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Ochsenfurt
Niemals nichts tun: Ochsenfurter Chefarzt Dr. Knof erklärt, wie Erste Hilfe Leben retten kann
Wie handelt man in Notfallsituationen richtig? Zum Tag der Ersten Hilfe verrät der Ochsenfurter Chefarzt Dr. Manfred Knof, was im Notfall wirklich zählt.
Schätzungsweise ereignen sich in Deutschland jährlich 25 Millionen Notfälle.
Foto: Patrick Seeger/dpa | Schätzungsweise ereignen sich in Deutschland jährlich 25 Millionen Notfälle.
Leonie Dierolf
 |  aktualisiert: 21.09.2024 02:32 Uhr

Wie bringe ich einen Menschen in die stabile Seitenlage? Wie funktioniert eine Herzdruckmassage? Wenn Sie bei diesen Fragen erst einmal überlegen mussten, sind Sie damit nicht allein. Eine Umfrage des ADAC aus dem Jahr 2021 ergab, dass sich nur etwas mehr als die Hälfte aller Befragten zutraut, Erste Hilfe leisten zu können. Eine erschreckende Zahl, vor allem wenn man bedenkt, dass circa zehn Prozent aller Todesfälle verhindert werden könnten, wenn rechtzeitig Erste Hilfe geleistet werden würde.

Um die Bedeutung der Ersten Hilfe ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, findet am 14. September der internationale Tag der Ersten Hilfe statt. Dr. Manfred Knof, der selbst jahrelang als Notarzt zu Einsätzen gerufen wurde, klärt auf, was in Notfällen zu tun ist.

Frage: Herr Dr. Knof, zunächst einmal zum Einstieg: Was sind die wichtigsten Schritte, wenn man als Passantin oder Passant auf einen Notfall trifft?

Dr. Manfred Knof: Wenn eine Person umgefallen ist, dann sprechen Sie diesen Bürger an! Ansprechen, an den Schultern rütteln und fragen: "Hören Sie mich?". Reagiert der Patient nicht, sollte man die nächste Person ansprechen, die vorbeiläuft: "Rufen Sie die 112!". Wenn die betroffene Person nicht mehr atmet, beginnt man dann mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Atmet sie, reagiert jedoch nicht, dann bringt man sie in die stabile Seitenlage. Wenn der Patient atmet und man von einem Kollaps-Zustand ausgeht, hebt man die Beine hoch, sodass das Blut wieder in den Kreislauf zurückkommt. 

Was raten Sie Menschen, die Angst haben, im Notfall etwas falsch zu machen?

Knof: Man kann nichts verkehrt tun, außer man tut nichts. Das ist das A und O. Nicht wegschauen, weglaufen oder sich sagen: "Ach, ich könnte ja etwas falsch machen". Man macht nichts verkehrt! Auch wenn man dem Patienten bei Wiederbelebungsmaßnahmen Rippen bricht, dann brechen eben Rippen. Das macht nichts, denn der Mensch bleibt am Leben und man kann den Kreislauf wiederherstellen.

Kann man dafür haftbar gemacht werden, wenn man einer Person während der Rettung Schäden zufügt?

Knof: Wenn der Ersthelfer das tut, was im Rahmen seiner Möglichkeiten ist, dann kann einem nichts passieren. Mir ist da kein Fall bekannt. Es wird niemand eine Klage deswegen anstreben und sagen: "Der hat mir die Rippen gebrochen, aber das Leben hat er mir zurückgegeben." Das ist absurd.

Wie wichtig ist emotionale Erste Hilfe in Notfallsituationen und wie kann man diese leisten?

Knof: Man sollte mit den Patienten empathisch umgehen. Aber wenn man sich bereits um jemanden kümmert, ist das Empathische ja eigentlich schon da. Man ist nicht der, der weitergeht und wegschaut, sondern dorthin geht und nachsieht, ob man Hilfe leisten kann. Und wenn es nur ein Beine-Hoch-Heben ist und man nachfragt, ob man etwas Gutes tun kann. Man sollte mit den Menschen einfach normal umgehen. Nicht schreien und durch die Gegend rennen, sondern Ruhe bewahren.

Wie kann man in psychischen Ausnahmesituationen Erste Hilfe leisten?

