Das Würzburger Fanprojekt steht vor dem Aus. Beim letzten Regionalliga-Heimspiel der Kickers vor der Winterpause gegen den FV Illertissen (2:0) Mitte November machten Fans bereits mit verschiedenen Transparenten darauf aufmerksam. Am Donnerstag (30. November) fällt im Jugendhilfeausschuss des Würzburger Stadtrats der Beschluss, ob die Kommune weiterhin für die Fan-Sozialarbeit Geld bezahlt. Geht es nach der Beschlussvorlage der Verwaltung, läuft die Förderung zum Ende der Saison 2023/24 aus. Der Landkreis Würzburg hat bereits entschieden, das Projekt nicht weiter mitzufinanzieren.
100.000 Euro vom DFB
Auch wenn der größte Anteil, nämlich 100.000 Euro und damit der Hälfte der jährlich veranschlagten 200.000 Euro vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) kommt, wäre mit dem Ausstieg beider kommunalem Förderer das Fanprojekt am Ende. Sowohl Stadt als auch Landkreis fördern das Projekt mit 25.000 Euro, 50.000 Euro steuert der Freistaat Bayern hinzu.
Voraussetzung für die Unterstützung des DFB ist aber das Engagement der Stadt. Der Fußballbund verdoppelt diese Summe dann. Die Würzburger Kickers, an deren Fans sich das Angebot richtet, sind finanziell nicht beteiligt. Das ist bei Projekten dieser Art auch so üblich. Auch an den anderen Standorten werden Fanprojekte nicht von den Klubs finanziert.
"Gerade in Würzburg macht dieses Projekt Sinn, weil viele Strukturen nach dem sportlichen Abstieg der Kickers in den vergangenen Jahre nicht mehr vorhanden sind", sagt Christian Exner von der beim Deutschen Sportbund angesiedelten Koordinierungsstelle Fanprojekte KOS, die die insgesamt 72 deutschen Fanprojekte betreut. Dass, wie im Fall Würzburg geplant, bereits nach zwei Jahren eine Kommune aus der Finanzierung aussteigt, ist ein absolutes Novum und, wie Exner findet, kein gutes Zeichen für viele Heranwachsende: "Man sollte auch daran denken, welches Signal man an die Jugendlichen sendet, die in der Fanszene aktiv sind."
Erst im Jahr 2021 war das Fanprojekt in Würzburg gegründet worden. Damals spielten die Kickers in der 3. Liga, die Fanszene lag aber aufgrund der Corona-Krise noch im Dornröschenschlaf. Seither hat sich im Umfeld des Klubs einiges getan. Nach dem Abstieg in die Regionalliga, dem Ende der Corona-Maßnahmen und der Rückkehr der organisierten Anhängerinnen und Anhänger auf die Ränge, hat sich – für viele hörbar – auch die Form der Unterstützung des Teams auf den Rängen verändert.
Der Standort der Stimmungsblocks auf der Haupttribüne war zwischenzeitlich sogar Gegenstand eines Streits zwischen den Kickers und der Stadt. Nun wollen die Fans ihren neuen Bereich in Eigenleistung umbauen. Das Fanprojekt habe gerade bei der Gestaltung des neuen Stimmungsblocks, so heißt es in einer Ausarbeitung für den Jugendhilfe-Ausschuss, ein Mandat, mit den Behörden und der Polizei für die Fanszene zu sprechen. Das spreche, so stellt Exner fest, für das Vertrauen, das sich die Sozialarbeiter in den letzten Jahren erarbeitet haben. Neben festen Öffnungszeiten beim Fantreff in Heidingsfeld, stehen auch sogenannte Jugendfahrten zu Auswärtsspielen ohne Alkohol und Zigaretten oder Informationsveranstaltungen zu Politik und Gesellschaft auf dem Programm.
Fantreff in Heidingsfeld "nur mäßig bis schlecht besucht"
In der Stadtverwaltung indes blickt man ganz anders auf die Entwicklung der Würzburger Fan-Sozialarbeit. Rund 23 Prozent der insgesamt 469 mit dem Projekt erreichten Fans ist älter als 26 Jahre. Das ist das Ergebnis einer von der Stadt beauftragten Auswertung, mit der die Arbeit des Fanprojekts bewertet werden soll. "Der Fokus der offenen Jugendarbeit liegt aber bei der Altersgruppe der Minderjährigen bzw. bei den jungen Volljährigen bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres", heißt es in der Beschlussvorlage für den Jugendhilfeausschuss des Stadtrats: "Auch waren die regelmäßigen Öffnungstage des Fantreffs nur mäßig gut bis schlecht besucht." 4,9 Besucher seien in dieser Saison im Schnitt gekommen. Auch mit Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen an Schulen oder der Jugendhilfe im Strafverfahren habe es keinerlei Berührungspunkte gegeben.
Kurzum: Die Verwaltung kommt zum Schluss, dass das Fanprojekt, bei dem es derzeit zwei Vollzeitstellen gibt, nicht notwendig sei. Schließlich seien ja auch Hilfe in der Schule, bei der Berufswahl oder auch bei Konflikten mit der Polizei Gründe für die Gründung gewesen. "Diese genannten Anforderungen konnten wir in der Arbeit in Würzburg nicht erkennen", heißt es in der Beschlussvorlage.
"Wir interpretieren die Zahlen etwas anders. Aus unserer Sicht ist das Würzburger Fanprojekt absolut etabliert", entgegnet Exner. "Das Stadion ist am Wochenende Würzburgs größtes Jugendzentrum", betont der dort angestellte Sozialarbeiter Jonathan Freudenberger. Dort und nicht im Fantreff würden Anhänger und Anhängerinnen der Kickers in Kontakt mit den Sozialarbeitern kommen, so Exner. Schon der Protest gegen eine mögliche Streichung des Fanprojekts im Stadion zeige doch die Akzeptanz.
Auf rund 300 Personen pro Spiel schätzen die Fanprojekt-Mitarbeitenden ihr derzeitiges Klientel und nennen die Fußball-Ultras "die größte Jugendkultur Europas". Dabei gelte es doch vor allem, Präventionsarbeit zu leisten. Zu verhindern, dass politische Extremisten unter den Anhängern und Anhängerinnen Fuß fassen, ist eines der Ziele, die sich das Fanprojekt auf die Fahnen geschrieben hat. So steht es in dem Interessenpapier des Fanprojekts an den Stadtrat.
"In der Jugendarbeit braucht es Ausdauer"
"In der Jugendarbeit braucht es auch Ausdauer. Es muss Vertrauen aufgebaut werden. Das wurde in Würzburg geschafft. Es wäre sehr schade, wenn das Projekt nun schließen müsste. Denn die Erfahrung zeigt, dass so etwas, wenn es erst einmal kaputtgeht, schwer wieder aufzubauen ist", ist Fanprojekt-Lobbyist Exner überzeugt. Auf der anderen Seite steht die städtische Verwaltung mit ihren Finanznöten. Aufgrund derer sei es nötig, "die Effizienz der gewährten Leistungen kritisch zu hinterfragen", heißt es in der Ausarbeitung für den Jugendhilfeausschuss.