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FUSSBALL
Medina Desic: Per Instagram in die Nationalmannschaft
Die 27-jährige Fußballerin hat trotz Corona ein Traumjahr hinter sich. Die Torjägerin des Zweitligisten FC Würzburger Kickers ist aus der Auswahl Montenegros nicht wegzudenken.
Kickers-Stürmerin Medina Desic zeigt stolz ihr Trikot der montenegrinischen Nationalmannschaft, für die sie in diesem Jahr sechs Spiele bestritten hat.
Foto: Steffen Krapf | Kickers-Stürmerin Medina Desic zeigt stolz ihr Trikot der montenegrinischen Nationalmannschaft, für die sie in diesem Jahr sechs Spiele bestritten hat.
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:58 Uhr

Am Abend des 1. Dezember saß Medina Desic, Fußballerin der Würzburger Kickers, in einem Bus, der eskortiert von der Polizei durch die ukrainische Hauptstadt Kiew fuhr. "Das war schon aufregend", sagt die 27-Jährige. Die Leute auf den Straßen verrenkten sich die Köpfe nach dem Bus mit den abgedunkelten Scheiben. Schließlich waren an diesem Abend auch die "Königlichen" von Real Madrid in der Stadt für ihr Champions-League-Spiel gegen Schachtar Donezk. Die Würzburgerin indes stand an diesem Abend zum sechsten Mal im Nationaltrikot Montenegros auf dem Feld. Ebenfalls in Kiew.

Ein Treffen mit den Real-Stars kam nicht zustande, selbst deren Abschlusstraining am Tag zuvor war hermetisch abgeriegelt. Auch aus ihrem zweiten großen Wunsch wurde es nichts. Desic wollte unbedingt ihren ersten Sieg im Trikot der Nationalmannschaft feiern. Die ganze Familie, die Eltern, ihre beiden Brüder und die Tanten und Onkels in Montenegro fieberten am Bildschirm mit. Mit 1:2 zog die Elf aus dem noch jungen, gerade mal etwas mehr als 600 000 Einwohner zählenden Balkan-Staat den Kürzeren.

Ein herzliches Strahlen über das ganze Gesicht kann die Fußballerin sich heute trotzdem nicht verkneifen, angesprochen auf ihr Jahr 2020. Zwar hat sie aus der Ukraine eine schwere Grippe als unfreiwilliges Souvenir mitgebracht, aber vielleicht musste sie den großen Strapazen der letzten Monate einfach mal Tribut zollen, meint sie. Reisen in Corona-Zeiten können beschwerlichen sein. Die in die Ukraine führte sie innerhalb von vier Tagen über Serbien, Montenegro und die Türkei. Zudem muss sie ihre Arbeit, als Projektleiterin in einer Würzburger Firma, und ihre aufstrebende Fußballkarriere unter einen Hut bringen. "Ich habe dieses Jahr in Stadien in Kiew, Athen und gegen Deutschland mit zigtausenden Zuschauern an den Fernsehgeräten gespielt. Das ist doch, wovon jeder, der Fußball spielt, als Kind einmal geträumt hat."

Gewohntes Bild: Medina Desic (Nummer 10) beim Torjubel. Hier beim zwischenzeitlichen 1:1 im Oktober gegen Eintracht Frankfurt II.
Foto: Steffen Krapf | Gewohntes Bild: Medina Desic (Nummer 10) beim Torjubel. Hier beim zwischenzeitlichen 1:1 im Oktober gegen Eintracht Frankfurt II.

Es war ein außergewöhnliches Jahr für die Kickers-Spielerin, das genau genommen irgendwie im Sommer 2019 seinen ungeahnten Start erfuhr. "Wieso bin ich da nicht dabei?", fragte sich Desic, als sie auf Instagram zufällig entdeckte, dass Deutschland gegen Montenegro spielt. Über die sozialen Medien kontaktierte sie Montenegros Spielführerin Marija Vukcevic. Dann kam alles ins Rollen. Die Geschichte nahm ihren Lauf.

