Mit mittlerweile 31 Jahren lässt sich Center Owen Klassen vom Basketball-Bundesligisten Würzburg Baskets nicht mehr von einem unglücklichen Auftritt aus der Ruhe bringen. Bei seiner Rückkehr aufs Parkett am vergangenen Samstag gegen Ulm feierte er sein Pflichtspieldebüt in der aktuellen Saison, mit vier Ballverlusten, und nur einer von fünf Feldwürfen fand sein Ziel.
"Zu 100 Prozent fühle ich mich noch nicht wie ich selbst", sagt Klassen über sein erstes Spiel. Noch aktiver in der Verteidigung, bessere Entscheidungen in der Offensive und die Ballverluste nennt der 2,08 Meter-Mann als verbesserungswürdige Punkte seines ersten Auftritts. "Im Spiel komme ich in Situationen, in denen ich vier Wochen nicht war", begründet er die teils unglücklichen Ballverluste. Die mangelnde Wettkampfpraxis war offensichtlich. Als Team erlaubten sich die Würzburger gegen Ulm 22 Turnover. Zu viele, um gegen den deutschen Meister gewinnen zu können.
Owen Klassen fühlte sich vom Team isoliert
Die Zeit, die er verpasst hat, sei hart gewesen, weil er nicht immer mit dem Team reisen konnte, um die Reha nicht zu verlängern. "Gerade zu Beginn der Saison ist es wichtig, als Team zusammen zu sein", sagt Klassen, der sich etwas isoliert fühlte, weil er mehr mit dem Physiotherapeuten als mit den Kollegen arbeitete.
Es war nicht Klassens erste Verletzung, aber die hartnäckigste seit einigen Jahren. In seiner ersten Saison als Profi spielte er in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. "Die Fans dort lieben den Basketball. Sogar so sehr, dass sie auch mal mit Münzen werfen, wenn wir verloren haben", erinnert er sich. Auch die Ärzte liebten offenbar ihren Verein, für Klassen wohl etwas zu sehr. Er hatte sich eine hartnäckige Bandscheibenverletzung zugezogen. Weil dort, so Klassen, der Erfolg des Teams über das Wohlergehen der Spieler gestellt wurde, sagten sie dem damals 23-jährigen Jungspund, dass man die Schmerzen mit Spritzen betäuben könne.
"Der Physiotherapeut war damals der Einzige, der ehrlich zu mir war. Er gab mir den Tipp, die Bilder einem Arzt zu zeigen, dem ich vertraue", erzählt Klassen. Im Februar 2015 kehrte er in seine Heimat Kanada zurück, ernüchtert vom ersten Erlebnis in Europa und mit der Angst, dass die Karriere schon vorbei sein könnte, bevor sie so richtig begonnen hatte. "Ich hatte solche Schmerzen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich jemals wieder Basketball spielen kann", beschreibt Klassen heute die Situation.
Glücklicherweise traf er in Kanada einen Physiotherapeuten und Fitnesstrainer, der mit ihm an seinen Schwächen arbeitete. Der damalige Bundesligist Phoenix Hagen holte Klassen in die BBL, wo seine Karriere an Fahrt aufnahm. Über Montenegro und das "Abenteuer Griechenland", wo er und einige andere Spieler nur unregelmäßig bezahlt wurden, landete Klassen 2017 zum ersten Mal in Würzburg.
Auch wegen seiner Verletzungshistorie kümmert sich Klassen heute anders um seinen Körper. Für den lädierten Knöchel, der ihn zuletzt zum Pausieren zwang, macht Klassen immer wieder Stabilisationsübungen, dazu nutzt er auch die Kältekammer, die bei den Würzburg Baskets im Trainingszentrum steht. Drei Minuten steht Klassen in Unterhose, mit Mütze, Handschuhen und Mundschutz bekleidet bei minus 75 Grad Celsius im Gefrierschrank. "Es ist gut für die Regeneration", erklärt Athletiktrainer Paco Scekic. "Ich mache jeden Tag vor dem Training 45 bis 60 Minuten Kräftigungs- und Dehnübungen", sagt Klassen. Mache er das mal nicht, spüre er es direkt am nächsten Tag.
Mittlerweile fühlt er sich nach Stationen in Ludwigsburg, Braunschweig und Oldenburg in Deutschland heimisch. Er und seine Frau verstehen einige Brocken Deutsch, das Geld ist immer pünktlich auf dem Konto und das 18 Monate alte Töchterchen Matilda geht seit wenigen Wochen in die Kita.
Spiele gegen die Ex-Klubs sind besonders
Was zur großen Besonderheit von Owen Klassen führt. Wer in Würzburg zwischen dem Stadtteil Heuchelhof und dem Trainingszentrum in der Zellerau unterwegs ist, dem werden die auffällig rot-schwarz lackierten Autos mit dem Logo der Baskets wohl aufgefallen sein. Der Verein stellt allen Spielern die Wagen zur Verfügung. Klassen fährt aktuell trotzdem mit der Straßenbahn zum Training. Weil Töchterchen Matilda noch nicht alleine in der Kita bleiben will, "braucht meine Frau vormittags das Auto", sagt Klassen. Die Fahrt mit der Straßenbahn sei für ihn aber auch eine Art Entspannung vor dem Training.
Am Samstag trifft Klassen mit Gegner Braunschweig auf eines seiner Ex-Teams. "Das sind meine Lieblingsspiele. Ich kenne noch die Tischler-Brüder, Martin Peterka und den Trainer Jesus Ramirez", sagt er. Außerdem sei seine Tochter in Braunschweig geboren.
Koné und Böhmer fehlen weiterhin
Würzburg Baskets – Basketball Löwen Braunschweig (Samstag, 18.30 Uhr)