Am vergangenen Sonntag um kurz nach 15 Uhr degradierte Stürmerin Medina Desic erst zwei Verteidigerinnen des FFC 08 Niederkirchen mit einem Dribbling und anschließend deren Torfrau mit einem gefühlvollen Heber zu Statisten.
Nach ihrem wirklich sehenswerten Tor zum 2:0 im Kellerduell der Zweiten Bundesliga Süd gegen das Schlusslicht rannte die 27-Jährige zielstrebig, wie sonst nur in Richtung gegnerisches Tor, zur eigenen Auswechselbank. Physiotherapeutin Vicky Kritsinioti wartete schon auf sie und übergab ihr ein weißes T-Shirt, das Desic dann für alle auf dem Platz sichtbar hochhielt.
"Danke für alles, Coach" war darauf unter einem gemeinsames Bild von Medina Desic und Gernot Haubenthal zu lesen. Es war der besondere emotionale Moment, für den viele der Spielerinnen am Sonntag am Sportpark Heuchelhof auf den Platz gegangen waren.
T-Shirt-Aktion nach nur einer Viertelstunde noch verhindert
Wenige Tage vor dem Spiel hatte sich der Klub überraschend von Aufstiegstrainer Gernot Haubenthal getrennt, auch die beiden Co-Trainerinnen Daniela Götz und Anna Fries sowie Torwarttrainer Heinz Krämer mussten gehen. Nach einer Hinrunde mit nur vier Punkten aus acht Partien sah sich die Vereinsführung um Vorsitzende Gudrun Reinders zum Handeln gezwungen. Nach Nachfolger stellte sie Eugen Ungefuch, Markus Lützler und Maximilian Schnorr-Reinders als Trainertrio vor.
Bereits Mittelfeldspielerin Nicole Kreußer hatte nach ihrem Tor zum 1:0 dem Ex-Coach huldigen wollen, doch Lützler, neu an der Seitenlinie der Kickers-Frauen, konnte ihren Versuch nach nur 14 Minuten noch im Keim ersticken. "Spielt erst mal. Dafür ist später noch Zeit", rief der Ex-Profi und verlangte, sich auf das wichtige "Sechs-Punkte-Spiel" zu fokussieren.
Kurz nach dem Seitenwechsel konnte Lützler dann Desic aber nicht mehr stoppen. Er versuchte es auch gar nicht erst. Ihm wäre es wohl genauso wenig geglückt, wie der Niederkirchener Defensive beim Abwehrversuch zuvor. Desic erzielte in dieser Partie einen lupenreinen Hattrick, Kapitänin Luisa Scheidel erzielte in der Nachspielzeit noch das 5:0.
"Das war zu 100 Prozent ein Sieg für das Trainerteam", sagte Desic hinterher und meinte das entlassene Quartett, dem die Mannschaft schon beim Warmlaufen gedankt hatte: "Danke Gernot, Anna, Dani, Heinz" stand auf der Rückseite der Aufwärmshirts. "Wir sind ein Team", stand vorne. "Wir haben ihnen unbeschreiblich viel zu verdanken", betonte Desic. Zwei Aufstiege in zwei Jahren sprechen ohnehin für eine erfolgreiche Zeit.
Medina Desic hat Ex-Trainer Haubenthal viel zu verdanken
Auch ihre eigene rasante wie imposante Entwicklung – mit acht Treffern ist sie derzeit erfolgreichste Torjägerin der Südstaffel der Zweiten Bundesliga – lasse sich auf die Zusammenarbeit mit Haubenthal zurückführen, betonte sie. Schon seit vielen Jahren kannten die beiden sich, bevor sie ab 2018 "endlich" auch unter ihm trainieren durfte.
"Er hat mich auf ein Level gebracht, auf dem ich zuvor noch nie war", erklärte sie ihre Verbindung. Das führte sie unter anderem bis in die montenegrinische Nationalmannschaft und brachte sie auf den Wunschzettel vieler Erstligisten. "Das habe ich komplett Gernot Haubenthal zu verdanken." Der Abschied habe ihr besonders weh getan, gab sie zu und fügte an: "Wir haben ein tolles Trainerteam verloren."
In der aktuellen Saison, mit über einem Dutzend neuer Spielerinnen und der monatelangen Pause zwischen der Saisonunterbrechung ab Oktober und dem Wiederbeginn im März, kam die Mannschaft erstmals unter dem Trainer Haubenthal vom Erfolgsweg ab.
"Ich glaube, dass wir von allen Seiten aus unterm Strich für die Mädels und für den Fußball in der Region die richtige Entscheidung getroffen haben", erklärte Vorstandsmitglied Heinz Reinders nach dem 5:0-Sieg, betonte aber auch, dass die in den vergangenen drei Jahren von Haubenthal und seinen drei Mitstreitern geleistete Arbeit "unermesslich" sei.
Nächstes Spiel fällt wegen eines Corona-Falls beim Gegner aus
Haubenthal selbst sah sich das Spiel seiner ehemaligen Mannschaft nicht einmal per Livestream im Internet an, berichtete er auf Anfrage dieser Redaktion. Er habe erst einmal alles ausgeblendet, was ihn an die Zeit am Heuchelhof erinnere. Ihn, der in der Region über viele Jahre den ETSV Würzburg und den TSV Frickenhausen trainierte, habe der Rauswurf sehr getroffen, obwohl er freilich wisse, dass im Fußball letztlich alles vom sportlichen Erfolg abhänge.
Medina Desic kündigt an, dass die Mannschaft auch weiterhin für "Gernot, Anna, Dani und Heinz" spielen werde. Oft sei man in dieser Saison hingefallen, immer wieder sei es gelungen aufzustehen und sich "die Krone zu richten", skizzierte sie.
Das große Ziel der Kickers-Frauen bleibt der Klassenerhalt. Bei drei direkten Absteigern in einer nur neun Mannschaften zählenden Liga und der Relegation für den Tabellensechsten wird das schwierig genug. "Es war ein wichtiger Sieg, um ein Zeichen zu setzen, dass wir noch da sind", sagte die Angreiferin.
Nachdem das für Mittwochabend geplante Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt II wegen eines Corona-Falls in Reihen des Gegners abgesagt wurde und die Würzburger Kickers am Wochenende ohnehin spielfrei gewesen wären, absolvieren sie ihr nächstes Spiel erst in eineinhalb Wochen am 9. Mai beim 1. FC Köln.