Fünf Sekunden waren noch auf der Uhr, als Leonie Ebert im Achtelfinale der Fecht-Europameisterschaft gegen die Polin Julia Walczyk-Klimaszyk den Treffer zum vermeintlichen Sieg setzte. Doch auch ihre Konkurrentin hatte getroffen. Es war klar: Wer den Angriff initiiert hatte, würde ins Viertelfinale einziehen. Der Videobeweis gab den Punkt an die Polin. Ebert brach auf der Planche zusammen, während ihr Trainer mit dem Schiedsrichter diskutierte. Vergeblich. Durch die Niederlage hat die Europameisterin von 2022 keine Chance mehr, ihren Titel zu verteidigen.
Trotzdem zeigte Ebert eine bessere Leistung als in den letzten Gefechten und qualifizierte sich nach drei Siegen und zwei Niederlagen in der Gruppenphase und einem Erfolg über Dora Lupkovics (Ungarn) für die Runde der letzten 16 – wo sie schließlich gegen Walczyk-Klimaszyk ausschied. Die Europameisterschaften sollten eigentlich Teil der European Games in Krakau sein. Da russische und belarussische Sportler aufgrund des Angriffskrieges gegen die Ukraine dort aber nicht einreisen dürfen, wurde der Wettbewerb kurzfristig nach Bulgarien verlegt, wo er nun neun Tage früher stattfindet als geplant.
Eine hohe Belastung für die Athletinnen und Athleten. Zumal nun nicht einmal Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus antreten. Die beiden Länder haben aufgrund der strengen Vorgaben des Fecht-Verbandes, unter anderem dürfen Angehörige des Militärs nicht an den Wettbewerben teilnehmen,keine Sportlerinnen und Sportler nominiert.
Empörung über die Verlegung der Europameisterschaft
Abseits des Sports war Ebert am vergangenen Sonntag in einem Beitrag in der ZDF-Sportreportage zu sehen. Die Sendung befasste sich mit ihrem Weg zu den Olympischen Spielen in Paris und den schwierigen Bedingungen, die nach der Wiederzulassung Russlands und Belarus' im Fechtsport herrschen. "Es ist unglaublich, wie mit uns Athleten innerhalb der wichtigsten Phase unserer Karriere umgegangen wird. Weniger als zwei Wochen Vorbereitungszeit zu geben, ist weder professionell noch normal durchführbar", empörte sich Ebert im Vorfeld der verschobenen EM.
Ein großes Thema in dem knapp achtminütigen Beitrag war die Sportfamilie Ebert: Leonies Schwester Amelie war einst Synchronschwimmerin, Bruder Constantin Profi-Basketballer. "Von klein auf war Sport der größte Inhalt in unserem Leben", erinnert sich Constantin Ebert. Gemeinsam mit seinen Schwestern und seiner Mutter Nives machte er 2021 Urlaub in Paris. Und genau dorthin möchte seine Schwester drei Jahre später zurückkehren: anlässlich der Olympischen Sommerspiele 2024. Dafür braucht sie Punkte in der Weltrangliste. Erste wichtige Zähler hat die Florettfechterin in Bulgarien nun verpasst.
Leistungstief in den vergangenen Monaten
Ob die Strapazen der vergangenen Monate daran Schuld tragen, bleibt Spekulation. In der ZDF-Dokumentation erklärte Ebert damit zumindest ihr Leistungstief während der vergangenen Monate, als sie beispielsweise gegen ihre ehemalige Teamkollegin Anne Sauer das Finale der deutschen Meisterschaft verlor. Viel Zeit um richtig durchzustarten bleibt ihr nicht mehr.