FSV Zwickau, Hallescher FC, jetzt die Würzburger Kickers: Es ist Torsten Ziegners dritte Station als Cheftrainer im Profifußball. Seit Mitte Juni hat der Thüringer das Sagen am Dallenberg. Zum Abschluss des Trainingslagers der Rothosen im oberösterreichischen Ampflwang spricht der 43-Jährige im Interview auf der Terrasse des Mannschaftshotels über Häuptlinge und Kämpfer, überholte Ost-West-Debatten - und was dem Team gut drei Wochen vor dem Saisonstart am 23. Juli noch fehlt.
Torsten Ziegner: Da bin ich gedanklich noch gar nicht. Jetzt geht es erstmal darum, weiter an uns zu arbeiten. Die Vorfreude wird aber sicher noch kommen. Und mit einem bayrischen Duell zu starten, ist sehr cool. Das wird ein Highlight werden, hoffentlich vor vielen Zuschauern. Auch das erste Heimspiel vor eigenen Fans wird besonders werden.
Ziegner: Die Jungs sind, was die Athletik angeht, alle in einem sehr guten Zustand. Der ein oder andere hatte anfangs noch ein paar Defizite, aber die Jungs haben ordentlich aufgeholt. Jetzt geht es langsam ins Detail. Darum, eine Formation und einen Stamm zu finden. Mit den Testspielen gegen Mainz, Fürth und Jena wird sich herauskristallisieren, wer auf den jeweiligen Positionen die Nase vorn hat. Wir müssen daran arbeiten, in der Defensive stabiler zu stehen. Vorne brauchen wir immer noch zu viele Chancen.
Ziegner: Ja. Auch wenn wir mit Nikolov, Sane, Maxi Breunig und Moritz Heinrich - wenn man ihn so einordnen möchte - vier Stürmer haben. Aber einen klassischen Mittelstürmer eben nicht. Den suchen wir, den sucht aber jeder: Ein Spieler, der wenig kostet und viele Tore schießt. Auf der rechten Außenbahn wollen wir uns auch noch verstärken.
Ziegner: Da müssen wir einfach geduldig sein. Aber wir haben schon einige Jungs im Kopf, mit denen wir in Gesprächen sind. Sowohl für vorne als auch für rechts. Wir verfallen aber nicht in Hektik. Die Spieler müssen dafür brennen, zu uns zu kommen. Sonst macht es keinen Sinn.
Ziegner: Ich war nicht ohne Verein, ich war bis 30. Juni unter Vertrag und nur nicht im Dienst. Aber ich bin froh, dass ich wieder ordentlich zu tun habe, dass es anstrengend ist. Dass es schön anstrengend ist. Die Arbeit als Trainer ist nicht nur ein Beruf, sondern Leidenschaft.
Ziegner: Es macht keinen Sinn, von der Mannschaft Dinge zu verlangen, die wir jetzt noch gar nicht einschätzen können. Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn die stetige Entwicklung der Mannschaft, die ich jetzt nach diesen paar Wochen schon feststelle, permanent weitergeht. Aber im Fußball geht es nicht immer nur bergauf. Es kann auch holprige Phasen und Rückschläge geben. Wichtig ist mir: Wir wollen aggressiv und geschlossen auftreten. Hohes Tempo, viel Mut. Wenn wir das schaffen, werden wir erfolgreich sein. Davon bin ich überzeugt. Welcher Platz am Ende genau dabei herausspringt, weiß ich nicht.
Ziegner: Mir ist wichtig, dass wir die Menschen begeistern. Nicht nur die Fans, auch die neutraleren Zuschauer. Dass sie nach der Saison ebenfalls mit uns zufrieden sind. Ob sie dann mit einem siebten Platz und mit einem zweiten Platz zufrieden sind, das weiß ich jetzt auch noch nicht. Aber es wäre cool, wenn die Leute nach der Saison sagen: "Das ist eine Kickers- Mannschaft, mit der wir uns identifizieren."
Ziegner: Alle sind bereit, dass wir eine verschworene Einheit werden. Mir ist total wichtig, dass kein Neid vorhanden ist und sich die Jungs gemeinsam den Erfolg wünschen. Klar, es wird Phasen geben, in denen es unzufriedene Spieler gibt. Aber wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn persönliche Eitelkeiten keine Rolle spielen. Da bin ich nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Wenn ich merke, dass einer dabei wäre, der sein Ego über die Mannschaft stellt, dann war’s das für ihn. Dann schicke ich ihn nach Hause.
Ziegner: Es geht um die Weiterentwicklung jedes Einzelnen. Unsere gestandenen Spieler – wie Christian Strohdiek, sollen ihnen dabei helfen und konstant ihre Führungsposition halten; auch das gehört zur Entwicklung. Bei jungen Spielern ist es das Ziel, dass sie in der Liga zu Topspielern werden. Dass sie sich so entwickeln, dass wir als Verein eigentlich gar nicht mithalten können. Fakt ist aber auch, dass uns das nicht mit 22 Spielern gelingen wird.
