Am Ende war es dann auch völlig egal, ob dieser 1:0-Sieg der Würzburger Kickers gegen den FC Schweinfurt 05 den Spielanteilen und Torchancen nach verdient war, oder nicht. "Man muss schon anerkennen, dass die andere Mannschaft guten Fußball gespielt hat", sagte beispielsweise der Torschütze des Abends Benjamin Girth ohne den Namen des Gegners auszusprechen. Unterm Strich war aber der Plan der Kickers aufgegangen. Zum ersten Mal in dieser Saison blieb der Tabellenführer der Fußball-Regionalliga Bayern ohne eigenen Treffer und das ausgerechnet im Derby vor der beeindruckenden Kulisse von 6874 Menschen.
Zufall war das nicht. Auch wenn es am Ende Torhüter Vincent Friedsam war, der mit seinen Paraden in der Schlussphase, den Sieg sicherte. Die Kickers hatten von Beginn an das Kalkül, den Gästen ihren Mut, ihr Selbstvertrauen und ihre Emotionalität zu rauben, indem sie vor dem eigenen Strafraum die Schotten dicht machten.
Zwei Jahre lang standen die Kickers in der Regionalliga in erster Line für spektakulären Offensivfußball. Die Zeiten sind, erst einmal vorbei. In diesem so wichtigen Derby wurde erst so richtig deutlich, was für einen Sinneswandel Neu-Trainer Martin Lanig den Rothosen verordnet hat. Erfolg braucht, so sein Motto, eine stabile Basis. "Wir haben im Spiel gegen den Ball ein System gefunden, an das die Mannschaft glaubt", sagt Lanig. Wenn erst einmal die Abwehr steht, dann kann man sich vielleicht so langsam auch um die Offensive kümmern.
Schönste Ballstafette bringt das Tor
"Es sah in den letzten Wochen nicht immer gut aus, aber wir haben eine gewisse Struktur gefunden", stellte denn auch Angreifer Girth fest: "Es ist noch nicht alles perfekt, aber mit dem dritten Sieg hintereinander aktuell sicher nicht alles verkehrt." Ganz ähnliches könnte man über Girths eigene Leistung auch sagen. Der Stürmer fiel am Freitag lange überhaupt nicht auf. Als sich Moritz Hannemann und der eingewechselte Benyas Junge-Abiol mit der schönsten Ballstafette des Abends einmal auf dem rechten Flügel durch kombiniert hatten, stand der zweitligaerfahrene Goalgetter genau richtig (81.). Acht Tore hat er nach 15 Spieltagen schon auf dem Konto. Am Ende zählen eben die Resultate.
Den Kickers schmeckte dieser, in der Fußballersprache gerne als dreckig bezeichnete, Sieg gegen den im Vorfeld so selbstbewusst daherkommenden Rivalen besonders süß. "Die Kickers aus dem Meisterrennen nehmen", wollten die Schweinfurter. So hatte es Trainer Viktor Kleinhenz im Vorfeld angekündigt. Jetzt sind die Kickers mittendrin in der Spitzengruppe. Auch wenn es noch ein paar Nachholspiele braucht, um die Tabelle zu bereinigen. In denen aber nehmen sich die Top-Teams teilweise auch gegenseitig die Punkte ab.
"Der Sieg fühlt sich sehr gut an, weil wir, wenn wir uns in die Augen gucken, wissen, dass wir das Maximale auf dem Platz gelassen haben", sagte Trainer Lanig hernach. Dass sein Team, "gemeinsam an die Sache glaubt", erfüllt den 40-Jährigen mit Freude. Der einstige Erstliga-Profi hat mit seiner besonnenen Art und dem von ihm verordneten fußballerischen Pragmatismus einen, das betonen bei den Kickers alle, "Prozess" angestoßen. Der hat zunächst einmal für bessere Ergebnisse gesorgt. Dreimal in Serie sind die Kickers nun ohne Gegentor geblieben. Großen Anteil daran hatte mit Tim Kraus auch ein Akteur, der in der Vergangenheit schon einmal das Schweinfurter Trikot getragen hatte. Bereits Ex-Trainer Marco Wildersinn hatte denn einstigen Mittelfeldakteur in der vergangenen Saison zum Abwehrspieler umgeschult und auch Lanig setzt den gebürtigen Aschaffenburg in der hintersten Dreierreihe ein. Mit viel Laufarbeit, starkem Stellungsspiel, der nötigen Zweikampfhärte und viel Ballsicherheit war Kraus dort bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung der auffälligste Akteur des Abends.
Leichte Entwarnung bei Tim Kraus
Auf der Pressekonferenz gab Lanig, was die Schwere der Verletzung angeht, schon einmal leichte Entwarnung. Bei Kraus habe nach einem Schlag in den Lendenwirbelbereich "der Muskel zugemacht", so der Kickers-Trainer, der hoffen dürfte den 24-Jährigen in der nun folgenden Englischen Woche mit Partien bei der SpVgg Greuther Fürth am Dienstag (18.30 Uhr) und gegen den FV Illertissen am Samstag (14 Uhr) wieder an Bord zu haben.
Schwere Aufgaben also für die Kickers, die sich zwar nach der Trennung von Ex-Chefcoach Markus Zschiesche nicht mehr verloren haben und nun bereits acht Spiele ungeschlagen sind, die sich selbst aber noch nicht komplett über den Berg wähnen. "Ich kann das ganz gut einschätzen: Wir sind insgesamt in keiner ganz so einfachen Situation. Wir haben uns in den letzten Wochen aber in eine Position gebracht, die uns Hoffnung macht und die Möglichkeit gegeben hat, in diesem Spiel einen Punch setzen zu können", versuchte Lanig die Lage nüchtern-sachlich einzuordnen. Und doch könnte dieser Derbysieg ein Wendepunkt in dieser Saison sein, weil auf einer Erfolgswelle reitend, oder wie der heutige Kicker sagt "im Flow", vieles leichter fällt, was vor ein paar Wochen noch so schwer zu sein schien: "Es ist gut, dass wir in einen Flow kommen. Vielleicht haben wir den Flow von der anderen Mannschaft, gegen die wir heute gespielt haben, auch unterbrochen", stellte Girth fest. Den Namen Schweinfurt nahm er dabei wieder nicht in den Mund. Ein erfahrener Spieler, wie er, weiß eben, worauf es in einem Derby ankommt.
Das Glück war dieses Mal klar auf Kickers Seite.