Ist das ein Derby? Am Sonntag treten die Würzburger Kickers beim 1. FC Nürnberg an. Über 100 Kilometer liegen zwischen beiden Städten. In der Noris gilt eigentlich nur der Vergleich mit der SpVgg Greuther Fürth als Derby. Und am Dallenberg? Da hatte man traditionell auch andere Rivalen als den Club. Trotzdem ist der Vergleich mit dem FCN für die Rothosen ein besonderer, da gibt es kein Vertun. Ein Faktencheck vor dem Duell im Max-Morlock-Stadion am Sonntag (13.30 Uhr).
Die Historie
Zum fünften Mal treffen der Club und die Rothosen in einem Zweitliga-Spiel aufeinander. Die Bilanz ist derzeit ausgeglichen. Beide Klubs gewannen in der Saison 1977/78 jeweils eines der Duelle. In der Saison 2016/17 endeten beide Partien remis. Das 3:0 der Kickers am 23. Oktober 1977 ist noch heute einer der Höhepunkte in der Vereins-Chronik. Ex-Nationalspieler Lothar Emmerich verwandelte damals gleich in seinem ersten Spiel im Kickers-Dress einen Elfmeter. Paul Ulsamer und Bruno Werner erzielten die weiteren Treffer für die Würzburger. Club-Trainer Horst Buhtz sagte hernach: "Da niemand daran geglaubt hat, dass die Kickers uns schlagen können, fehlte die rechte Bereitschaft." Vor der Partie hatten die Kickers 2:20 Punkte auf dem Konto. Damals gab es noch zwei Zähler für einen Sieg. Im Rückspiel in Nürnberg setzte es dann aber eine deutliche 1:4-Niederlage für die Rothosen.
In der Saison 2016/17 gab es zwei Remis. Beim Gastspiel in der Noris standen die Kickers, nachdem Elia Soriano und David Pisot per Foulelfmeter einen 0:1-Rückstand (Torschütze Guido Burgstaller) in eine 2:1-Führung verwandelt hatten, kurz vor einem Auswärtssieg. Doch Nürnbergs Even Hovland gelang in der 89. Minute noch der Ausgleich. Auch im Rückspiel am Dallenberg lagen die Kickers nach einem Treffer von Valdet Rama lange in Führung. Cedric Teuchert konnte schließlich in der 80. Minute für die Gäste ausgleichen.
Die Mannschaften
Beinahe wären die Kickers am FCN im vergangenen Sommer vorbeigezogen. Eine Woche nach dem Würzburger Zweitliga-Aufstieg verhinderten die Nürnberger in allerletzter Sekunde durch einen Treffer in der Nachspielzeit in der Relegation gegen den FC Ingolstadt den Sturz in die Dritte Liga. Und doch können die Cluberer offensichtlich auf der Spielersuche in ein ganz anderes Regal greifen als die Rothosen. Der Marktwert des aktuellen Kaders der Nürnberger beträgt laut dem Internet-Portal "transfermarkt.de" 22,03 Millionen Euro. Nur vier Zweitliga-Klubs leisten sich einen wertvolleren Kader. Die Kickers liegen in dieser Rangliste auf dem letzten Platz. Marktwert: 8,58 Millionen Euro. Fast gleich ist indes das Durchschnittsalter der Spieler. Die Würzburger liegen hier bei 26,0 Jahren, der Club bei 25,9 Jahren.
Die Ehemaligen
Als die Kickers im Juli den Aufstieg bejubelten, war mittendrin auch ein Leihspieler aus Nürnberg: Simon Rhein kehrte nach einer Saison im Kickers-Dress zurück an den Valznerweiher. Dort konnte der gebürtige Rheinländer, der im Würzburger Aufstiegsteam eine zentrale Rolle eingenommen hatte, sich aber nicht durchsetzen. Nürnbergs Trainer Robert Klauß setzt offenbar nicht auf den 22-jährigen Mittelfeldakteur. Lediglich zwei Kurzeinsätze stehen für ihn in dieser Saison zu Buche.
Das Nürnberger Trikot getragen hat auch schon Kickers-Angreifer Dominic Baumann. "Es war eine lehrreiche Zeit in Nürnberg, ich habe dort auch mein erstes Zweitliga-Spiel absolviert", erinnert sich der gebürtige Sachse vor der Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Im März 2017 gegen Arminia Bielefeld war das. Einige Monate später wechselte Baumann zu den Rothosen und ist dort zusammen mit Hendrik Hansen inzwischen dienstältester Kickers-Akteur.
Während Baumann nach seinem Einsatz gegen Sandhausen auch in Nürnberg auf einen Platz in der Startelf hoffen kann, wird mit Ewerton ein anderer Ex-Clubberer definitiv fehlen. Der brasilianische Innenverteidiger, der mit dem FCN 2018 den Erstliga-Aufstieg geschafft hatte, wurde nach seiner Roten Karte am vergangenen Wochenende für zwei Spiele gesperrt.
Die Form
Auf dem Papier sind die Kickers am Sonntag krasser Außenseiter. Keinen einzigen Zähler holte der Tabellenletzte in den bisherigen vier Auswärtspartien. Nach fünf Gastspielen in der Fremde punktlos waren zuletzt in der Zweiten Bundesliga Kaiserslautern (2017/18) und der MSV Duisburg (2015/16). Beide stiegen am Ende ab.
Von einem "eklig errungen" Sieg sprach indes Nürnbergs Torjäger Manuel Schäffler in einem Interview mit dem "Kicker" mit Blick auf das 2:0 am vergangenen Wochenende. Der Dreier war wichtig, um nach der 2:3-Niederlage im Derby gegen Fürth der Krisenstimmung entgegenzuwirken. Platz zwölf entspricht nicht den Erwartungen, der Rückstand auf Rang drei beträgt aber auch nur vier Zähler. "Wir müssen mit der gleichen Leidenschaft wie in Paderborn spielen", sagt der von Absteiger Wehen Wiesbaden gekommene Schäffler mit Blick auf die Partie gegen die Kickers: "Am Ende geht es in dieser Liga zwischen 60 und 80 Prozent um die Bereitschaft, sich aufzuopfern. Erst nach der Mentalität kommt die individuelle Qualität ins Spiel."