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Fussball: Europameisterschaft
So würde Olaf Thon die Nationalelf für das Portugal-Spiel umbauen
Der Weltmeister von 1990 sagt, dass die DFB-Elf das 0:1 gegen Frankreich schöngeredet habe. Im Interview erklärt er, was sich heute ändern muss und warum er an das Team glaubt.
Mit der Nationalmannschaft holte er 1990 den Weltmeistertitel: Olaf Thon. Dem DFB-Team traut er bei dieser Europameisterschaft noch einiges zu.
Foto: Juha Tamminen | Mit der Nationalmannschaft holte er 1990 den Weltmeistertitel: Olaf Thon. Dem DFB-Team traut er bei dieser Europameisterschaft noch einiges zu.
Felix Mock
Felix Mock
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:49 Uhr

Zwei Punkte in der Vita des Olaf Thon genügen, um sein Engagement in der kommenden Woche zu rechtfertigen: Weltmeister 1990, Uefa-Cup-Sieger 1997. Letzterer als Kapitän der legendären Eurofighter des FC Schalke 04. In der kommenden Woche wird der inzwischen 55-Jährige als Experte Teil des Morgenmagazins der ARD sein, das live aus Veitshöchheim senden wird. In der Würzburger Vorortgemeinde, genauer im Ortsteil Gadheim, befindet sich seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU deren geografischer Mittelpunkt. Im Interview spricht der gebürtige Gelsenkirchener über die Nationalmannschaft, den Abstieg seines Herzensklubs und die Zukunft des Fußballs.

Herr Thon, hätten Sie als ehemaliger Libero die Hereingabe des Franzosen Lucas Hernandez erfolgreich abgewehrt oder ähnlich unglücklich ausgesehen wie Mats Hummels?

Olaf Thon: In so einer Situation haben es größere Spieler ein bisschen schwerer als ich. Mir ist das meistens mit dem Kopf passiert, da müssen Sie nur Andreas Köpke oder Jens Lehmann fragen. Die Aktion von Hummels war natürlich bitter. Wenn man den Ball so treffen will, schafft man es nicht. Aber solche Dinge passieren. Franz Beckenbauer hatte in seiner Karriere fünf oder mehr Eigentore, und er war der Kaiser.

Weltmeister 1990: Olaf Thon reckt den Pokal in die Höhe.
Foto: STUDIO FOTOGRAFICO BUZZI SRL  | Weltmeister 1990: Olaf Thon reckt den Pokal in die Höhe.
Zumal es nur die halbe Wahrheit wäre, die Niederlage gegen Frankreich an diesem Eigentor festzumachen.

Thon: Richtig. Die Stürmer fanden nicht statt, im Mittelfeld haben sich Ilkay Gündogan und Toni Kroos viel zu weit zurückgezogen und nie die entscheidenden Pässe in die Tiefe gespielt. Das war zu wenig.

War Frankreich schlicht zu stark?

Thon: Hernandez, Pogba oder auch Griezmann oder Mbappé – das sind Einzelspieler, die wesentlich mehr gebracht haben als unsere Spieler vom Format Weltklasse. Die Franzosen sind zusammen mit den Italienern in meinen Augen die großen Favoriten auf den Titel.

Der nächste Gegner heißt Portugal. Wie würde der Ex-Trainer Olaf Thon auf Ronaldo und Co. reagieren?

Thon: Ich bin ja nur ein kleiner Trainer gewesen. Grundsätzlich sehe ich Timo Werner stärker als Leroy Sané. Zudem würde ich Emre Can bringen, er bringt den gewissen Spirit mit. Auch wenn es nicht seine Lieblingsposition ist, auf der rechten Seite in der Fünferkette. Aber da kann eigentlich jeder spielen. Früher hat man gesagt: Da stellst du halt den hin, der die Linie rauf und runter laufen kann.

Joshua Kimmich gehört für Sie also ins Mittelfeld.

Thon: Ja. Schon alleine als Zeichen nach dem Spiel gegen Frankreich. Die Spieler haben das schöner- und bessergeredet, als es wirklich war. Die Franzosen haben mit angezogener Handbremse gespielt. Kimmich ist in der Zentrale wertvoller, egal, ob mit Kroos oder Gündogan. 

Als Trainer blieb es in Ihrer Laufbahn bei einer Station, dem VfB Hüls in der NRW-Liga. Stattdessen sind Sie als TV-Experte und Kolumnist...

Thon: (ruft dazwischen) Über 20 Jahre schon!

...unterwegs. Macht der Job vor der Kamera einfach mehr Spaß?

Thon: Man muss sich irgendwann mal entscheiden. Ich habe meinen Trainerschein 2004 zusammen mit Jürgen Klopp gemacht, bin dann aber erst andere Dinge angegangen und habe nicht sofort den Weg des Trainers eingeschlagen. Das habe ich versäumt und mich stattdessen auf die Wirtschaft konzentriert. 

Sie waren von 2005 bis 2008 im Aufsichtsrat des FC Schalke 04, danach in der Marketingabteilung des Klubs beschäftigt und sind jetzt als offizieller Repräsentant des Vereins für die Traditionself zuständig. Haben Sie den Abstieg in die Zweite Bundesliga bereits verdaut?

