
Kein Interesse? Keine Lust? Kein Platz? Spekulationen, warum die Sport-Berichterstattung dieser Redaktion seit einiger Zeit eine andere ist, gibt es viele. Warum wir alles auf den Kopf stellen? Auf jeden Fall nicht, um Sie zu ärgern! Es ist vielmehr so, dass die Leserforschung – online und analog – uns bestärken, den Weg weiterzuverfolgen, den wir aufgrund einer sich stetig verändernden Medienwelt eingeschlagen haben. Zahlen gefällig? Bitteschön!
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Der Lokalsport-Teil einer Tageszeitung erreicht im Schnitt nur fünf Prozent aller Leser. Das ergeben Untersuchungen der „Mehrwertmacher“, einer GmbH die sich mit der Zukunft des Journalismus beschäftigt und eine Tochter der DDV Mediengruppe ist. Seit 2012 hat die Einrichtung nach eigenen Angaben das Leseverhalten von 12 500 Zeitungslesern beobachtet und 840 000 Artikel mit mehr als 17 Millionen Bewertungen analysiert.
Die Methode
Für die Messungen des Lesewerts bekommen Leser einen Scanstift im Format eines Textmarkers und ein Smartphone. Mit dem Stift markieren Sie beim Lesen die Zeile des Artikels, bei der sie aufgehört haben zu lesen. Die Daten werden über eine App an die Redaktionen übertragen. So bekommen Journalisten fast in Echtzeit Feedback über ihre Arbeit und haben die Gelegenheit, darauf zu reagieren. Zu ähnlichen Ergebnissen wie die „Mehrwertmacher“ kommt auch der Medienforscher Carlo Imboden mit seinem „Readerscan“, der technisch ähnlich funktioniert.
Was sich in der Print-Leserforschung zeigt, deckt sich mit den Erkenntnissen, die wir bisher aus unseren Online-Auswertungen ziehen konnten. Seit etwa einem Jahr arbeiten wir mit so genannten Work- und Scoreboards. Mit ihnen können wir nicht nur messen, wie viele Zugriffe ein Artikel hat, sondern auch, wie weit er gelesen wird und wie lange User sich mit einem Text beschäftigen. Daraus ergibt sich ein Wert, der für uns messbar macht, welche Artikel gut ankommen und an welchen eher wenig Interesse besteht.
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Die drei Sport-Geschichten, die im Jahr 2019 am meisten Anklang fanden, waren ein Text über die Aufhebung der EU-Ausländer-Beschränkung im Eishockey, die Geschichte des ehemaligen Handballer Tobias Büttner, der sich nach einem schweren Unfall zurück ins Leben kämpfte und ein Bericht über die Würzburger Kickers, die sich entschieden, ihr U-23-Team abzumelden. Jeder dieser Artikel beschäftigt sich mit einem emotionalen Thema, zwei Berichte sind exklusiv und alle drei finden sich abseits der standardisierten Termin-Berichterstattung. Um uns um Themen wie diese kümmern zu können, brauchen wir als Redakteure Freiräume und diese schaffen wir, in dem wir immer mehr von der regulären, eng am Ligenbetrieb orientierten Berichterstattung Abstand nehmen.
Vorankündigungen und Spielberichte interessieren kaum
Auf diese Texte erhalten wir in der Regel schwache Resonanz. Vorankündigungen und Spielberichte interessieren und erreichen, das lässt sich messen, nur wenige Leser – außer sie gehen auf etwas Besonderes ein oder es handelt sich um die Partien der populärsten Teams aus der Region, sprich der Würzburger Kickers, des FC Schweinfurt 05, des TSV Aubstadt oder des Basketball-Bundesligisten s.Oliver Würzburg. Sie alle liefern auch über den normalen Spielbetrieb hinaus spannende Geschichten und rechtfertigen nicht zuletzt deshalb eine intensive Betreuung.
Was so genannte Randsportarten betrifft, haben wir die Erfahrung gemacht, dass sie nur dann von Interesse sind, wenn wir uns intensiv mit ihnen auseinandersetzen, Zusammenhänge erklären oder außergewöhnliche Akteure vorstellen. Dies versuchen wir unter anderem mit dem Format der „Donnerstagsgeschichten“ abzudecken.
Generell sehen wir uns anhand der Zahlen auf unserem Weg weg von der regulären Terminberichterstattung hin zu relevanten und emotionalen Geschichten bestärkt und wollen ihn weiter gehen. Was halten Sie von dem neuen Konzept? Diskutieren Sie mit uns am 4. beziehungsweise 5. Februar in Würzburg oder Schweinfurt (siehe Infokasten).