
Nachdem er alles getan hat, was er tun konnte, um seinem Mannschaftskollegen René Mandal das Leben zu retten, bricht es aus Stefan Mahler heraus. "Ich bin auf dem Tennisplatz herumgelaufen wie ein kleines Kind, das nicht weiß, wo der Ausgang ist. Ich war völlig durch den Wind und habe geweint", erzählt er. Der 46-Jährige hat zusammen mit anderen Tennisspielern in Karbach (Lkr. Main-Spessart) seinen Mannschaftskollegen, der während eines Spiels zusammengebrochen war, reanimiert. Als Rettungsdienst und Notarzt übernehmen, können die Männer nicht mehr an sich halten. "Da ist erstmal jeder in Tränen ausgebrochen", erzählt Mahler.
René Mandal, rasierte Haare, Drei-Tage-Bart, seit wenigen Tagen 49 Jahre alt, hat überlebt. "Ich hatte vorher keine Anzeichen", sagt er. Am 15. Juni bricht er plötzlich auf dem Tennisplatz mit Herzkammerflimmern zusammen.
Zwei von sechs Einzeln sind zwischen der DJK Karbach und dem TSV Erlabrunn gespielt, das dritte läuft gerade. In diesem spielt Mandal. Ein umkämpftes Match, das bereits lange dauert. Auf dem Nebenplatz beginnt Stefan Mahler gerade parallel eine Partie. Dann hört er einen Mannschaftskollegen rufen: "René, was ist los?" Er dreht sich um und sieht Mandal am Boden liegen.
Mahler unterbricht seine Partie und läuft rüber. "Dann lag er da, hat überhaupt nicht reagiert." Die Anwesenden holen Wasser, ein Handtuch, um Mandals Kopf draufzulegen. Sie schütten ihm Wasser über den Kopf, damit er abkühlt. Reden auf ihn ein. "Aber irgendwie ist nichts passiert", sagt Mahler. "Er hat nicht reagiert und sich nicht beruhigt. Er hat relativ hektisch geatmet."
Plötzlich fühlen die Männer keinen Puls mehr
Auch David Wiesmann ist an diesem Tag auf dem Tennisplatz. Der 40-Jährige spielt bei der Heimmannschaft, schaut seinem Teamkollegen zu, der gegen René Mandal spielt, als der zusammenbricht. "Ich war der Erste bei ihm", sagt er. Zusammen mit Mandals Mannschaftskollegen, der ihn gefragt hatte, was los ist.
Sie strecken Mandals Hals, Wiesmann verpasst ihm eine Schelle. Einer der Tennisspieler überwacht den Puls. Irgendwann fühlt er keinen mehr. Sie rufen Hilfe. Ein befreundeter Rettungssanitäter wohnt nur zwei Straßen weiter.
Wiesmann und Mahler funktionieren, andere sind wie paralysiert
Nach wenigen Minuten beginnen sie mit der Reanimation. Wiesmann übernimmt die Herzdruckmassage, Mahler die Beatmung. Andere halten Handtücher hoch, weil nebendran noch ein Jugendfußballturnier stattfindet. Nicht jeder auf dem Platz kommt mit der Situation klar. Einer der Männer hyperventiliert, einem wird schlecht, andere sind wie paralysiert.
Für ihn sei es ein Vorteil gewesen, dass er und Wiesmann zu zweit waren, sagt Stefan Mahler: "Einer fängt an und der andere macht mit. Dann bist du mit drin und denkst gar nicht nach. Du machst einfach." Jeder habe seinen Teil beigetragen. "Eine Gruppenleistung", betonen die Männer.
Helfer holen einen Defibrillator aus einer Veranstaltungshalle in der Nähe des Tennisplatzes. Beim Aufkleben der Elektroden übersehen die Männer aber eine Folie, die verhindert, dass der Defibrillator richtig funktioniert. Das Gerät, das sonst akustische Anweisungen gibt, bleibt still. Doch Mahler bemerkt das Problem und entfernt die Folie.
Das Gerät gibt nun Anweisungen, beginnt mit der Messung. Es stellt Kammerflimmern als Ursache fest. Und auch, dass es immer noch da ist. Also müssen die Männer weitermachen mit der Reanimation, bis Rettungssanitäter und Notarzt eintreffen und übernehmen.
"Wir sind ehrlicherweise alle davon ausgegangen, dass du nicht mehr aufstehst", sagt David Wiesmann beim Treffen zu Mandal.
Helfer brauchen Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten
"Mich hat das Ganze ein paar Tage ganz schön beschäftigt", sagt Mahler. David Wiesmann ist vor allem ein Bild im Kopf geblieben, erzählt er: das des automatischen Herzdruckmassage-Geräts, das die Sanitäter Mandal umgeschnallt hatten. Die Maschine übernimmt die Herzdruckmassage – ohne Rücksicht auf brechende Rippen. "Deswegen waren die danach alle im Eimer", sagt Mandal.
René Mandal kann sich an nichts davon erinnern. "Ich weiß nur noch, dass ich nach fünf Tagen im Krankenhaus aufgewacht bin. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren würde, wenn mir wieder alles ins Gedächtnis käme."

Mandal hat zwei Stents gesetzt bekommen, weil sein Herz nicht mehr richtig durchblutet wurde. Heute geht es ihm gut, er spielt wieder Tennis. Mit gutem Gefühl. Einzig sein Brustkorb tut noch weh. "Der war ein großer blauer Fleck." Er achtet darauf, dass er seinen Puls nicht zu früh zu hoch treibt. Und mit dem Rauchen hat er aufgehört. "Ich hatte mehr Glück als Verstand, dass alle Rädchen ineinander gegriffen haben", sagt er.
René Mandal ist mit auf dem Karbacher Meisterfoto zu sehen
Nach dem Vorfall kam das Rote Kreuz auf die Karbacher zu und hat gefragt, ob der Verein einen Erste-Hilfe-Kurs machen wolle. Der hat mittlerweile in Karbach stattgefunden. Für jeden zugänglich und kostenfrei. Und auch in Erlabrunn wird darüber nachgedacht. "So ein Kurs sollte für jeden Verein in regelmäßigen Abständen Pflicht sein", sagt Mandal.
Wie wichtig solche Kurse sind, betont auch Christina Gold, Pressesprecherin der Malteser in Unterfranken: "Erste Hilfe ist in allen Bereichen des täglichen Lebens essentiell wichtig. 90 Prozent der Notfälle passieren im häuslichen Umfeld – und da gehört der Sportverein dazu." Die Malteser bieten Kurse für Vereine an, die sie bei Christian Oeding, Leiter Ausbildung, verabreden können.
Aufgrund des Vorfalls war das Aufeinandertreffen damals abgebrochen worden. An dem Tag, als die offenen Spiele nachgeholt wurden, hat sich Karbach den Meistertitel gesichert. Auch René Mandal war am Platz dabei. Und steht mit auf dem Meisterfoto. "Es war mega, wie der Zusammenhalt war", sagt Stefan Mahler. Der Vorfall hat die beiden Vereine zusammengeschweißt.
Und Mandals Spiel vom 15. Juni? Wird das fortgesetzt? "Das hat der René verloren, aufgegeben", scherzt David Wiesmann. "Er hat mit dem ganzen Körper abgewunken", ergänzt Mahler. Die Männer lachen.