Kai Fehske schläft gerade nicht so viel. Jedenfalls nicht oft durch. Der 44 Jahre alte Orthopäde und Unfallchirurg ist vor gut vier Wochen zum zweiten Mal Vater geworden. Und während man an diesem Vormittag bei ihm zu Hause ein wenig plaudern darf mit ihm über seine Zeit in Würzburg und seine Zukunft in Bonn, kommt seine in Belgien geborene Frau Sarah mit dem Neugeborenen Lio auch mal ums Eck.
Mit der Rückkehr von Kai Fehske in seine rheinländische Heimatstadt geht bei s.Oliver Würzburg eine Ära zu Ende. Der Mediziner verarztete auch den Basketball-Bundesligisten nun elf Jahre lang. Und baute in dieser Zeit offenbar ein medizinisches Netzwerk auf, das man wahrscheinlich selbst in der Spitze des deutschen Mannschaftsprofisports, also in den Bundesligen im Fuß-, Hand- oder Basketball sowie dem Eishockey, nicht so häufig findet.
"Einen gewaltigen Schritt" nennt Fehske den Wechsel vom Oberarzt an der Unfallchirurgie der Würzburger Uniklinik zum Chef der gleichen Abteilung im Waldkrankenhaus der Johanniter in Bonn, wo er auch seine ersten Gehversuche als Arzt gemacht hatte. "Die Sekretärin sagte damals, als ich ging: ,Bleib doch! Du passt so gut ins Team.' Ich habe geantwortet: ,Ich komme dann als Chefarzt zurück.'" Diese kleine Anekdote sagt einiges aus. Auch über Kai Fehske. Seinen Ehrgeiz. Und wie er offenbar tickt. Die Chef-Sekretärin ist noch immer da – und freut sich laut Fehske auf die Zusammenarbeit.
Während man so am Plaudern ist, klingelt Fehskes Handy mehrfach. Einmal ist auch ein Spieler der Baskets dran. "Ich ruf' Dich gleich zurück." Das Schicksal eines Vaters in Elternzeit, der eine Herzensangelegenheit in Würzburg beendet. "Basketball fand ich schon immer unglaublich klasse", sagt Fehske, der selbst nie über die Regionalliga hinausgekommen ist: "Ich war einfach zu klein und zu schlecht." Er schmunzelt dabei.
Seinen Kontakt zum Profisport hat Arzt Fehske, der jüngst habilitiert hat und Medizin und Sport parallel studiert hatte, dem Bonner Unfallchirurgen Kurt Steuer zu verdanken. "Mein Mentor", wie der Sohn eines Klinikchef-Kardiologen sagt. Fehske hatte auch bei der Bonner Tageszeitung "General Anzeiger" und beim damaligen Musiksender Viva als Praktikant reingeschnuppert. "Eigentlich wollte ich beruflich etwas mit Medien machen."
Damals, in den Neunzigern, waren – im Gegensatz zu heute – die Jobaussichten für Mediziner nicht allzu rosig. Der renommierte Arzt Steuer nahm Fehske unter seine Fittiche – und mit zur Handball-Nationalmannschaft, die er damals nebenbei betreute. Das war 2006. Fehskes Beginn in der Medizin im Profisport.
Nun, am 1. April 2022, beerbt Kai Fehske seinen Mentor in Bonn. "Das wird eine ganz neue Erfahrung, ein größeres Team zu führen." Auch wenn Fehske betont, dass er als Mediziner "vielleicht eine ein wenig altruistische Einstellung" habe, also eine eher uneigennützige, weil "ich die 90-Jährige mit Oberschenkelhalsbruch natürlich genauso gerne operiere wie das gerissene Kreuzband eines Profisportlers" – Tatsache ist freilich auch: "50 Prozent meiner OPs in Würzburg waren Sportler." Profis, aber auch Hobbyathleten.
Die Unterschiede, wenn das Fußgelenk bricht
Natürlich auch Basketballer. Es ist interessant, einem Fachmann zuzuhören, wenn er erklärt, warum es bei identischen schwerwiegenden Verletzungen wie etwa einem Bruch des Sprunggelenks bei Handballern, Fußballern und Basketballern unterschiedlich lange dauern kann, bis sie zurückkehren, wenn sie es denn überhaupt können. Bei einem Fußballer kann das im günstigen Fall nach gelungener Operation laut Fehske gut drei Monate dauern. Bei einem Basketballer auch schon mal ein Jahr. Der Grund, ganz holzschnittartig auf die simpelste Stufe heruntergebrochen: Die Belastung "des Gelenks ist eine völlig andere". Sagt der Fachmann.
Stichwort Kreuzband: Ex-Center Justin Sears, insgesamt drei Mal gerissen, plus Achillessehnenriss, in den letzten drei Jahren, davon zweimal in Würzburg. Nicolas Carvacho zu Beginn der aktuellen Saison. Stichwort Ellenbogen: Robert Lowery in der vergangenen Saison. Ganz aktuell Stichwort Sehnenreizungen, die laut Fehske "auch Karrieren beenden können": Aigars Skele, William Buford, Felix Hoffmann, Desi Rodriguez. Die Baskets sind ordentlich gebeutelt worden mit einer skurril erscheinenden, aber sportlich auch dramatischen Verletzungsserie in den vergangenen eineinhalb Jahren.
