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Barrierefreiheit
Wie barrierefrei sind Würzburgs Sportstätten? Ein Blick in die tectake Arena und auf den Dallenberg
Warum Würzburgs Behindertenbeauftragter heute lieber in die tectake Arena geht als vor 30 Jahren und was die Würzburger Kickers für Menschen mit Behinderung planen.
Julian Wendel und Evi Gerhard haben verschiedene Ideen, wie Menschen mit Behinderung ein Besuch in der tectake Arena vereinfacht werden kann.
Foto: Julien Becker | Julian Wendel und Evi Gerhard haben verschiedene Ideen, wie Menschen mit Behinderung ein Besuch in der tectake Arena vereinfacht werden kann.
Lucy Krille
 |  aktualisiert: 16.04.2025 02:42 Uhr

Montagabend, die tectake Arena bebt. Unter den fast 3000 Zuschauenden sitzen Julian Wendel und Evi Gerhard in ihren Rollstühlen, direkt vor dem Fanklub. Die Bande vor ihnen ist ziemlich hoch, sodass Gerhard extra früh gekommen ist, um einen guten Platz zu ergattern. Die Würzburgerin hatte die Straßenbahn schon am Dallenbergbad verlassen, weil die Haltestelle an der Königsberger Straße nicht barrierefrei ist.

Es sind die kleinen Dinge, die einen Besuch in der Sporthalle oder im Stadion für Menschen mit Handicap aufwendig machen. Trotzdem ist Wendel weitestgehend zufrieden mit der Barrierefreiheit in der tectake Arena. Der Behindertenbeauftragte der Stadt Würzburg erinnert sich noch an Stadionbesuche vor 30 Jahren. "Da war alles noch improvisiert", sagt er. So habe man den Hausmeister holen müssen, um einen Schlüssel für den barrierefreien Nebeneingang zu bekommen, auch der Rollstuhlbereich sei noch nicht so explizit ausgewiesen gewesen wie heute.

Wendel ist froh, dass Menschen mit Behinderung mittlerweile sichtbarer in der Gesellschaft sind. Beispielsweise müssen Neubauten laut bayerischer Bauordnung heute barrierefrei sein. Nun sind Sportstätten in den seltensten Fällen Neubauten, "aber die meisten Betreiber machen das Beste draus", sagt Wendel.

Doch auch in der tectake Arena gibt es Verbesserungsbedarf. So können Menschen im Rollstuhl das obere Foyer nur über den Fahrstuhl der angrenzenden Berufsschule erreichen, was bei einer Sportveranstaltung grundsätzlich nicht vorgesehen ist. Auch die Toiletten sind nicht ideal. "In der WC-Anlage, die für Menschen im Rollstuhl am ehesten nutzbar ist, entsprechen die Bewegungsflächen vor der Toilette und vor dem Waschtisch nicht den Anforderungen", sagt Wendel.

Die WCs müssten tatsächlich baulich verändert werden, gibt die Stadt, die die Arena betreibt, zu. Doch es fehle am Geld. Um alle Anforderungen der aktuell geltenden DIN-Norm umzusetzen, müsste das Gebäude generalsaniert werden.

Rückzugsraum würde Menschen mit psychischen Problemen helfen

In diesem Zuge könnte auch ein Leitsystem integriert werden, mit dem Sehbehinderten etwa durch Rippen und Noppen am Boden die Orientierung erleichtert wird, sagt Wendel. Für sie wäre es auch eine große Hilfe, wenn Treppen und andere Gefahrenstellen mit Lichtstreifen gekennzeichnet wären. Auch ein Reportagedienst für taube und blinde Menschen "wäre wünschenswert".

Und Wendel hat noch eine Idee: Einen Rückzugsraum. Denn Barrierefreiheit sollte nicht nur körperlich behinderte Menschen mitdenken, sondern auch solche mit psychischen Problemen oder Krankheiten. "Bei einer Reizüberflutung brauchen sie vielleicht einfach mal ihre Ruhe", sagt Wendel. Beim Eishockey in Nürnberg und beim Tennis in Frankfurt hat er so einen Raum schon gesehen, der während des Spiels offen steht.

Stadt nimmt Hoffnung auf große Umbauten

Während ein Rückzugsraum oder optische Hervorhebungen der Treppenstufen relativ leicht umsetzbar wären, macht Stadt-Pressesprecherin Claudia Lother wenig Hoffnung auf schnelle bauliche Lösungen, denn der Stadtrat habe sich darauf geeinigt, die tectake Arena erst nach dem Neubau der geplanten Multifunktionsarena zu sanieren und aktuell nur Mittel zur Unterhaltung bereitzustellen. Die FIT/One Würzburg Baskets sollen nach den aktuellen Plänen ohnehin in die neue Arena umziehen, da sie als Bundesliga-Mannschaft ab 2029 eine Halle mit mindestens 4000 Sitzplätzen vorweisen müssen.

