
Hat man diese altehrwürdige, der Klara-Oppenheimer-Berufsschule angegliederte Schulturnhalle, die unter dem schicken Namen "tectake Arena" firmiert, jemals aufgeladener, jemals energetischer, jemals ekstatischer erlebt als am Mittwochabend? Manch einer mag vielleicht noch auf das vierte Play-off-Viertelfinalspiel 2012 gegen Alba Berlin verweisen – aber sonst?
Der 82:79 (44:34)-Erfolg von Basketball-Bundesligist Würzburg Baskets gegen ratiopharm Ulm war nicht nur sportlich eine denkwürdige Partie. Die 3140 Zuschauerinnen und Zuschauern hatten die ausverkaufte Halle schon weit vor Spielbeginn in einen Hexenkessel verwandelt, in die gefürchtete "Turnhölle", die die Hausherren zu einer kaum für möglich gehaltenen Leistung pushte. Mit 2:1-Siegen führen die Baskets nun gegen den amtierenden deutschen Meister und haben an diesem Freitag (18.30 Uhr) an gleicher Stelle die Chance, als krasser Außenseiter den Titelverteidiger aus den Play-offs zu kegeln und ins Halbfinale einzuziehen.
"Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal ein wichtigeres Spiel gespielt habe. Es ist sicher mein bisheriges Karriere-Highlight. Es war so laut, ich hatte Gänsehaut", resümierte Eigengewächs Max Ugrai, der nicht nur wegen seiner 14 Punkte seine bislang vielleicht beste Leistung im Baskets-Dress ablieferte.
Der Reiz des Play-off-Modus' liegt ja auch darin, dass alles vorher Gewesene nicht mehr zählt, sobald der Sprungball die nächste Partie eröffnet. Der 78:65-Auftaktsieg in Ulm am Samstag ebenso wenig wie dort die 64:100-Klatsche zwei Tage später. Und doch dürfte der jeweilige Spielausgang Spuren hinterlassen haben, taktische Anpassungen nach sich ziehen, personelle Justierungen erfordern. Gerade für die Würzburger waren die beiden ersten Begegnungen eine emotionale Achterbahnfahrt.
Darius Perry übernimmt die Führungsrolle erfolgreich
Den Auftakterfolg bezahlten sie mit dem Saison-Aus von Otis Livingston II (Innbandriss im linken Knie). Der chancenlose Auftritt beim zweiten Duell nährte Zweifel, ob diese dezimierte Mannschaft ohne ihren US-Leitwolf überhaupt noch wettbewerbsfähig ist. Seit Mittwoch steht fest: Sie ist es. "Unsere Verteidigung war der Schlüssel. Wir wollten wieder physischer als in Spiel zwei agieren", analysierte US-Guard Darius Perry, dem nach dem Ausfall seines Landsmann die Anführer-Rolle zufällt.
Und die er mit Bravour ausfüllte: Die kompletten 40 Spielminuten stand der 25-Jährige auf dem Feld, verteilte klug Regie führend sieben Assists bei nur zwei Ballverlusten, "klaute" viermal seinem Gegenspieler den Ball und erzielte zudem zwölf Zähler. "Es ist jetzt natürlich ein völlig andere Rolle als die während der Saison. Aber jeder muss jetzt etwas draufpacken, auch ich", so der 1,88-Meter-Mann aus Powder Springs/Georgia.
Und die Ulmer? Die wirkten sichtlich beeindruckt von dem, was die Hausherren aufs Parkett brachten, von der Intensität, mit der sie an beiden Enden des Feldes agierten. Als die Würzburger ab Mitte des zweiten Viertels Stück für Stück und zu Beginn der zweiten Hälfte auf 15 Punkte davonzogen (51:36/22. Minute), sei sein Team in den "Panikmodus verfallen", analysierte Meister-Coach Anton Gavel, der die anstehende Partie zum Charaktertest erklärte: "Wir stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand und müssen zeigen, was für eine Mannschaft wir sind."
Was da auf die Baskets zukommen könnte, deutete sich bereits ab Mitte der zweiten Hälfte in Spiel drei an: Die drohende Niederlage vor Augen versuchten die Ulmer in einer immer hitziger und nickliger werdenden Partie, sich mit teils überharter Spielweise zurückzukämpfen. So kassierte Ex-Nationalspieler Karim Jallow nach einem Ellbogenschlag auf den Hinterkopf gegen Zac Zaljaas ebenso ein unsportliches Foul wie knapp zwei Minuten vor Spielende Center Trevion Williams nach einer brachialen Aktion gegen Owen Klassen. Doch die Spieler trotzten allen Widrigkeiten und behielten in den Schlussakkorden der Partie kühlen Kopf. "Ich bin glücklich, wie meine Mannschaft die Vorgaben umgesetzt hat", resümierte Baskets-Cheftrainer Sasa Filipovski.
Leere Tanks für alle Mannschaften
Am Donnerstag standen Regeneration und eine leichte Vormittagseinheit inklusive Videobesprechung auf dem Programm. Die Stimmung im klubeigenen Trainingszentrum in der Frankfurter Straße war gelöst, aber auch hochkonzentriert. "Es ist noch nicht vorbei. Wir wollen die Serie beenden, aber Ulm wird sich auch nochmal zusammensetzen und alles reinwerfen", sagte Ugrai.
Die bange Frage, wieviel Sprit angesichts der kurzen Regeneration und hohen Belastung noch im Baskets-Tank ist, schiebt der 28-Jährige beiseite: "Klar gehen wir auf dem Zahnfleisch, aber das gilt für alle Mannschaften zu diesem Saison-Zeitpunkt. Wir werden Kräfte finden, und unsere Anhänger werden uns auch helfen." Ein Trumpf, auf den auch US-Flügelspieler Zac Seljaas setzt: "Wir haben jetzt das Momentum auf unserer Seite und alle Energie der Welt, wenn wir vor unseren Fans spielen. Wir werden kämpfen, keiner von uns will in den Urlaub."