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Aber der Reihe nach. Denn ein Leckerbissen war dieser Vergleich des mittelfränkischen Altmeisters mit dem unterfränkischen Emporkömmling lange Zeit nicht. Wer beide Teams kennt, hatte dies jedoch auch kaum erwartet. Zu ähnlich sind sich die beiden fränkischen Rivalen nämlich in ihrer Herangehensweise an ein solches Spiel. Würzburger und Nürnberger scheuten das Risiko.
Dass ein Teil der insgesamt 37 673 (!) Zuschauer – dies ist die bislang höchste Zuschauerzahl überhaupt bei einem Fußballspiel mit Würzburger Beteiligung – noch im zähen Freitagabendverkehr rund um das Stadion am großen Dutzendteich feststeckte, war für die Betroffenen kein großer Verlust. Denn über lange, lange Zeit passierte auf dem Feld schlichtweg nichts. Gar nichts. Ein abgefälschter Schuss von Kickers-Antreiber Nejmeddin Daghfous, den der in Würzburg geborene FCN-Keeper Thorsten Kirschbaum um den Pfosten lenkte (26.), war noch die einzige nennenswerte Aktion in der ersten halben Stunde, in der der FCN weder einen Schuss aufs Tor zustande brachte, noch einen Eckball herausarbeitete.
Die Nürnberger Passivität der Anfangsphase dürfen die Kickers durchaus als Lob verstehen. Nicht nur, dass das Team von Trainer Alois Schwartz ungewöhnlich viel Respekt zeigte. Die Taktik von Kickers-Coach Bernd Hollerbach ging in der Startphase der Partie voll auf. Der angeschlagene Clemens Schoppenhauer, der erst am Mittwoch wieder voll mit der Kickers-Mannschaft trainiert hatte, war zu Beginn der Partie erst einmal auf der Bank geblieben. Wie schon beim 1:0-Heimsieg gegen St.
Pauli vertraute Hollerbach auf eine Dreier-Abwehrkette. Im defensiven Mittelfeld hatte sich Emanuel Taffertshofer den Platz von Anastasios Lagos gesichert. Gerade der junge Oberbayer erwies sich in den ersten Minuten des fränkischen Vergleichs als Glücksgriff, warf sich vom Start weg mit Eifer in jeden Zweikampf.
Überraschende Club-Aufstellung
Auch der FCN war mit einer überraschenden Aufstellung in die Partie gegangen. Dave Bulthuis fehlte in der Startelf genauso wie Angreifer Jakub Sylvestr. Zweitliga-Toptorjäger Guido Burgstaller gab den Solo-Stürmer. Zur Halbzeit aber schien es so, als wäre schon der Einsatz des Österreichers alleine ausreichend, um den Würzburger Höhenfliegern die Flügel zu stutzen. Es waren die letzten Minuten der ersten Hälfte, als sich immer mehr Fehler in das Spiel der Kickers einschlichen. Und es war Burgstaller, der im Stile eines Klassestürmers diese Unzulänglichkeiten ausnutzte.
Es waren vor der Halbzeit nur noch wenige Sekunden zu spielen, als Rico Benatelli zunächst im Mittelfeld den Ball verlor und Burgstaller beim folgenden Angriff aus der Schlafmützigkeit der gesamten Würzburger Abwehr Kapital schlug: Tobias Schröck verpasste die Gelegenheit zu klären, Taffertshofer, David Pisot und Sascha Taut stellten sich dem Österreicher nicht entschlossen entgegen, und Burgstaller erzielte das eher überraschende 1:0 für die Gastgeber. „In der ersten Halbzeit haben wir ein bisschen Angsthasenfußball gespielt. Vielleicht war mancher von uns auch von der Kulisse beeindruckt“, sagte Kickers-Kapitän Sebastian Neumann.
Das Gegentor war ein Schreck vor dem Seitenwechsel, an dem manches Team länger zu knabbern gehabt hätte. Nicht so die Würzburger Kickers. „Wir haben uns in der Pause zusammengesetzt“, berichtete Neumann. Trainer Hollerbach war nur kurz in der Kabine. „Ich habe nicht viel gesagt. Die Ansprache war relativ kurz“, erzählte der Coach. Laut Neumann übernahmen die Führungsspieler den Rest: „Wir wollten mit Herz und Leidenschaft nach vorne spielen.
“ Okay, zunächst brauchten die Gäste bei einer Doppelchance der Nürnberger Tim Leipold und Kevin Möhwald den guten Einsatz von Torhüter Robert Wulnikowski. Doch dann folgten zwei Minuten, die sich im Gedächtnis der Kickers-Anhänger einbrennen werden. Denn binnen 120 Sekunden schaffte es das Hollerbach-Team tatsächlich, diese Partie zu wenden: Zunächst zeigte Angreifer Elia Soriano seine ganze Klasse, als er einen langen Freistoßball von David Pisot scheinbar leicht mit der Brust herunterholte und trocken aus der Drehung abzog. Sein Schuss wurde von Nürnbergs Nachwuchshoffnung Lukas Mühl auch noch unhaltbar abgefälscht: 1:1 (54.). Der einsilbige Hollerbach hatte den Umschwung mit einer Auswechslung begünstigt. Zwei Minuten nach dem Ausgleich war es der in der Pause eingetauschte Valdet Rama, der einen Elfmeter herausholte. Clubfans werden darauf verweisen, dass Even Hovland seine Grätsche bereits vor der Strafraumgrenze angesetzt hatte. Kickers-Anhänger werden freilich darauf bestehen, dass Rama erst im Strafraum zum Straucheln gebracht wurde. Wie dem auch sei. Schiedsrichter Timo Gerlach (Landau) entschied auf Elfmeter, und Pisot, offenbar von Hollerbach zum Elfmeterschützen bestimmt, verwandelte sicher zum 2:1 (56.
). Ramas Einwechslung brachte Schwung, allerdings musste der Deutsch-Albaner schon kurz darauf schon wieder verletzt vom Feld.
3500 mitgereiste Kickers-Fans
Die gut und gerne 3500 mitgereisten Würzburger jubilierten ob der plötzlichen Führung, die Gastgeber reagierten wütend. Angriff um Angriff rollte nun auf das Kickers-Gehäuse zu. Und die Gäste brauchten schon eine gehörige Portion Glück: Zum Beispiel, als Burgstaller die Latte traf und der Nachschuss von Tobias Kempe vom herausragenden Würzburger Abwehrchef Neumann vor der Linie abgeblockt wurde. „Wenn solche Chancen nicht rein gehen, rechnet man nicht mehr damit, dass es noch klappt“, sagte Club-Coach Schwartz.
Am Ende aber wurde der Nürnberger Druck dann doch zu groß: Abwehrspieler Hovland erzielte per Kopf in der 89. Minute den Ausgleich und sorgte unter den Club-Anhängern für einen wahren Jubelorkan. Und so konnten beide Seiten am Ende dieses fränkischen Vergleichs doch irgendwie zufrieden sein.