Ganz unten im nach dem Drittliga-Aufstieg 2015 eingerichteten Presseraum der Akon Arena ist der Glanz vergangener Tage schon längst verwelkt. Die Luft ist feucht. Es schaut etwas abgewohnt aus. Am Freitagabend nach dem 2:0 (0:0) gegen den wie erwartet schwer zu besiegenden FV Illertissen sprach Trainer Marco Wildersinn hier ein letztes Mal in diesem Jahr über einen Sieg der Würzburger Kickers.
Es war der Abschluss eines bemerkenswerten Heimspiel-Jahres, in dem die Rothosen tatsächlich im eigenen Stadion kein einziges Ligaspiel verloren haben. Einzig der FV Illertissen konnte im Frühjahr im Halbfinale des vergangenen Toto-Pokal-Wettbewerbs am Dallenberg gewinnen. Aber auch diese Wunde ist spätestens mit dem Erfolg vom Freitagabend ein gutes Stück verheilt.
Die Kickers kommen der Rückkehr auf die nationale Fußball-Bühne Schritt für Schritt näher. 21 von 34 Saisonspielen sind absolviert, also bald schon zwei Drittel. Und noch immer haben die Kickers in dieser Spielzeit nicht verloren. "Normalerweise schaffst du das nicht", sagt Wildersinn beim Gedanken daran, dass sein Team bis zum Saisonende ungeschlagen bleiben könnte: "Es kann dich immer erwischen." Auch am Freitag hätte sein Team ein bisschen Glück gebraucht. Und doch dürfen die Kickers weiter träumen von einer ungeschlagenen Saison. Dafür gibt es gute Gründe:
Die Taktik
"Stabilität" ist das Wort, das Spieler und Trainer der Kickers gerne verwenden, wenn sie nach dem Grund für den kontinuierlichen Erfolg in dieser Saison suchen. Hinter der konsequenten Abwehrarbeit steckt viel Arbeit. "Wir haben heute relativ viele Konter zugelassen", fand Wildersinn nach dem Sieg am Freitagabend: "Daran müssen wir jetzt wieder feilen." Weniger Spektakel, mehr Punkte – mit dieser Maßgabe waren die Kickers im Sommer in die neue Spielzeit gestartet. "Anfangs haben wir das Gesicht von letzter Saison gezeigt", erinnert sich Abwehrroutinier Daniel Hägele unter anderem an das glückliche 3:2 im Hinspiel in Illertissen. "Aber wir haben daraus die richtigen Schlüsse gezogen." Die Konzentration auf Stabilität in der Defensive gehe, meint Wildersinn, "manchmal zu Lasten der Offensive. Man kann nicht immer mit Hurra nach vorne spielen."
Die Standards
Womit wir beim Thema Effizienz wären. Am Freitag reichten ein paar wenige Chancen zu zwei Treffern. War zu Saisonbeginn die Chancenverwertung noch ein Dauerthema unter den Fans, sind die Kickers da in den vergangenen Wochen deutlich kaltschnäuziger geworden. Und sie nutzen in dieser Saison Standardsituationen oft zu Torerfolgen. Bereits 18 Treffer fielen nach ruhenden Bällen. Oft waren es entscheidende Tore: wie das 1:0 von Daniel Hägele gegen Illertissen oder auch der 1:1-Ausgleich eine Woche zuvor bei Bayern München II.
Der lange Atem
Das Spiel ist erst aus, wenn der Schiedsrichter es abpfeift. Die Kickers stecken in dieser Saison nie auf: Beweis sind die vielen Tore in der Schlussphase. Zwölf Treffer gelangen nach der 80. Minute. In der Nachspielzeit waren die Kickers schon fünfmal erfolgreich. Umgekehrt haben die Rothosen nach der 80. Minute noch kein einziges Tor kassiert. Sicherlich auch ein Beleg der körperlichen Fitness, die das Profi-Team gegenüber mancher Amateurmannschaft auszeichnet. Für Wildersinn "ist es am Ende auch Glück". Letztlich sei die Stärke in der Schlussphase aber Kopfsache: "Mit jedem Tor wächst natürlich die Überzeugung. Das ist eine mentale Frage."
Der Torwart
Am Freitag war Vincent Friedsam mit einigen starken Aktionen entscheidend am Erfolg beteiligt. Als die Kickers im vergangenen Frühjahr etwas aus dem Tritt gerieten und ihre Meisterschaftschancen in der vergangenen Saison verspielten, lag das auch daran, dass mit Friedsam und Marc Richter zwei Torhüter verletzt ausfielen. Mit Friedsam als neuer Nummer eins ging es in die neue Saison. Mit Norman Quindt wurde ein starker Herausforderer als Nummer zwei verpflichtet. Der Konkurrenzkampf scheint sich extrem leistungsfördernd auszuwirken. Friedsam ist inzwischen eine Bank im Kickers-Kasten und hat mit der Ruhe, die er ausstrahlt, großen Anteil daran, dass die Kickers erst 14 Treffer kassiert haben.
Der Teamgeist
Als Saliou Sané gegen Illertissen in der Nachspielzeit mit dem 2:0 alles klar machte, waren nicht nur alle Personen auf der Bank aufgesprungen, alle Ersatzspieler stürmten auf den Platz und jubelten mit dem Torschützen. Ein Zeichen für den großen Teamgeist. "Solche Erlebnisse schweißen zusammen", sagt Trainer Wildersinn. Jeder gönne dem Mitspieler den Erfolg: "Das war hier nicht immer so." Und Vize-Kapitän Hägele findet: "Alle sind sehr bodenständig. Keiner denkt daran, was war oder was noch sein könnte. Es zählt nur das nächste Spiel."