Zwei Punkte in der Vita des Olaf Thon genügen, um sein Engagement in der kommenden Woche zu rechtfertigen: Weltmeister 1990, Uefa-Cup-Sieger 1997. Letzterer als Kapitän der legendären Eurofighter des FC Schalke 04. In der kommenden Woche wird der inzwischen 55-Jährige als Experte Teil des Morgenmagazins der ARD sein, das live aus Veitshöchheim senden wird. In der Würzburger Vorortgemeinde, genauer im Ortsteil Gadheim, befindet sich seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU deren geografischer Mittelpunkt. Im Interview spricht der gebürtige Gelsenkirchener über die Nationalmannschaft, den Abstieg seines Herzensklubs und die Zukunft des Fußballs.
Olaf Thon: In so einer Situation haben es größere Spieler ein bisschen schwerer als ich. Mir ist das meistens mit dem Kopf passiert, da müssen Sie nur Andreas Köpke oder Jens Lehmann fragen. Die Aktion von Hummels war natürlich bitter. Wenn man den Ball so treffen will, schafft man es nicht. Aber solche Dinge passieren. Franz Beckenbauer hatte in seiner Karriere fünf oder mehr Eigentore, und er war der Kaiser.
Thon: Richtig. Die Stürmer fanden nicht statt, im Mittelfeld haben sich Ilkay Gündogan und Toni Kroos viel zu weit zurückgezogen und nie die entscheidenden Pässe in die Tiefe gespielt. Das war zu wenig.
Thon: Hernandez, Pogba oder auch Griezmann oder Mbappé – das sind Einzelspieler, die wesentlich mehr gebracht haben als unsere Spieler vom Format Weltklasse. Die Franzosen sind zusammen mit den Italienern in meinen Augen die großen Favoriten auf den Titel.
Thon: Ich bin ja nur ein kleiner Trainer gewesen. Grundsätzlich sehe ich Timo Werner stärker als Leroy Sané. Zudem würde ich Emre Can bringen, er bringt den gewissen Spirit mit. Auch wenn es nicht seine Lieblingsposition ist, auf der rechten Seite in der Fünferkette. Aber da kann eigentlich jeder spielen. Früher hat man gesagt: Da stellst du halt den hin, der die Linie rauf und runter laufen kann.
Thon: Ja. Schon alleine als Zeichen nach dem Spiel gegen Frankreich. Die Spieler haben das schöner- und bessergeredet, als es wirklich war. Die Franzosen haben mit angezogener Handbremse gespielt. Kimmich ist in der Zentrale wertvoller, egal, ob mit Kroos oder Gündogan.
Thon: (ruft dazwischen) Über 20 Jahre schon!
Thon: Man muss sich irgendwann mal entscheiden. Ich habe meinen Trainerschein 2004 zusammen mit Jürgen Klopp gemacht, bin dann aber erst andere Dinge angegangen und habe nicht sofort den Weg des Trainers eingeschlagen. Das habe ich versäumt und mich stattdessen auf die Wirtschaft konzentriert.
Thon: Wir haben ja bald Juli, es geht also schon bald wieder los. Wir haben den Abstieg verarbeitet, basteln am neuen Kader und haben mit Rouven Schröder einen neuen Sportdirektor verpflichtet. Wir müssen alle zusammen helfen, dass Schalke 04 wieder erfolgreich ist. Es wird aber eine harte Saison.
Thon: Geteiltes Leid ist halbes Leid, könnte man sagen – das stimmt aber nicht. Das sieht zwar auf dem Papier schön aus, aber Schalke gehört in die erste Liga. Ich hoffe, dass wir sofort wieder aufsteigen. Dass das schwer wird und ganz anders enden kann, weiß ich. Der HSV schafft es nicht, Klubs wie der 1. FC Kaiserslautern stürzen fast in die Viertklassigkeit.
Thon: Natürlich. Man kennt die Spieler zwar nicht so gut wie die in der Bundesliga, aber man muss sich vorbereiten und wissen, was da auf einen zukommt.
Thon: Ich habe das ja auch gesehen. Da waren schon viele knappe Entscheidungen dabei, die man durchaus anders hätte treffen können. Bei diesem Abstieg war viel Schiedsrichterei dabei. Aber man sagt ja, dass sich das immer wieder ausgleicht. Vielleicht im nächsten Jahr.
Thon: Die Idee des damaligen Uefa-Präsidenten Michel Platini, in elf Ländern spielen zu lassen, finde ich sehr interessant. Ob da Baku (die Hauptstadt des Aserbaidschan und einer der Austragungsorte, Anm. d. Redaktion) dabei sein muss, sei dahingestellt. Aber den Versuch finde ich spannend. Bei diesem einen Mal sollte es dann aber auch bleiben.
Thon: Das wird auch wieder etwas ganz Besonderes. Eine heiße Geschichte. Aber der Fußball verändert sich, die Zuschauer verändern sich. Da stellt sich die Frage, ob man das mitmacht. Die Superliga ist auch so ein Thema. Ich meine: Wir werden uns dem nicht entziehen können.
Thon: Absolut. In ein Stadion zu kommen, wird immer komplizierter. Am Ende will man doch einfach ein Fußballspiel sehen. Man muss nah am Puls der Fans bleiben. Zustände wie in Amerika, wo ein Klub von einem Staat in den andern umsiedelt, darf es hier niemals geben.
Thon: Es gab sicherlich noch andere Kandidaten. Ich denke da an Stefan Kuntz, der jetzt mit der U21 den Titel geholt hat. Aber ich traue Hansi Flick zu, eine Wende herbeizuführen. Nachdem wir Weltmeister geworden sind, haben wir enttäuscht. Der Bundestrainer ist zwei, drei Jahre zu spät abgetreten. Dass man ihm die Entscheidung überlassen hat, ist angesichts seines Verdiensts verständlich. Jetzt hat er gerade noch die Reißleine gezogen.
Thon: Er kennt den DFB, wird aber trotzdem nicht nach der Pfeife von Oliver Bierhoff tanzen, sondern sich an seinen eigenen Ideen versuchen. Ich denke, dass für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Ich wünsche ihm alles Gute. Einfach wird es aber nicht. Aber schlechter werden kann es nicht, weniger als in der Vorrunde ausscheiden geht nicht.
Thon: Nein. Wir werden weiterkommen – fraglich ist, ob als Zweiter oder Dritter. Wir spielen gegen Portugal unentschieden und gewinnen gegen Ungarn. Und dann muss man sich ins Turnier kämpfen, so wie unter Berti Vogts 1996. Form schlägt Klasse! Und ab dem Achtelfinale ist sowieso alles möglich.