Ziegner: Ja. Junge Spieler weiterzuentwickeln, gehört zu unserer Philosophie. Und damit wird sich auch die gesamte Mannschaft weiterentwickeln. Wir wollen uns sehr intensiv mit den Jungs beschäftigen. Sie müssen aber auch selbst mitspielen und bereit sein, Widerstände zu überwinden. Mehr zu machen, als sie es vielleicht bisher getan haben. Wir werden sehr viel von ihnen verlangen. Wenn sie dies mittragen, werden sie sich weiterentwickeln. Davon bin ich überzeugt.
Ziegner: Wenn ich heute noch einmal jung wäre, würde ich manche Dinge sicher anders machen, um erfolgreicher zu sein. Da geht es um Trainingsfleiß oder darum, persönliches Steigerungspotenzial zu erkennen. Es ist menschlich, sich auf Erfolgen auszuruhen. Aber das ist der erste Fehler. Du musst als Trainer versuchen, das weiterzugeben, was helfen wird, und das anzusprechen, was schaden wird. Das ist unser Ziel.
Ziegner: Ich habe von Anfang an kommuniziert: Ich will nichts davon hören, was in der letzten Saison schlecht lief. Diese Dinge kann und möchte ich gar nicht bewerten. Meine Zeitrechnung hat mit meinem ersten Arbeitstag begonnen. Ich wollte mir selbst ein Bild machen und jedem die gleiche Chance geben.
Ziegner: Das ist ein perfektes Beispiel. Ich habe letzte Saison natürlich Spiele der Kickers gesehen. Mein erster Eindruck war, dass Kopacz sehr wertvoll für die Mannschaft werden kann. Aber nicht dadurch, dass er auf dem Flügel spielt. Ich sehe seine Stärken klar im Zentrum. Ob das auf der Sechs, der Acht oder der Zehn ist, will ich noch gar nicht beurteilen. Der Junge hat ein unglaubliches Potenzial und eine überragende Einstellung.
Ziegner: Es gab noch keine Einheit, bei der ich auch nur annähernd das Gefühl hatte, dass er nicht alles gegeben hätte. Es gibt Spieler, die schlängeln sich im Training gerne mal durch. Da bin ich gar nicht böse, das ist menschlich. Und ich möchte Menschen nicht verändern, sondern sie so nehmen, wie sie sind. Der eine schlängelt sich durch, der andere trainiert immer am Limit. Ziel ist es, die Mannschaft möglichst schlagkräftig aufzustellen. Da rede ich nicht über Taktik oder Statistiken. Man braucht Häuptlinge, Kämpfer, Kreative und solche, die auch mal ordentlich dazwischenhauen. Die Mischung macht’s.
Ziegner: Aktuell habe ich keine großen Sorgen. Wir haben eine gute Intensität in Sachen Tempo und Zweikampfhärte, die Stimmung ist ebenfalls gut. Anfangs war es mir zu leise. Aber mir hilft es auch nichts, wenn ich fünf Schreihälse auf dem Platz habe, die unqualifiziert rumschreien. Das macht keinen Sinn. Nochmal: Ich möchte keine Menschen verändern. Ich werde einen Daniel Hägele nicht zum Lautsprecher machen. Er ist so wie er ist, und er ist sehr wertvoll, so wie er ist. Die Jungs sollen kommunizieren, füreinander da sein, sich gegenseitig antreiben. Da hat die Mannschaft bereits einen ordentlichen Schritt gemacht. Das ist schön zu sehen.
Ziegner: Mir macht es Spaß, Menschen zu begeistern. Mich mit der Mannschaft auseinanderzusetzen, Dinge zu tun, die uns Spaß und gleichzeitig erfolgreich machen. Es ist wie in jeder Branche: Ich will eine gute Arbeitsatmosphäre.
Ziegner: Ich hatte anfangs gar nicht so das Gefühl, dass mir das so fehlt. Ich habe mich darauf gefreut, mal durchzuschnaufen. Das war eine bewusste Entscheidung. Ich hätte relativ zügig nach meiner Freistellung wieder Trainer sein können. Ich wollte mir aber die Zeit geben. Mich selbst zusammen mit Michael (Hiemisch, der Co-Trainer, Anm. d. Red.) reflektieren. Aufarbeiten, was gut und was schlechter gelaufen ist. Wir haben logischerweise nicht alles richtig gemacht, sonst wären wir nicht freigestellt worden.
Ziegner: Ich finde es schade, dass noch so viel darüber geredet wird. Für mich gibt es diese Frage nach alten und neuen Bundesländern gar nicht. Für mich gibt es ein Deutschland, so bin ich aufgewachsen. Ich war elf Jahre alt, als die Wende war. Die DDR kenne ich nur als Kind, da macht man sich über politische Hintergründe keine Gedanken.
Ziegner: Natürlich gibt es Unterschiede. Im Norden sind die Menschen anders als im Süden, im Ruhrgebiet anders als in Brandenburg. Das ist logisch, und das ist doch gar nicht schlimm. Im Gegenteil, ich lerne da doch als Mensch nur dazu. Jetzt die Franken kennenzulernen, finde ich sehr spannend und darauf freue ich mich. Verstehen tue ich auf jeden Fall alles, das ist das wichtigste.
...der neue Kickers-Trainer. Das stimmt zuversichtlich!
Alles gute und viel Erfolg für die neue Saison wünsche ich dem gesamten Personal des Vereins und vor allem: Bleibt gesund!
MfG