Thon: Wir haben ja bald Juli, es geht also schon bald wieder los. Wir haben den Abstieg verarbeitet, basteln am neuen Kader und haben mit Rouven Schröder einen neuen Sportdirektor verpflichtet. Wir müssen alle zusammen helfen, dass Schalke 04 wieder erfolgreich ist. Es wird aber eine harte Saison.

Schalke hat in der zweiten Liga mit dem HSV und Werder Bremen namhafte Konkurrenz. Macht das den Abstieg etwas erträglicher?

Thon: Geteiltes Leid ist halbes Leid, könnte man sagen – das stimmt aber nicht. Das sieht zwar auf dem Papier schön aus, aber Schalke gehört in die erste Liga. Ich hoffe, dass wir sofort wieder aufsteigen. Dass das schwer wird und ganz anders enden kann, weiß ich. Der HSV schafft es nicht, Klubs wie der 1. FC Kaiserslautern stürzen fast in die Viertklassigkeit. 

Sollten Sie sich schon frühzeitig mit der Zweiten Liga beschäftigt haben, haben Sie sicherlich auch das ein oder andere Spiel der Würzburger Kickers gesehen.

Thon: Natürlich. Man kennt die Spieler  zwar nicht so gut wie die in der Bundesliga, aber man muss sich vorbereiten und wissen, was da auf einen zukommt.

'Sein' FC Schalke 04 tritt in der kommenden Saison in der Zweiten Bundesliga an.
Foto: picture alliance/dpa | "Sein" FC Schalke 04 tritt in der kommenden Saison in der Zweiten Bundesliga an.
Ein Duell mit den Kickers wird es nach deren Abstieg in die Dritte Liga aber nicht geben.

Thon: Ich habe das ja auch gesehen. Da waren schon viele knappe Entscheidungen dabei, die man durchaus anders hätte treffen können. Bei diesem Abstieg war viel Schiedsrichterei dabei. Aber man sagt ja, dass sich das immer wieder ausgleicht. Vielleicht im nächsten Jahr. 

Einen sportlichen Grund, nach Würzburg zu kommen, gibt es für Sie als Schalker erstmal nicht. Nächste Woche sind Sie trotzdem in der Region: als Experte beim ARD-Morgenmagazin, gesendet wird vom Mittelpunkt der EU in Veitshöchheim. Ein Gastgeberland gibt es bei dieser EM nicht – geht da nicht irgendwas verloren?

Thon: Die Idee des damaligen Uefa-Präsidenten Michel Platini, in elf Ländern spielen zu lassen, finde ich sehr interessant. Ob da Baku (die Hauptstadt des Aserbaidschan und einer der Austragungsorte, Anm. d. Redaktion) dabei sein muss, sei dahingestellt. Aber den Versuch finde ich spannend. Bei diesem einen Mal sollte es dann aber auch bleiben. 

Als "interessant" ließe sich auch die anstehende WM im Winter in Katar beschreiben.

Thon: Das wird auch wieder etwas ganz Besonderes. Eine heiße Geschichte. Aber der Fußball verändert sich, die Zuschauer verändern sich. Da stellt sich die Frage, ob man das mitmacht. Die Superliga ist auch so ein Thema. Ich meine: Wir werden uns dem nicht entziehen können. 

Können Sie dennoch die Kritik der Fans nachvollziehen, die sagen, der Fußball würde sich zu weit von ihnen entfernen?

Thon: Absolut. In ein Stadion zu kommen, wird immer komplizierter. Am Ende will man doch einfach ein Fußballspiel sehen. Man muss nah am Puls der Fans bleiben. Zustände wie in Amerika, wo ein Klub von einem Staat in den andern umsiedelt, darf es hier niemals geben.

Zurück zur Nationalmannschaft: Nach diesem Turnier wird Hansi Flick als Trainer übernehmen. Ist er der Richtige?

Thon: Es gab sicherlich noch andere Kandidaten. Ich denke da an Stefan Kuntz, der jetzt mit der U21 den Titel geholt hat. Aber ich traue Hansi Flick zu, eine Wende herbeizuführen. Nachdem wir Weltmeister geworden sind, haben wir enttäuscht. Der Bundestrainer ist zwei, drei Jahre zu spät abgetreten. Dass man ihm die Entscheidung überlassen hat, ist angesichts seines Verdiensts verständlich. Jetzt hat er gerade noch die Reißleine gezogen. 

Flick ist also der richtige Mann für den Job?

Thon: Er kennt den DFB, wird aber trotzdem nicht nach der Pfeife von Oliver Bierhoff tanzen, sondern sich an seinen eigenen Ideen versuchen. Ich denke, dass für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Ich wünsche ihm alles Gute. Einfach wird es aber nicht. Aber schlechter werden kann es nicht, weniger als in der Vorrunde ausscheiden geht nicht.

Lautet so Ihre Prognose für die Nationalmannschaft bei dieser EM?

Thon: Nein. Wir werden weiterkommen – fraglich ist, ob als Zweiter oder Dritter. Wir spielen gegen Portugal unentschieden und gewinnen gegen Ungarn. Und dann muss man sich ins Turnier kämpfen, so wie unter Berti Vogts 1996. Form schlägt Klasse! Und ab dem Achtelfinale ist sowieso alles möglich.

 
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