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Fußball
"Haare machen etwas mit einem Menschen" – Ex-Kickers-Trainer Ralf Santelli spricht über seine Erkrankung
Seit vergangenem Herbst sieht Ralf Santelli verändert aus: Nach 14 Jahren war der frühere Chefcoach der Würzburger Kickers wieder beim Friseur. Das ist der Grund.
Neue Haarpracht: Ralf Santelli, der ehemalige Cheftrainer und bis Sommer noch Leiter des Leistungszentrums der Würzburger Kickers.
Foto: Silvia Gralla | Neue Haarpracht: Ralf Santelli, der ehemalige Cheftrainer und bis Sommer noch Leiter des Leistungszentrums der Würzburger Kickers.
Frank Kranewitter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:57 Uhr

Ralf Santelli hat sich verändert in den vergangenen Monaten. Kürzlich war er beim Friseur. Zum zweiten Mal schon seit dem Herbst vergangenen Jahres. Er grinst und verrät: "Ich habe mich über die Preise gewundert." Die Freude klingt aus seiner Stimme. 14 Jahre lang hatte er sich den Friseurbesuch sparen können.

Das aber hat sich nun geändert. Der 54-Jährige hat eine Krankheit, die zum Verlust sämtlicher Körperbehaarung führt. Oder muss es heißen, er hatte diese Krankheit? So sicher ist sich der frühere Fußball-Cheftrainer beim damaligen Zweit- und dann Drittligisten Würzburger Kickers da noch selbst nicht.

Oft angesprochen auf eine Ähnlichkeit mit Pierluigi Collina

An einem Morgen im März 2023: Beruflich ist für Ralf Santelli gerade vieles ungewiss. Seinen aktuellen Job als dessen Leiter wird er im Sommer verlieren, weil es das Nachwuchs-Leistungszentrum der Würzburger Kickers nach dieser Saison nicht mehr in den aktuellen Strukturen geben wird. "Ich glaube, wir haben hier gute Arbeit geleistet", sagt Santelli. Aber das soll jetzt, in diesem Gespräch, nicht das Thema sein. Es geht um ihn selbst und seinen Umgang mit einer Krankheit, die in seinem Umfeld zu vielen Fragen führt.

Es ist der sogenannte kreisrunde Haarausfall, eine Autoimmunerkrankung, mit der man leben kann, die das Aussehen der Betroffenen aber verändert. Pierluigi Collina, der italienische Ex-Weltklasse-Schiedsrichter, ist der wohl prominenteste. Auf die Ähnlichkeit sei er oft angesprochen worden, erzählt Santelli. "Er hat wie ich tief liegende Augenhöhlen. Das hat ihm als Schiedsrichter sicherlich geholfen, wenn er böse gucken musste. Auch mir hat man öfter gesagt, ich würde mit Glatze böse wirken."

So kannten ihn die Fans der Würzburger Kickers: Ralf Santelli als Trainer mit Glatze.
Foto: Frank Scheuring, foto2press | So kannten ihn die Fans der Würzburger Kickers: Ralf Santelli als Trainer mit Glatze.

Er selbst hatte da aber eine andere Sicht: "Ganz oder gar nicht", sagt er über seinen Entschluss, sich die Haare abzurasieren: "Ich glaube, dass ich schon ein bisschen Eitelkeit habe. Da geht es nicht nur um die Frisur, sondern auch ein bisschen um das Äußere. Um Kleidung und Außendarstellung. Ich muss mich wohlfühlen in meiner Haut."

Zukunftsängste und Stress als Auslöser für die Krankheit

Es war 2007, als er erstmals Symptome bemerkte. "Das Duschsieb und das Waschbecken war plötzlich immer ganz voll mit Haaren. Dann habe ich kleine kahle Stellen festgestellt und begonnen, mich damit zu beschäftigen", berichtet Santelli, der Anfang der 2000er-Jahre im Trainerteam von Ralf Rangnick in Ulm in den Profi-Fußball eingestiegen war.

"Ich hatte beim SSV Ulm und später in Hannover ganz tolle Anfangsjahre mit Martin Andermatt, Hermann Gerland und Mirko Slomka. Es waren sehr intensive, aufreibende fünf Jahre mit zwei Bundesliga-Aufstiegen. Dann kam eine Achillessehnenverletzung und es wurde an meiner Existenz gerüttelt." Durch diese Verletzung war er raus dem Geschäft, "denn als Athletik- und Torwarttrainer arbeitet man eben mit dem Körper".

Und wenn man einmal raus ist aus dem Profi-Geschäft, ist es, wie Santelli selbst erfuhr, "schwierig in der Branche wieder Anschluss zu finden". Es war die Phase, als er sich als Sporttherapeut selbstständig machte. Zukunftsängste und Stress waren, da ist sich Santelli sicher, zwei der Auslöser für die Krankheit.

Ralf Santelli (rechts) als Kickers-Trainer im Drittliga-Heimspiel gegen Viktoria Berlin.
Foto: Frank Scheuring, foto2pres | Ralf Santelli (rechts) als Kickers-Trainer im Drittliga-Heimspiel gegen Viktoria Berlin.

"Auf Bildern aus dem Jahr 2008, als ich in Burghausen tätig war, habe ich lange Haare. Da habe ich die Löcher zugedeckt." Doch die Krankheit schritt voran. Am Ende verlor er sämtliche Körperbehaarung. "Für viele Menschen ist das echt ein riesiges Problem", sagt Santelli. Auch er habe erst einmal einen Umgang damit finden müssen. Vor allem als dann auch noch ein Tumorverdacht im Raum stand. "Da hat man schon Angst", gesteht er.

Nach dem Abstieg nimmt Santelli erst einmal eine Auszeit

Am Ende sei seine Geschichte aber eine, die Hoffnung macht, findet er: "Ich habe mich intensiv mit der Krankheit und ihren Ursachen beschäftigt." Schließlich habe er einen Umgang mit der Erkrankung finden müssen, für die es bislang keine Therapie gibt. "Am Anfang hat man mir sogar mal eine Perücke angeboten. Für mich kam das nicht in Frage. Als ich bei den Kickers auf der Bank saß, war meine Glatze immer frisch rasiert. Gepflegt zu sein, gehört für mich zur Eitelkeit." Und so schlecht habe ihm die Glatze nicht gestanden.

Nun aber wachsen die Haare wieder. Nachdem Santelli im vergangenen Jahr zum zweiten Mal als Cheftrainer eingesprungen war und am Ende der Abstieg stand, brauchte er erst einmal eine Auszeit. "Ich wusste, dass dieser Abstieg mit Einschnitten verbunden war", sagt er heute. Verhindern konnte er ihn nicht, wenngleich er findet, "dass wir gerade in der Außendarstellung schon noch etwas bewegt hatten". Nach der Saison gönnte er sich deshalb einen längeren Urlaub und stellte fest, dass die Haarpracht zurückkehrt.

Die Reaktionen seien unterschiedlich ausgefallen – gerade bei seinen fünf Kindern, erzählt er. "Die Jüngsten kennen mich ja nur mit Glatze", erzählt Santelli und sagt: "Haare machen etwas mit einem Menschen." Davon kann er eine Geschichte erzählen – seine eigene.

 
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  • M. F.
    Alles Gute Ralf Santelli, erstmal gesundheitlich - aber natürlich auch sportlich und beruflich !!!
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