Knof: Psychiatrische Notfälle sind sehr herausfordernd. Grundlegend sollte man die Menschen erst einmal normal ansprechen und nicht sofort anfassen. In einer psychischen Ausnahmesituation kann das auch Ängste verstärken, der Patient fühlt sich bedroht oder rennt weg. Deshalb sollte man immer vorher fragen, ob man die Person anfassen darf. Dann kann man Menschen auch mit der Sprache zur Ruhe bringen. Je langsamer man spricht, umso eher werden die Emotionen des Betroffenen günstig beeinflusst. Wenn man langsam spricht, beruhigt man sich selbst und den Patienten etwas. Es ist in psychischen Notfällen sehr schwierig, wenn man keine entsprechende Ausbildung hat. Aber auch hier gilt: ruhig ansprechen und Hilfe anbieten.

Dr. Manfred Knof, Chefarzt in der Main-Klinik Ochsenfurt, ist selbst jahrelang als Notarzt zu Notfällen gefahren und geflogen.
Foto: Leonie Dierolf | Dr. Manfred Knof, Chefarzt in der Main-Klinik Ochsenfurt, ist selbst jahrelang als Notarzt zu Notfällen gefahren und geflogen.
Gibt es besondere Herausforderungen, wenn man Kindern Erste Hilfe leistet?

Knof: Kindernotfälle sind auch eine sehr besondere Herausforderung. Man sollte auf jeden Fall die Eltern mit einbeziehen, wenn diese in Reichweite sind. Es gilt, Ruhe zu bewahren und besonnen zu reagieren. Grundsätzlich hängt es auch stark davon ab, wie groß die Kinder schon sind. Vor allem bei kleinen Kindern empfehle ich spezielle Erste-Hilfe-Kurse, um zu lernen, was man tun sollte. Denn bei Kindern kommt ein Herz-Kreislauf-Stillstand äußerst selten vor. Ihnen fehlt meist der Sauerstoff, weshalb es oft schon ausreicht, wenn man den Kopf etwas zurücknimmt und den Unterkiefer nach oben hält. Sobald Kinder wieder Sauerstoff bekommen, ist die Situation schon etwas entschärft. Bei Wiederbelebungsmaßnahmen sollte grundsätzlich aber genauso vorgegangen werden wie bei Erwachsenen. Bei der Herzdruckmassage natürlich mit einem anderen Druck – versteht sich von selbst.

Bei den meisten Menschen liegt der Erste-Hilfe-Kurs bereits viele Jahre zurück. Wie häufig sollte man seine Kenntnisse auffrischen?

Knof: Ich mache immer wieder dieselbe Erfahrung. Wenn ich Leute anspreche, sind diese meist froh, wenn sie mal wieder gezeigt bekommen, wie Reanimationsmaßnahmen durchgeführt werden und wie eine stabile Seitenlage funktioniert. Da ist häufig die erste Reaktion: "Oh, der letzte Kurs war damals beim Führerschein." Wenn Sie daran denken, was Sie Gutes tun können, dann machen Sie regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse!

Was war die ungewöhnlichste Erste-Hilfe-Situation, die Sie je erlebt haben?

Knof: Ich war als Notarzt mit dem Auto circa 35 Jahre unterwegs, mit dem Hubschrauber war ich 18 Jahre im Einsatz. Da gab es viele ungewöhnliche Situationen. Obwohl ich sehr lange dabei gewesen bin, gab es immer wieder Situationen, die ich zuvor noch nie hatte. Besonders anspruchsvoll waren unter anderem sogenannte Rettungseinsätze in bedrohlichen Einsatzlagen. Da ist man als Notarzt gefordert, nicht unmittelbar Hilfe zu leisten, sondern sich zurückzunehmen und das Beisein der Polizei abzuwarten. Bevor ich mein Team und mich selbst in eine bedrohliche Situation bringe, muss ich durch die Polizei zuerst die Sicherheit herstellen lassen. Solche Einsätze gibt es auch in Unterfranken.

Wie gehen Sie persönlich mit dem Stress und der Verantwortung um, die mit solchen Einsätzen verbunden sind?

Knof: Durch die langjährige Erfahrung über viele Jahre kann man irgendwann damit umgehen. Man sollte Einsatzlagen mit den Kolleginnen und Kollegen besprechen und schauen, was man richtig gemacht hat und was vielleicht hätte besser laufen können. Aber normalerweise ist man im Einsatz dann in seinem festen Schema. Man weiß, was man zu tun hat und geht koordiniert vor. Außerdem ist meine Frau Ärztin, da habe ich den besten Ansprechpartner, keine Frage.  

Am 20. September wird Dr. Manfred Knof vor dem Rathaus in Ochsenfurt einen Infostand zum Thema Erste Hilfe betreuen. Dort wird er über wichtige Erste-Hilfe-Maßnahmen aufklären und mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen. Zudem gibt es die Möglichkeit, an Puppen verschiedene Rettungsmaßnahmen zu üben.

 
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