
Lorea Urquiaga, Sportpsychologin beim 1. FC Nürnberg

Den Nachwuchs betreut Urquiaga altersgerecht. "Mit einem Zehnjährigen habe ich noch keine intensiven Gespräche. Da geht es zum Beispiel eher um Teambuilding mit der Mannschaft. Bei den Älteren ist die Einzelbetreuung umso wichtiger", erklärt die Würzburgerin. Auch Yoga, das sie seit 20 Jahren selbst zum Ausgleich praktiziere, werde inzwischen wie Meditation, Atemübungen oder Entspannung als Teil des Trainings gesehen.

Lorea Urquiaga nahm mit 18 mit der deutschen Mannschaft der Synchronschwimmerinnen an den Weltmeisterschaften in Melbourne teil.
Foto: Achim Muth | Lorea Urquiaga nahm mit 18 mit der deutschen Mannschaft der Synchronschwimmerinnen an den Weltmeisterschaften in Melbourne teil.

Seit vergangenem Jahr betreut Urquiaga auch die U-17-Juniorinnen beim Deutschen Fußball-Bund. Diese Aufgabe sei – abgesehen davon, dass es um Mädchen geht – "ganz anders" als im Verein, da sie jedesmal nur für kurze Zeit mit den Spielerinnen zusammen sei: "Wenn wir uns für ein paar Tage treffen, ist das sehr intensiv." Auch außerhalb der Lehrgänge könnten sich die Mädels bei ihr melden, da es für sie in den Vereinen oft noch keine psychologische Betreuung gebe.

Mit Corona haben sich die Sorgen der Jugendlichen geändert

Das Coronavirus hat auch die Arbeit der Sportpsychologin verändert – nicht nur, weil im Nürnberger NLZ für einige Monate weder Training noch Spiele stattfanden: "Für viele geht es gerade nicht um den Druck im Leistungssport, sondern wie sie mit negativen Emotionen umgehen oder sich weiterhin Ziele setzen können." Sie habe ihr Programm inhaltlich umgestellt und kommuniziere meist über das Internet. Das funktioniere zwar gut, doch "wenn die Jungs vor mir sitzen und ich ihnen in die Augen schauen kann, ist das schon was ganz anderes".

Durch Corona kamen auch neue Themen dazu: "Die Angst, sich anzustecken", sagt Urquiaga, oder die im Moment fehlende Gemeinschaft innerhalb der Mannschaft oder im Verein. Sie bekam mit, dass die Schule zu einer extremen Belastung geworden und für manchen die familiäre Situation nicht einfach auszuhalten sei. Einige würden sich auch langweilen, da ihr Lebensinhalt, das Fußballspielen, den Alltag nicht mehr ausfülle.

Jüngste Vorfälle sexualisierter Gewalt in verschiedenen Sportarten verdeutlichten Lorea Urquiaga, wie wichtig ihre Arbeit ist, "dass Kinder und Jugendliche jemanden haben, dem sie sich anvertrauen können. Auch wenn wir vom Verein angestellt sind, müssen wir immer für das Wohl des Sportlers handeln.  , den wir ihnen geben können."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Jürgen Sterzbach
1. FC Nürnberg
Covid-19
FC Augsburg
Fußball
Fußballspiele
Fußballspieler
Kinder und Jugendliche
Meditation
Mädchen
Profi-Fußballer
Sport 21
Sportler
VfB Stuttgart
Wasserball
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top