Immerhin sei das untere Foyer immer barrierefrei erreichbar, sagt Lother, was auch für die anderen Mehrzweckhallen in städtischer Hand gelte. Auch bei zukünftigen Bau- und Sanierungsprojekten würden "notwendige Maßnahmen zur Barrierefreiheit soweit möglich berücksichtigt" werden. Dies sei beispielsweise bei der TG Würzburg geschehen, die eine neue barrierefreie Toilette im Foyer hat, und auch bei der für 2027 geplanten Sanierung der Sportstätte Sanderrasen sollen die Belange von Menschen mit Behinderung stärker berücksichtigt werden.

Würzburger Kickers bieten Rollstuhlbereich hinter dem Fanblock

Ein weiterer Besuchermagnet in Würzburg ist die Akon-Arena, die von den Würzburger Kickers betrieben wird. Der Fußballverein hat in den vergangenen Jahren unter anderem einen separaten Rollstuhleingang mit extra angemieteten Parkplatz am Botanischen Garten geschaffen.

Kickers-Fan Johannes Waltinger kommt zu jedem Heimspiel mit dem Auto aus Lauda, seinen Rollstuhl im Gepäck. Er empfindet den Parkplatz zwar als sehr schmal, freut sich aber grundsätzlich über die Bereitschaft des Vereins, der zudem einen Shuttlebus vom Parkplatz Dallenberg zum Rollstuhleingang anbietet. Veranstaltungsleiter Ole Linseisen zeigt sich dankbar über Kritik der Fans. "Nur so können wir uns als Verein auch in diesen Bereichen weiterentwickeln", sagt er.

Direkt hinter dem Block der treusten Fans des FC Würzburger Kickers gibt es einen Bereich für Rollstuhlfahrer.
Foto: Julien Christ/Scheuring (Archivfoto) | Direkt hinter dem Block der treusten Fans des FC Würzburger Kickers gibt es einen Bereich für Rollstuhlfahrer.

Nach eigener Aussage seien die Würzburger Kickers der einzige Verein in Deutschland, der einen Rollstuhlbereich direkt hinter dem Fanblock eingerichtet hat. Waltinger nutzt diesen gern, da er trotz einer Paraspastik in den Beinen über die Spielzeit stehen kann. "Für jemanden, der das nicht kann, ist der Platz aber nicht geeignet", sagt Waltinger, da die Sicht durch die stehenden Fans und Fahnen beeinträchtigt sei. Der Verein hat Dauerkarteninhabern deshalb einen kostenlosen Platzwechsel angeboten. Im Stadion gibt es noch weitere Rollstuhlbereiche.

Kickers-Mannschaft soll Autogramme auf Rollstuhlplätzen geben

Andere Probleme lassen sich mittelfristig wohl nur abmildern. So nutzen Betroffene das barrierefreie Dixieklo nur, wenn unbedingt nötig. Eine feste Toilette sei aus Kostengründen nicht möglich, erklärt Linseisen, man sei aber bemüht, während des Spiels öfter zu reinigen. Wenn das Spiel vorbei ist, stellt eine Rampe zum Parkplatz manche vor Herausforderungen. Linseisen verweist auf geschultes Ordnerpersonal, das helfe.

Der Verein sei zudem auch mit dem Caterer im Gespräch, die Essensausgabe zu unterstützen, denn die Tresen sind oft viel zu hoch für Menschen im Rollstuhl. Das erlebt Waltinger auch außerhalb der Stadien immer wieder. "Hier hoffen wir aber auch auf die Unterstützung der Gesellschaft, insbesondere derer, die in der Warteschlange dahinterstehen. Das sind Werte, die uns als Verein sehr wichtig sind und die wir auch immer vorleben", sagt Linseisen.

Die Kickers planen demnach aktuell, spezielle Kopfhörer für geräuschempfindliche Menschen anzuschaffen. Menschen mit Sehbehinderung werden bei Bedarf im Stadion durch eine Begleitperson unterstützt, die ihnen während des Spiels berichtet, was auf dem Rasen passiert. "Außerdem haben wir geplant, dass in Zukunft immer ein Teil der Mannschaft nach dem Spiel Autogramme auf den Rollstuhlplätzen gibt", sagt Linseisen.

 
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  • Bruno Franken
    Wir bieten ein kostenloses Angebot für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte zum Eingang oberhalb der Haupttribüne der Akon-Arena:
    https://www.wengertfc.com/unser-shuttlebus-fuer-rollstuhlfahr

    Rot-Weiße Grüße
    Bruno Franken
    Weigert FC
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