Über 300 Neugierige aus Veitshöchheim und Umgebung wollten sich diese historische Nacht nicht entgehen lassen: Nach dem Austritt von Großbritannien liegt der geografische Mittelpunkt der Europäischen Union auf einem Acker am Rande des 80-Einwohner-Weilers Gadheim im Landkreis Würzburg.
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Es ist kurz nach Mitternacht, als Bürgermeister Jürgen Götz, begleitet von den Klängen des Musikvereins, die Europafahne einholt, um sie danach, versehen mit Trauerflor, erneut zu hissen. "Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer ..." Viele Zuhörer stimmen bei dem beliebten Pfadfinder-Song, der ursprünglich aus England stammt, mit ein - und sorgen für den feierlichen Rahmen. Für zwei Minuten ist sogar die ganze Republik live dabei: Die ARD-"Tagesthemen" schalten während einer Sondersendung zum Brexit nach Unterfranken. Später spielen die 30 Musiker, dirigiert von Stefan Wagner, die Europahymne.
Karin Keßler ist mit ihren Söhnen Michael und Philipp vor Ort. Ihr gehört der Acker, den die Gemeinde gepachtet hat, um den Platz rund um den EU-Mittelpunkt anzulegen. Europa ist der Familie ein Herzensanliegen, Vater und Großvater Edmund Kilian hatte als Weltkriegsteilnehmer immer wieder gemahnt, diese Idee gegen den Nationalismus hoch zu halten, der seine Jugend verdorben hat. Vor knapp einem Jahr ist Kilian gestorben. So schön es ist, den EU-Mittelpunkt nun vor der Haustür zu haben, auch die Keßlers haben in dieser Nacht gemischte Gefühle.
Bürgermeister Götz: "Europa lebt"
Zu diesen bekennt sich auch der Bürgermeister in einer kurzen Ansprache. Gadheim werde leider nicht neuer Mittelpunkt, weil die EU erweitert wird, so wie es bisher immer der Fall war. Erstmals verändere sich dieser Punkt, weil mit Großbritannien ein Mitglied aus der Gemeinschaft austritt. Dieser Entwicklung gelte es sich entgegenzustellen, sagt Götz. Gerne gebe man den EU-Mittelpunkt eines Tages auch wieder ab, wenn etwa der Kosovo oder Serbien neu in die EU hinzu oder die Schotten zurückkommen.
Veitshöchheim stehe mit seiner Geschichte für das geeinte Europa, so der Bürgermeister weiter. Schon der heilige Vitus, der Namenspatron der Gemeinde, stamme aus Sizilien. Das Schloss und den Rokoko-Garten hätten Künstler aus ganz Europa gestaltet. Aktuell führe neben dem Jakobsweg auch die zentrale europäische Gas-Pipeline durch Gadheim. Veitshöchheim pflege Freundschaft mit Partnern in Frankreich, Italien und Tschechien. Der Bundeswehr-Standort sichere die Friedensgemeinschaft, zur hier angesiedelten Panzerdivision gehöre die gemeinsame Deutsch-Französische Brigade. "Europa lebt", ruft Götz unter dem Beifall des Publikums.
Westerngrund setzt Fahnen auf Halbmast
Mit dabei in der historischen Nacht ist auch Brigitte Heim, die Bürgermeisterin von Westerngrund (Lkr. Aschaffenburg). Sechseinhalb Jahre lag der EU-Mittelpunkt im Kahlgrund. Freitagmittag hat man dort dann die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Heim warnt ebenfalls vor einem "Zerbröseln Europas", freute sich aber gleichzeitig mit den Veitshöchheimern. "Genießt den EU-Mittelpunkt", sagt sie - und überreicht Götz ein Säckchen Westerngrunder Erde, das nun auf der neben dem Mittelpunkt geplanten Insektenwiese verstreut werden soll.
Bis kurz vor halb zwei dauert das Fest. Mit dabei sind unter anderem auch die ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Altbürgermeister Rainer Kinzkofer, CSU-Landtagsabgeordneter Manfred Ländner und Grünen-Bezirksrätin Christina Feiler. Die Gemeinde spendiert Bier, Würstchen kommen vom nahen Markushof, der Ausbildungsstätte von Caritas-Don-Bosco. Domkapitular Clemens Bieber, der Diözesanvorsitzende der Caritas, spricht von einer "guten Nachbarschaft mit Herz", die man mit dem EU-Mittelpunkt pflegen wolle. "Und die wir uns auch in Europa wünschen."
Gelernt habe ich es 1962 in der 1. Klasse OB beim Englischlehrer Burkholz und während meiner beiden Schottlandjahre sehr oft mitgesungen.
Gruß aus Mexiko