
Florian Koch gab erst noch dem übertragenden Sender Magenta TV seine Sicht auf das Geschehene zum Besten. Dann stand er an der Bande, unterhielt sich ein wenig mit Athletik-Trainer Philipp Burneckas und blickte unters Dachjuchee in der Ulmer ratiopharm Arena. Dort tummelten sich seine Kollegen gerade unter die mitgereisten Anhänger und bereiteten sich auf die Humba vor. Koch schaute glücklich drein und lachte herzlich. Dann musste er sich sputen, um noch mitmachen zu können bei der nach einem Sieg zur Tradition gewordenen Herumhampelei und Hüpferei. Auf dem Rückweg in die Kabine stoppte er kurz und meinte: "In Ulm zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes. Vor allem wenn du letzte Saison schon in Würzburg gespielt und den Sieg hier am Schluss so hergeschenkt hast, wie wir das gemacht haben."
Diesen Gefallen tat Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg am Samstagabend den Hausherren nicht noch einmal und gewann erst zum zweiten Mal bei den Schwaben: Mit 82:73 (39:38) entschieden die Baskets die Begegnung für sich, fuhren also ihren vierten Sieg im siebten Saisonspiel ein und tankten Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben, die mindestens so wegweisend sein werden wie die Partie in Neu-Ulm: "So ein Sieg beflügelt einen natürlich", sagte Koch, der elf Punkte erzielte, eine starke Vorstellung ablieferte und - zusammen mit Felix Hoffmann (sechs Punkte) - ein Sonderlob von seinem Trainer abbekam: "Was Florian und Felix heute gezeigt haben, war sehr ordentlich", sagte Denis Wucherer.
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Der Baskets-Coach sah sich während der 40 Minuten an "einen Mittelgewichtsboxkampf" erinnert. Was er damit meinte: Es war bestimmt kein schönes Basketballspiel. Aber eines das seinen Unterhaltungswert vor allem aus der Spannung bezog. Zwölf Mal wechselte die Führung, und entschieden wurde die Partie erst in den letzten 90 Sekunden, als die Baskets entscheidend davonzogen. Auch weil sich die Hausherren nicht mehr anders zu helfen wussten, als die Würzburger immer wieder an die Freiwurflinie zu schicken - in der Hoffnung, den Baskets-Akteuren möge das Händchen zittern. Da sie sich aber ausgerechnet die drei sichersten Freiwerfer der Gäste auserkoren, tüteten Jordan Hulls und je zweimal Cameron Wells und Skyler Bowlin (der sich über seinen 1000. Bundesligapunkt freuen durfte und nun bei 1012 steht) den Sieg von der Linie aus ein.

Es war ein Erfolg, den Ulms Trainer Jaka Lakovic gleich zweimal als "totally deserved", also "absolut verdient", bezeichnete. Und eine mögliche Müdigkeit nach den kräftezehrenden Aufgaben der Ulmer zuletzt bei Alba Berlin in der Liga und im Eurocup in Bologna wollte der Coach auch nicht gelten lassen: "Das darf keine Ausrede sein und würde die sehr gute Leistung von Würzburg schmälern." Seit der Slowene Lakovic bei den Schwaben das Zepter schwingt, also seit dieser Runde, spielt das Baskets-Eigengewächs Maximilian Ugrai, der vergangene Saison noch zur festen Rotation gehört hatte, praktisch gar keine Rolle mehr an der Donau. Er wurde lediglich in zwei Partien für ein paar Minuten eingesetzt - gegen seinen ehemaligen Klub durfte der 24-Jährige nicht mal eine Sekunde aufs Parkett.
Dass beide Mannschaften "vor allem in der Offensive auf deutlich höherem Level spielen können", haben sie ja bereits gezeigt", meinte Wucherer, der in der ersten Hälfte vor allem Probleme bei den Ballverlusten (zehn, am Ende dann waren es 14) und beim Defensivrebound ausmachte: "Die vielen zweiten Chancen der Ulmer haben uns da wehgetan. Aber in der zweiten Hälfte haben wir das dann besser und genug richtig gemacht, um hier zu gewinnen." 22 Vorlagen verteilten seine Mannen, "und heute haben wir dann auch ein paar Freiwürfe getroffen". Nur einer von 18 Versuchen landete nicht im Korb.

Und so konnte auch der Neue einen weitgehend souverän zu Ende gespielten Sieg beaugenzeugen. "Junior" Etou ist nun also doch noch angekommen in Würzburg. Der 25-jährige Kongolese, zuletzt beim französischen Erstligisten Cholet Basket unter Vertrag, dort aber nicht glücklich, durfte den Klub jetzt doch überraschend verlassen, nachdem es zuvor danach ausgesehen hatte, dass sich seine Verpflichtung zerschlagen hatte. "Und dann ging alles ganz fix", meinte Wucherer. „Er ist uns bereits in der letzten Saison bei der Vorbereitung auf die beiden Spiele im Europe Cup gegen Sakarya aufgefallen“, sagte der Trainer. „Wir waren mehrere Wochen mit ihm und seinem Agenten im Gespräch und sind froh, dass es jetzt mit der Verpflichtung geklappt hat. Wir glauben, dass er zu diesem Zeitpunkt der bestmögliche Ersatz für Brekkott Chapman ist.“
Der 2,03 Meter große Flügelspieler - vollständiger Name: Luc Tselan Tsiene Etou - startete seine Profikarriere in der vergangenen Saison beim türkischen Erstligisten Sakarya, für den er in der Liga in 20 Spielen 11,7 Punkte und 7,7 Rebounds pro Partie erzielte. Im Europapokalspiel in Würzburg verletzte sich der Cousin von NBA-Star Serge Ibaka (Oklahoma City Thunder) im ersten Viertel, kam in den übrigen fünf Europapokalpartien auf 12,6 Punkte und 6,4 Rebounds im Schnitt.
In Ulm durfte Etou noch nicht spielen, weil er erst sein französisches Arbeitsvisum in ein deutsches umschreiben lassen muss. Wucherer hofft und geht davon aus, dass der Papierkram bis Freitag erledigt ist - und der Chapman-Ersatz im nächsten Heimspiel gegen Frankfurt (Sonntag, 17.11., 15 Uhr) sein Debüt im Baskets-Leibchen geben kann.