Im Januar stand sie beim Freundschaftsspiel gegen Bosnien-Herzegowina erstmals mit auf dem Feld. Medina Desic, die in Erlenbach am Main geboren wurde, darf für ihr Land spielen. Der Bezug zu Montenegro ist bei ihr groß, erklärt sie: Sie wuchs zweisprachig auf, verbringt in Nicht-Corona-Zeiten die Urlaube dort, der Kontakt zu den Verwandten in Montenegro ist eng und innig.

"Das ist doch, wovon jeder, der Fußball spielt, als Kind einmal geträumt hat."
Medina Desic, montenegrinische Nationalspielerin bei den Würzburger Kickers

Mittlerweile ist sie aus dem Team nicht mehr wegzudenken. Im EM-Qualifikations-Hinspiel gegen die Ukraine (1:3) im September erzielte sie ihr erstes Länderspieltor. Als der Ball in der 63. Minute hinter die gegnerische Abwehr kam, war sie zur Stelle und hob das Spielgerät über die ukrainische Torhüterin hinweg. Ein typisches Desic-Tor, oder? Desic nickt und grinst.

Ihr absolutes Highlight war das Duell gegen die deutsche Nationalmannschaft, ebenfalls im September. Nach der 0:10-Hinspielklatsche (ohne Desic) schlug sich die Nummer 97 der Weltrangliste bei der 0:3-Niederlage im Rückspiel wacker. "Das war wie ein Sieg für uns." Gegen Weltklassespielerinnen wie Dzsenifer Marozsan oder Melanie Leupolz zu spielen und dabei auch noch gut mithalten zu können, war ein tolles Erlebnis, schwärmt Desic.

Erst seit acht Jahren hat Montenegro ein Frauenfußballnationalteam. Die Spielerinnen kommen überwiegend aus einem der sechs Teams der einzigen Frauenfußballliga des Landes. "Die Mädels können aber kicken, die haben Potenzial", findet "Legionärin" Desic. Eine Hand voll ihrer Kolleginnen spielt, wie sie, außerhalb Montenegros. Der Zusammenhalt im Team sei riesig. "Ich habe richtig gute Freundschaften gewonnen."

In der Form ihres Lebens

Beflügelt von der Nationalelf-Karriere ist Medina Desic in der Form ihres Lebens. Daran gibt es keinen Zweifel. Auch im Verein trug sie ihre Mannschaft mit starken Leistungen und fünf Toren in drei Pflichtspielen im Herbst durch den Saisonstart – bis der Abbruch durch die zweite Corona-Welle kam. "Fitter und besser denn je" sei sie, sagt sie selbstbewusst. Dafür hat sie viel investiert, im Vereinstraining und in Eigenregie. Mit 35 Toren in den letzten zwei Jahren war sie maßgeblich am Durchmarsch vom SC Würzburg-Heuchelhof (jetzt FC Würzburger Kickers) von der Oberliga bis in die Zweiten Bundesliga beteiligt.

Kickers-Stürmerin Medina Desic im Zweitliga-Spiel gegen Eintracht Frankfurt II. Ihr Treffer reichte am Ende nicht zum Sieg. Die Rothosen verloren mit 1:2.
Foto: Steffen Krapf | Kickers-Stürmerin Medina Desic im Zweitliga-Spiel gegen Eintracht Frankfurt II. Ihr Treffer reichte am Ende nicht zum Sieg. Die Rothosen verloren mit 1:2.

Die Schlüsselfigur zur Leistungsexplosion war Coach Gernot Haubenthal. "Einer der besten Trainer, den ich je hatte", sagt Desic sofort. Haubenthal erkannte das schlummernde Potenzial der spielstarken und athletischen Mittelstürmerin, die mittlerweile auf dem Radar von Bundesligisten auftaucht. "Ich fühle mich sehr wohl in Würzburg", wiegelt sie ab: "Außerdem ist die Arbeit bei mir definitiv an Nummer eins." Förderer Haubenthal indes sieht bei ihr immer noch Luft nach oben. Und 2021? "Da soll es für mich genau so weitergehen", sagt Desic: "Nur ohne Corona-Pandemie."

 
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