"Schwierig, weil die Fälle alle sehr individuell sind", sagt Fehske, der natürlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt. "Grundsätzlich kann man aber sagen, dass wir in den letzten Jahren schon auch manchmal Spieler verpflichtet haben, die zwar unsere intensiven medizinischen Tests bestanden haben, aber die eben auch oft Vorerkrankungen und Vorverletzungen hatten und deshalb natürlich anfälliger waren, sich erneut zu verletzen als ein kerngesunder Sportler, der noch nie verletzt war."
Ist die Mannschaft nun fit, oder warum nicht?
Dem im Dezember entlassenen Baskets-Trainer Denis Wucherer wurde im Nachhinein gerne vorgeworfen, die Mannschaft sei nicht fit. In kleinem Kreis deutete er schon mal an, dass er auch der Empfehlung der medizinischen Abteilung des Klubs nachgekommen sei, sein Training doch, bitteschön, etwas zu dosieren. Um die Gesundheit der Spieler kümmert sich insgesamt ein gutes Dutzend Menschen, neben mehreren Ärzten, natürlich auch Physiotherapeuten und Athletiktrainer, die sich großteils neben ihrem Beruf dem Klub widmen. Da gehört viel Absprache dazu. Fehske sagt, er habe einen Stammtisch mit allen medizinisch Beteiligten gegründet, bei dem immer wieder der aktuelle Zustand aller Spieler diskutiert wurde. Manchmal kamen auch Vertreter des Vereins dazu. Die Fäden sind bei Fehske zusammengelaufen.
Er lächelt, wenn man ihn ganz grundsätzlich auf Trainingsdosierung und Wucherers Andeutungen anspricht. Das Lächeln wirkt wissend und auch ziemlich vielsagend. Fehske nickt kurz, ehe er meint: "Wir hatten in dieser Saison aus medizinischer Sicht im Grunde zwei Vorbereitungen. Eine im August, als sich währenddessen viele Spieler verletzt haben oder eben bereits angeschlagen ankamen. Und eine nach dem Trainerwechsel und der sich kurz darauf anschließenden Corona-Pause."
Extrem geschwächt nach der Corona-Pause
Natürlich hat die medizinische Abteilung der Baskets die Leistungsdaten aus dem August mit jenen nach der Corona-Pause verglichen. "Viele Spieler waren extrem geschwächt", sagt Fehske: "Wenn ein Profisportler während der Saison auch nur eine Woche nicht trainieren kann oder darf, das ist lang für ihn, dann nehmen die Muskelmasse ab und der Fettanteil zu. Nicht umsonst spricht man inzwischen gerne von den Corona-Kilos." Selbstverständlich verweigert Fehske die Antwort, bittet man ihn um aktuelle Beispiele bei den Baskets, wer in der Corona-Isolation vermutlich häufiger Fast-Food-Lieferdienste in Anspruch genommen hat.
Während des Gesprächs sagt Kai Fehske, der bei den Baskets in gut elf Jahren sieben Trainer und einen Geschäftsführer erlebte, dann noch ein paar weitere bemerkenswerte Sätze, zum Beispiel diese: "Im Gegensatz zu uns: Wenn wir Nicht-Profisportler trainieren, wollen wir besser werden. Leistungssportler trainieren aber nicht, um ihr in der Vorbereitung gelegtes physisches Fundament besser zu machen. Das kannst du während der Saison nicht. Sie trainieren letztlich, um ihr körperliches Niveau zu erhalten."
Bei den Baskets trainieren sie gerade zwar ohne ihren Kapitän Hoffmann, der seinen Sehnenanriss im Sprunggelenk therapiert, aber nach eigener Auskunft mit Spezialschuh bei fast jeder Einheit die Stufen zum Trainingszentrum hochhumpelt. Dafür inzwischen aber mit Abdul-Malik Abu. Der neue Center versucht gerade, nachdem er die medizinischen Checks bei Fehske und Co. bestanden hat, die Systeme von Trainer Sasa Filipovski zu lernen.
Ein paar gute Kontakte in die Heimat
"Ich habe immer gesagt, wenn ich Würzburg verlasse, dann nur in Richtung Heimat", sagt Fehske. Sein Nachfolger bei den Baskets soll sein Würzburger Uniklinik-Kollege Benedikt Schmitz werden.
Und er? In Bonn gibt's ja auch einen Basketball-Bundesligisten. "Ich habe auch noch ein paar gute Kontakte aus alten Zeiten, ja", sagt Fehske. Dürfte also nicht verwundern, wenn er weiterhin seinem Lieblingssport verbunden bliebe.
Er geht jetzt erst einmal alleine nach Bonn. Frau und die zwei kleinen Kinder, der erste Sohn ist auch gerade einmal drei Jahre alt, werden folgen, wenn sie eine neue Bleibe gefunden haben. Kai Fehske lächelt, als er das erzählt. Womöglich auch, weil er davon ausgeht, in der Übergangszeit mal wieder durchschlafen zu können.