Es war die Aufreger-Szene im ersten Play-off-Viertelfinale der Basketball-Bundesliga zwischen ratiopharm Ulm und den Würzburg Baskets, und sie sorgte in der Basketball-Community bundesweit für heftige Diskussionen: 8:59 Minuten waren im letzten Viertel noch zu spielen, als nach dem Kampf um einen Rebound Würzburgs Center Owen Klassen und Ulms Guard Thomas Klepeisz zu Boden gingen. Klassen fällt auf Klepeisz‘ Fuß, bleibt liegen, während sich der Deutsch-Österreicher mit wütendem Blick und einem sichtbaren Tritt gegen seinen Gegenspieler aus der Situation befreit.
Die Schiedsrichter nutzen das "Instant Replay", die Möglichkeit der nochmaligen Ansicht der TV-Bilder, um ihre Entscheidung zu treffen: Unsportliches Foul gegen Klepeisz, aber kein disqualifizierendes, was einen sofortigen Spielausschluss und gegebenenfalls eine Sperre nach sich gezogen hätte. Von der "schwersten Situation der Saison" sprach hinterher Schiedsrichter Benjamin Barth im Live-Interview mit dem Internet-Streamingdienst Dyn, "weil wir die Situation natürlich nicht isoliert betrachten, sondern wir uns das mehrfach angeschaut haben. Er (Owen Klassen, Anm. d. Red.) fällt auf den Fuß drauf, Tommy hat Schmerzen, er will sich da rausdrehen. Da ist ein kleiner Affekt dabei, und ich glaube da ist es ganz wichtig, dass wir Fingerspitzengefühl haben."
Fans kommen zu anderem Urteil
Anders urteilte nicht nur der Großteil der Fans in den einschlägigen Internet-Foren, auch Dyn-Experte Akeem Vargas, selbst in der Bundesliga noch für Heidelberg auf Korbjagd, widersprach dieser Sichtweise: "Für mich ist der Tritt aktiv, und damit ist es ein disqualifizierendes Foul." Mehrfach hatten sich Barth und Crew-Chief Martin Matip die Szene angeschaut, auch über die Möglichkeit eines disqualifizierenden Fouls diskutiert, diese letztlich aber doch verworfen, wie Barth einräumt: "Aus der Situation können wir natürlich auch anders herausgehen. Aber es war für das Spiel genau das richtige."
Eine erstaunliche Aussage, die den Eindruck vermittelt, dass nicht nach Regelwerk, sondern nach eigenem Ermessen entschieden wurde. Ein Empfinden, dem Nebojsa Kovacevic, seit dieser Saison Schiedsrichter-Chef der Basketball-Bundesliga, im Gespräch mit dieser Zeitung am Sonntag entgegenzutreten versuchte. Er selbst habe Barth, den er seit 15 Jahren kenne, vor Ort zum von dyn angefragten Interview geschickt, "da wir transparent sein wollen und keine Geheimnisse haben. Wir leben im Jahr 2024."
Klepeisz darf Montag wieder spielen
Barths Aussage selbst bezeichnete der 43-Jährige als "vielleicht etwas leichtfertig daher gesagt. Es ist immer eine prekäre Situation, ein Statement unmittelbar nach dem Spiel abzugeben. In meinen Augen wollte Benni nur sagen, dass am Ende alles richtig entschieden wurde." Die grundsätzliche Entscheidung, die Situation nur als unsportliches Foul zu werten, teile er: "Es ist zugegebenermaßen ein Grenzfall und sieht ehrlich gesagt nicht sehr elegant aus, was Klepeisz da macht. Aber nach meinem Ermessen war es auch keine Tätlichkeit. So habe ich es auch Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler erklärt, der mich auch kontaktiert hat." Klepeisz ist somit ohne Konsequenzen für das zweite Play-off-Viertelfinale an diesem Montag um 19 Uhr einsatzberechtigt.