
Es hätte angenehmere Gegner gegeben, um nach der Pokal- und Länderspielunterbrechung wieder ins Geschehen einzugreifen. Die Suche nach dem Rhythmus ist nach einer solchen Pause noch etwas ausgeprägter als gewöhnlich. Und wenn es dann gleich gegen ein Team wie die MHP Riesen Ludwigsburg geht, das es zu seinem Markenkern gemacht hat, stets mit einer an der Grenze des Erlaubten agierenden defensiven Spielweise den Kontrahenten kaum Entfaltungsmöglichkeiten zu geben – dann kann man erahnen, welchen Kraftakt Basketball-Bundesligist FIT/One Würzburg Baskets am Samstagabend zu bewältigen hatte.
Doch die Gastgeber lösten die Herkulesaufgabe vor mehr als 3000 Zuschauerinnen und Zuschauern in der nahezu ausverkauften tectake Arena mit Bravour, siegten dank eines 28:9-Schlussviertels mit 77:60 (35:30) und zementierten mit ihrem elften Saisonsieg ihre Ansprüche im Kampf um die Play-off-Plätze.
"Ein großes Lob an die Spieler. Sie haben um jeden Ball gekämpft und den Spielplan sehr gut umgesetzt. Ludwigsburg ist ein schwer zu spielendes, sehr athletisches Team, das 40 Minuten presst. Wir haben das erwartet. Aber du kannst dich noch so gut vorbereiten, auf dem Parkett zählt das dann alles nicht. Daher bin ich glücklich, dass wir unsere Nerven und unseren Fokus behalten haben", resümierte Baskets-Cheftrainer Sasa Filipovski sichtlich zufrieden.
Ludwigsburger Spielweise ist berühmt und berüchtigt
Dass Ludwigsburgs Trainer John Patrick für seine "40 Minuten Hölle"-Spielweise in der Liga berühmt und berüchtigt ist, ist nicht neu. In Würzburg erinnern sich die Fans nur allzu gut an die Saison 2011/12, als der US-Amerikaner in der Domstadt die Verantwortung trug und den damaligen Aufsteiger sensationell ins Play-off-Halbfinale führte.
Doch schon damals gefiel nicht allen die Art, wie Patrick die Mannschaft agieren ließ. Als "Metzger-Basketball" hatte Berlins Manager Marco Baldi einst die harte Gangart kritisiert. Trotz des Erfolgs musste Patrick nach nur einem Jahr die Baskets wieder verlassen, über die Gründe schweigen die Klub-Verantwortlichen bis heute. Geändert hat sich über all die Jahre seitdem wenig am Patrick'schen Spielstil.
Owen Klassen zeigt starken Auftritt
"Du weißt, was du bekommst, wenn du gegen Ludwigsburg spielst und darfst dich nicht unterkriegen lassen. Du musst gegen dieses Physis, die dich natürlich trotzdem manchmal frustriert, weil nicht alles klappt, was man sich vorgenommen hat, immer den Kopf oben lassen und die nötige mentale Härte an den Tag legen", sagte Center Owen Klassen, der einmal mehr ein starkes Spiel ablieferte.
Mit dem 2,08-Meter-Defensivanker auf dem Parkett erzielten die Baskets 31 Zähler mehr als die Ludwigsburger. "Ich versuche der Mannschaft da zu helfen, wo sie mich braucht", gab sich Klassen bescheiden, und lobte vielmehr das Kollektiv für einen mannschaftlich geschlossenen Auftritt: "Wir haben schon die ersten drei Viertel sehr solide gespielt, haben in der Verteidigung die erhofften Stopps bekommen und im Angriff gute Würfe herausgespielt. Und wir waren in der Lage, im letzten Abschnitt nochmal zuzulegen."
Jhivvan Jackson dreht im Schlussviertel auf
Vor allem Jhivvan Jackson drehte in den letzten zehn Minuten auf. Bis 8:52 Minuten vor Spielende war der Liga-Topscorer ohne Zähler geblieben. Sein erfolgreicher Halbdistanzwurf zum 51:51-Ausgleich leitete dann aber einen vorentscheidenden 12:0-Lauf ein, zu dem der puerto-ricanische Spielmacher acht Punkte beisteuerte. "Wir fühlen uns immer wohl, wenn der Ball in Jhivvans Händen ist. Er hat uns in dieser schwierigen Phase wieder sehr geholfen", lobte Klassen seinen Anführer.
Ebenfalls helfen konnte Neuzugang Davion Mintz. Der US-Guard, während der Spielpause aus Ostende (Belgien) an den Main gelotst, war von Filipovski gleich in die Startformation beordert worden und gab ein vielversprechendes Debüt. "Für mich war es doch eine große Umstellung, aber meine erste Trainingswoche mit dem Team war gut. Und ich weiß, dass ich noch Fortschritte machen werde und dem Team noch mehr helfen kann", sagte der 26-Jährige.
Luxusprobleme im Kader
Für Mintz und auch den von einer Wadenverletzung kurierten Nelson Philipps mussten Aubrey Dawkins und Tyrese Williams ihren Platz im Kader räumen. Nur sechs der aktuell acht Import-Spieler sind laut Liga-Regularien einsatzberechtigt. "Ich habe mich für die beiden entschieden, da ich zwei zusätzliche Ballhandler im Team haben wollte", begründete Filipovski die Personal-Entscheidungen, die er eher als Luxusproblem ansieht.
"Ich bin glücklich, dass alle wieder an Bord sind. Letzten Monat war es schwieriger, als wir kaum Spieler zur Verfügung hatten und den Kader mit Spielern aus dem B-Team auffüllen müssten. Aubrey und Tyrese haben die Entscheidung professionell aufgefasst. Sie wissen, dass alle im Saisonverlauf noch gebraucht werden." Und das bereits am Dienstag. Da ist AEK Athen (18.30 Uhr, tectake Arena) zum Spitzenspiel in der Basketball Champions League in Würzburg zu Gast.
Basketball: Bundesliga, Männer
FIT/One Würzburg Baskets – MHP Riesen Ludwigsburg 77:60 (19:17, 16:13, 14:21, 28:9)
Würzburg: Seljaas 21, Lewis 16, Jackson 8, Klassen 7, Wank 7, Mintz 5, Steinbach 5, Bleck 3, Phillips 2, Ugrai (nicht eingesetzt). Ludwigsburg: Maldonado 20, Manjon 10, Ja. Patrick 10, Simon 8, Jo. Patrick 5, Williams 3, Polas Bartolo 3, Wohlfahrth-Bottermann 1, Pomberton, Scott, Feneberg, Tischler.
Rebounds: 37 – 40. Vorlagen: 19 – 17. Ballverluste: 14 – 16. Treffer aus dem Feld: 23/51 (45%) – 21/66 (32%). Dreier: 9/25 (36%) – 10/42 (24%). Freiwürfe: 22/28 (79%) – 8/14 (57%). Schiedsrichter: Zulfikar Oruzgani, Nermin Hodzic, Nicolas Rotter. Zuschauende: 3021.