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Veitshöchheim
Neuer Mittelpunkt der EU: Gadheim feiert eine historische Nacht
Es herrschte keine Jubelstimmung, aber eine ordentliche Feier war's schon: Über 300 Veitshöchheimer verbrachten die Brexit-Nacht auf einem Acker in Gadheim (Lkr. Würzburg).
Der historische Augenblick: Bürgermeister Georg Götz (Dritter von links) holt die Europafahne ein, um sie, versehen mit Trauerflor, erneut zu hissen.
Foto: Fabian Gebert | Der historische Augenblick: Bürgermeister Georg Götz (Dritter von links) holt die Europafahne ein, um sie, versehen mit Trauerflor, erneut zu hissen.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 16.12.2021 12:00 Uhr

Über 300 Neugierige aus Veitshöchheim und Umgebung wollten sich diese historische Nacht nicht entgehen lassen: Nach dem Austritt von Großbritannien liegt der geografische Mittelpunkt der Europäischen Union auf einem Acker am Rande des 80-Einwohner-Weilers Gadheim im Landkreis Würzburg.

Es ist kurz nach Mitternacht, als Bürgermeister Jürgen Götz, begleitet von den Klängen des Musikvereins, die Europafahne einholt, um sie danach, versehen mit Trauerflor, erneut zu hissen. "Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer ..." Viele Zuhörer stimmen bei dem beliebten Pfadfinder-Song, der ursprünglich aus England stammt, mit ein - und sorgen für den feierlichen Rahmen. Für zwei Minuten ist sogar die ganze Republik live dabei: Die ARD-"Tagesthemen" schalten während einer Sondersendung zum Brexit nach Unterfranken. Später spielen die 30 Musiker, dirigiert von Stefan Wagner, die Europahymne. 

Der Musikverein Veitshöchheim mit Dirigent Stefan Wagner gestaltete die Feier musikalisch.
Foto: Fabian Gebert | Der Musikverein Veitshöchheim mit Dirigent Stefan Wagner gestaltete die Feier musikalisch.


Es ist zwölf Grad mitten in der Nacht, fast Frühling. Feuerwehr und Bauhof haben den kleinen, aber fein hergerichteten Platz gut ausgeleuchtet. Die Stimmung ist feierlich, aber nicht ausgelassen. "Mir tut das richtig weh, dass die Briten gehen", sagt der Veitshöchheimer Harald Blankart. Er glaubt, die Menschen auf der Insel werden den Brexit noch bereuen. Andere freuen sich mit Gadheim. "Das ganze Dorf kann stolz auf den EU-Mittelpunkt sein", lobt Silvia Ziegler. Sie ist gemeinsam mit den "Vergnügungsssüchtigen Frauen Veitshöchheim" gekommen. Die fröhliche Truppe hat Europa immer mal wieder beim Faschingszug thematisiert, zuletzt 2019 in Schottenröcken. "Stellen wir Schotten uns beim Brexit quer, wird's mit dem Mittelpunkt nichts mehr", lautete damals das Motto. Ob es eines Tages so kommt? Wer weiß das schon in dieser historischen Nacht. 

Fröhlich feiern die Veitshöchheimer und Gadheimer ihren EU-Mittelpunkt.
Foto: Fabian Gebert | Fröhlich feiern die Veitshöchheimer und Gadheimer ihren EU-Mittelpunkt.

Karin Keßler ist mit ihren Söhnen Michael und Philipp vor Ort. Ihr gehört der Acker, den die Gemeinde gepachtet hat, um den Platz rund um den EU-Mittelpunkt anzulegen. Europa ist der Familie ein Herzensanliegen, Vater und Großvater Edmund Kilian hatte als Weltkriegsteilnehmer immer wieder gemahnt, diese Idee gegen den Nationalismus hoch zu halten, der seine Jugend verdorben hat. Vor knapp einem Jahr ist Kilian gestorben. So schön es ist, den EU-Mittelpunkt nun vor der Haustür zu haben, auch die Keßlers haben in dieser Nacht gemischte Gefühle.

Bürgermeister Götz: "Europa lebt"

Zu diesen bekennt sich auch der Bürgermeister in einer kurzen Ansprache. Gadheim werde leider nicht neuer Mittelpunkt, weil die EU erweitert wird, so wie es bisher immer der Fall war. Erstmals verändere sich dieser Punkt, weil mit Großbritannien ein Mitglied aus der Gemeinschaft austritt. Dieser Entwicklung gelte es sich entgegenzustellen, sagt Götz. Gerne gebe man den EU-Mittelpunkt eines Tages auch wieder ab, wenn etwa der Kosovo oder Serbien neu in die EU hinzu oder die Schotten zurückkommen. 

