Noch immer wird in der Triathlon-Szene gerne weitergetragen, was Commander John Collins am Anfang des Ironman Hawaii als handschriftliche Notiz verfasste. „Schwimme 3,8 Kilometer, radle 180,2 Kilometer, laufe 42,2 Kilometer. Prahle damit für den Rest Deines Lebens!“ Es war die Botschaft, die zur Geburtsstunde der WM 1978 die ersten 15 Männer empfingen. Bereits im Jahr darauf bewältigte mit Lyn Lemaire aus Boston die erste Athletin die Strapazen.
23 Jahre später erhält das Frauen-Rennen eine neue Wertschätzung, wenn die Profi- und Altersklassenathletinnen bereits am Donnerstag, 6. Oktober, (18.25 Uhr/ZDF-Livestream) auf die mystische Strecke gehen, während die Männer erst am Samstag starten werden. Der Hintergrund: Die Organisatoren könnten sonst den Ansturm der 5000 Aktiven nicht bewältigen, die nach zwei wegen der Corona-Pandemie ausgefallenen Rennen alle ihre Startberechtigung einlösen wollen.
Mit dabei sein wird dann auch Laura Zimmermann. Die Wahl-Würzburgerin, die sich ihren Platz für die WM bereits im November 2021 gesichert hatte, ist vor gut zwei Wochen mit ihrem Freund nach Hawaii geflogen, um sich zu akklimatisieren und vor Ort zu trainieren. Ihren letzten Erfolge feierte sie wenige Wochen vor der Abreise als Zweitplatzierte beim Ironman Ireland und Siegerin über die Mitteldistanz beim Austria Triathlon Podersdorf . Aufgewachsen ist Zimmermann in Marktoberdorf im Allgäu, heute pendelt sie zwischen Würzburg, wo sie Zahnmedizin studiert und ihre Liebe zum Triathlon entdeckt hat, und Baiersbronn, wo sie mit ihrem Lebensgefährten wohnt, hin und her.
Zimmermanns Saison war von Tiefs geprägt. Bereits im Mai dieses Jahres war die 32-Jährige bei der Ironman-WM in Utah an den Start gegangen und dort zu ihrer Enttäuschung nur auf Rang 16 gelandet. Das Rennen war ungünstig in die Zeit ihrer Periode gefallen, so dass sich die Triathletin energie- und kraftlos gefühlt hatte. Wenig später musste sie wegen mehrerer Rippenbrüche ihre Teilnahme an der Challenge Roth absagen. Fünf Wochen lang konnte sie nicht richtig trainieren. Doch in einem Höhentrainingslager in der Lombardei brachte sie sich schließlich wieder in eine Form, die sie zuletzt in Irland und Österreich eindrucksvoll unter Beweis stellte. Geht es nach ihr, darf es so gerne weitergehen.
"In die Top 20 zu kommen wäre schon extrem gut", sagte Zimmermann vor ihrer Abreise nach Hawaii im Gespräch mit dieser Redaktion und ergänzt: "Top Ten wäre das Ergebnis, von dem ich träumen würde." Zimmermann weiß, dass sie es mit einem extrem starken Starterfeld zu tun haben wird, in dem gleich drei deutsche Kolleginnen als Favoritinnen gelten.
In den Fokus rückt, ob sie will oder nicht, Anne Haug. Sie feierte 2019 mit dem jetzt verletzten Jan Frodeno einen deutschen Doppelsieg, will sich daran aber nicht mehr wirklich erinnern, „weil es so lange her ist“. Und wenn sie eines aus der Karriere weiß: Gerade auf der Trauminsel ist nichts planbar, auch wenn der Kurs so simpel wirke. Die 39-Jährige setzt auf „einen guten Riecher und gute Beine“. Auch wenn es für die Bayreutherin nach dem dritten Platz bei der Ersatz-WM in Utah und dem Sieg beim Challenge Roth („meinem Heimrennen“) bereits das dritte Langdistanzrennen in diesem Jahr ist, glaubt sie, die richtige Balance gefunden zu haben. „Auf Hawaii zählt es einfach“, sagt sie.
Vor drei Jahren war Haug nach einer Verletzung ohne große Erwartungen angereist, nun trägt sie „die Zielscheibe auf dem Rücken“, wie sie es formuliert. Am ehesten dürfte sie von der Schweizerin Daniela Ryf gejagt werden, die als fünffache Ironman-Weltmeisterin bestens beleumundet ist. Die 35-Jährige hat oft genug auf Knopfdruck der Konkurrenz düpiert. Viel vorgenommen hat sich die genau wie Haug vom Luxemburger Spezialcoach Dan Lorang betreute Britin Lucy Charles-Barclay. Die 29-Jährige gilt als exzellente Schwimmerin und wird den Wettkampf von vorne bestreiten. Vielleicht aber schiebt sich eine andere Deutsche irgendwo irgendwann dazwischen.
Laura Philipp ist längst mehr als eine Geheimfavoritin. Die 35-Jährige hat sich bei der TSG Hoffenheim ein solch professionelles Umfeld aufgebaut, dass ihr diesmal viel zuzutrauen ist. Die Hawaii-Vierte von 2019 hält aktuell die Weltbestzeiten über die 70.3-Strecke (Halbdistanz) und die volle Ironman-Distanz. Auch wenn ihre 8:18:20 Stunden beim Ironman Hamburg wegen der unterschiedlichen Streckenführungen schwer zu vergleichen sind, deutete der energetische Auftritt sehr wohl an, was die Kuchenliebhaberin aus dem Kraichgau leisten kann. Ihre Ansage: „Ich bin sicher da, falls eine der Topfavoritinnen vielleicht einen schlechten Tag erwischt“.
Da sein will auch Daniela Bleymehl. Die 34-Jährige hatte sich nach einer Babypause im vergangenen Jahr mit dem Sieg beim Ironman Südafrika und bei der Ironman Europameisterschaft in Frankfurt eindrucksvoll zurückgemeldet. Das Leitmotiv der zweifache Mutter steht auf ihrer Homepage: „Neben meiner Leidenschaft und Hingabe für meinen Sport vergesse ich nie die anderen Dinge, die mich stark machen: Mutter sein, meine Freunde und mein Umfeld zu haben, das hinter mir steht – das ganz normale Leben.“