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Würzburg
Sexualisierte Gewalt im Sport: "Jeder Fall ist einer zu viel"
Als Antwort auch auf den Fall Lurz fordert Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, einen besseren Schutz von Sportlerinnen. Was sie kritisiert.
Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, macht sich für einen besseren Schutz von Sportlerinnen und Sportler vor sexualisierter Gewalt stark.
Foto: Fabian Strauch, dpa | Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, macht sich für einen besseren Schutz von Sportlerinnen und Sportler vor sexualisierter Gewalt stark.
Achim Muth
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:32 Uhr

Der Sportausschuss des Deutschen Bundestags wird sich am 5. Mai in einer Öffentlichen Anhörung mit der Problematik von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt gegen Sportlerinnen und Sportler beschäftigen. Dies bestätigte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, auf Anfrage dieser Redaktion. "Es ist offensichtlich, dass der Sport vor einem Problem steht. Allein aus dem Schwimmen, Turnen und Boxen haben wir innerhalb weniger Monate erschütternde Geschichten zu hören bekommen", so die SPD-Politikerin. "Es ist nicht anzunehmen, dass die Vorfälle auf diese Sportarten beschränkt bleiben. Mutige Athletinnen haben sich getraut und ihre Erlebnisse geschildert. Sie haben damit das Eis für jene gebrochen, die diesen Mut aus unterschiedlichsten Gründen bisher nicht aufbringen konnten."

Vor einer Woche waren Anschuldigungen von mehreren, teils minderjährigen Schwimmerinnen öffentlich geworden, die dem Würzburger Schwimmtrainer Stefan Lurz im Magazin "Der Spiegel" sexualisierte Gewalt vorgeworfen haben. Der Bundestrainer im Freiwasserschwimmen war daraufhin von seinem Amt zurückgetreten, die Staatsanwaltschaft Würzburg hat Ermittlungen aufgenommen. Laut Freitag hatten die Mitglieder des Sportausschuss keine Kenntnisse von den neuen Vorwürfen. 

Schonungslose Analyse gefordert

"Wir brauchen eine Diskussion und eine schonungslose Analyse des Status Quo. Und wir müssen schnellstmöglich dafür Sorge tragen, dass sich Strukturen und Kulturen ändern, um Sportlerinnen und Sportler besser zu schützen. Jeder einzelne Fall einer Grenzüberschreitung, von der Verbalattacke bis hin zu schwerer Gewaltanwendung, ist einer zu viel", sagt Freitag. Sie unterstützt die Forderung der Athletenvereinigung "Athleten Deutschland" für ein Zentrum namens "Safe Sport", an das sich Betroffene wenden könnten. Dass dieser Vorschlag ausgerechnet von Sportlern käme, "zeigt einmal mehr, dass engagierte Athletenvertreter deutlich weiter in der Analyse als der organisierte Sport selbst sind". Die SPD-Politikerin äußert damit unverhohlen Kritik am Krisenmanagement der Sportverbände. Eine Institution wie "Safe Sport" könne, so Freitag, eine wichtige Anlaufstelle sein und die entscheidende Rolle für Information, Prävention und Intervention spielen.

Bereits 2019 hatte sich eine Schwimmerin mit Vorwürfen gegen Lurz an den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) gewandt, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien aber, so der "Spiegel", wegen Verjährung eingestellt worden. Mitte dieser Woche war der Sportdirektor des DSV, Thomas Kurschilgen, vom Verband freigestellt worden. Hätte der Verband vor zwei Jahren anders reagieren müssen? "Diese Frage wird vor allem an diejenigen im DSV zu richten sein, denen offensichtlich konkrete Hinweise vorlagen", sagt Dagmar Freitag. "Interessant ist aus meiner Sicht auch, ob der Deutsche Olympische Sportbund als Dachverband in die damaligen Beratungen über den Fall einbezogen war." 

Der Sport hat eine "Art Wahrnehmungsstörung" 

Wird in den Sportverbänden zu wenig getan, um Athletinnen zu schützen? Gibt es zu wenig Transparenz? Freitag, seit 1994 für die SPD Nordrhein-Westfalen Mitglied im Bundestag und seit 2009 Sportausschuss-Vorsitzende, hält das Problem für vielschichtig: "Im Sport haben wir es unter anderem mit engen Beziehungsgeflechten, körperlicher Nähe, Abhängigkeiten und Machtdysbalance zwischen Sportlerinnen und Sportlern und dem Trainer- und Funktionsteam zu tun, was ein Potenzial für Grenzüberschreitungen jedweder Art darstellt." Sie macht in manchen Bereichen des Sports gar eine "Art Wahrnehmungsstörung" aus - getreu dem Motto: "Was nicht sein darf, ist auch nicht".

Für die SPD-Politikerin erweist es sich als kontraproduktiv, "wenn Ombudsstellen oder ähnliche Ansprechpartner für Betroffene im System selbst verankert sind. Denn dann mangelt es ganz offensichtlich sowohl an Unabhängigkeit, aber auch an Abstand und Vertrauen. Zugleich dürfen wir aber auch nicht alle Trainer unter Generalverdacht stellen, denn die allermeisten machen einen super Job unter oft nicht einfachen Bedingungen."

 
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