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Veitshöchheim stehe mit seiner Geschichte für das geeinte Europa, so der Bürgermeister weiter. Schon der heilige Vitus, der Namenspatron der Gemeinde, stamme aus Sizilien. Das Schloss und den Rokoko-Garten hätten Künstler aus ganz Europa gestaltet. Aktuell führe neben dem Jakobsweg auch die zentrale europäische Gas-Pipeline durch Gadheim. Veitshöchheim pflege Freundschaft mit Partnern in Frankreich, Italien und Tschechien. Der Bundeswehr-Standort sichere die Friedensgemeinschaft, zur hier angesiedelten Panzerdivision gehöre die gemeinsame Deutsch-Französische Brigade. "Europa lebt", ruft Götz unter dem Beifall des Publikums. 

Westerngrund setzt Fahnen auf Halbmast 

Mit dabei in der historischen Nacht ist auch Brigitte Heim, die Bürgermeisterin von Westerngrund (Lkr. Aschaffenburg). Sechseinhalb Jahre lag der EU-Mittelpunkt im Kahlgrund. Freitagmittag hat man dort dann die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Heim warnt ebenfalls vor einem "Zerbröseln Europas", freute sich aber gleichzeitig mit den Veitshöchheimern. "Genießt den EU-Mittelpunkt", sagt sie - und überreicht Götz ein Säckchen Westerngrunder Erde, das nun auf der neben dem Mittelpunkt geplanten Insektenwiese verstreut werden soll. 

Wenn schon, denn schon: 'Ehrlichen schottischen Whisky' schenkten die Gemeinderäte Andreas Cramer (rechts) und Steffen Mucha am EU-Mittelpunkt aus.
Foto: Fabian Gebert | Wenn schon, denn schon: "Ehrlichen schottischen Whisky" schenkten die Gemeinderäte Andreas Cramer (rechts) und Steffen Mucha am EU-Mittelpunkt aus.

Bis kurz vor halb zwei dauert das Fest. Mit dabei sind unter anderem auch die ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Altbürgermeister Rainer Kinzkofer, CSU-Landtagsabgeordneter Manfred Ländner und Grünen-Bezirksrätin Christina Feiler. Die Gemeinde spendiert Bier, Würstchen kommen vom nahen Markushof, der Ausbildungsstätte von Caritas-Don-Bosco. Domkapitular Clemens Bieber, der Diözesanvorsitzende der Caritas, spricht von einer "guten Nachbarschaft mit Herz", die man mit dem EU-Mittelpunkt pflegen wolle. "Und die wir uns auch in Europa wünschen." 

Fotoserie
Insektenwiese am EU-Mittelpunkt
"Unterstützen sie die Artenvielfalt im Herzen der Europäischen Union." Karin Keßler, die Eigentümerin des Feldes, auf dem der EU-Mittelpunkt in Gadheim liegt, will auf dem 1,3 Hektar großen Acker direkt nebenan eine Blumenwiese anlegen, auf der sich dann möglichst schon heuer im Spätsommer viele Insekten tummeln. Gemeinsam mit Bienenfreund Jürgen Goj sucht sie Blühpaten, die das Projekt finanzieren. 40 Euro pro Jahr soll die Patenschaft für hundert Quadratmeter kosten, über 40 sind laut Keßler bereits zugesagt. Info: insektenwiese@gmx.de  
 
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Kommentare
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  • gaibach@t-online.de
    Vielleicht könnte die MAIN-POST ihren Lesern mal erklären, wie der Mittelpunkt berechnet wird - oder hab ich das vielleicht überlesen ?
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  • Pfadfinder-Song? "Auld Lang Syne" stammt nicht aus England sondern ist ein altes schottisches Lied, bearbeitet u.a. vom schottischen Nationaldichter Robert Burns 1788.
    Gelernt habe ich es 1962 in der 1. Klasse OB beim Englischlehrer Burkholz und während meiner beiden Schottlandjahre sehr oft mitgesungen.
    Gruß aus Mexiko
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  • Michael Fischer
    Nur Schwachsinn und dies wird noch bejubelt.
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  • belphegor
    na ja, dass Markus Söder wieder etwas zum Einweihen hat.
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  • Leer
    Und jetzt? Was nützt es?
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