Die Regionalliga Bayern hat in der vergangenen Saison nicht nur Erfolgsgeschichten geschrieben: Wirtschaftliche Probleme bei den Würzburger Kickers und Meister SpVgg Unterhaching, die Reamateurisierung beim FC 05 Schweinfurt oder die Razzia beim TSV Aubstadt trübten zuletzt das Bild. Grund genug, etwas zu verändern? Ein Gespräch mit dem Präsidenten des Bayerischen Fußballverbandes (BFV) Christoph Kern:
Christoph Kern: Fakt ist, dass wir um unsere Regionalliga gekämpft haben. Es gab in den letzten Wochen und Monaten viele Stimmen, die erklärten, wir müssten die Attraktivität aller deutschen Regionalligen steigern, indem wir eine Regelung schaffen, damit alle Meister zwingend aufsteigen. Dass dem nicht so ist, ist ein Makel, der sich nicht wegzudiskutieren lässt. Wenn man den aber mal zurückstellt, stellt man fest: Die Regionalliga Bayern ist eine besondere Spielklasse mit einer besonderen Struktur – vom Dorfverein, über Lizenzvereine bis hin zu Profiklubs. Als zuständiger Verband halten wir fest, dass diese Liga in ihrer Art einzigartig ist.
Kern: Dass wir in elf Jahren acht Aufsteiger gestellt haben, ist aber sicher eines. Wir sind sportlich mindestens auf Augenhöhe. Ich habe mir das Aufstiegs-Hinspiel zwischen Cottbus und Unterhaching im Livestream angeschaut und musste schmunzeln, als der Moderator behauptete, die Regionalliga Bayern sei schwächer als die Nordost-Liga. Beim Rückspiel in Unterhaching war ich dann selbst vor Ort: Wenn wir am Schluss die Tore zusammenzählen, hat Cottbus einmal – übrigens per Elfmeter – getroffen und Unterhaching fünfmal. Das war dann schon ein Unterschied. Aber ein anderer als ihn viele erwartet haben.
Kern: Diese Initiative kam aus dem Nordosten, federführend vom Regionalliga-Klub Carl Zeiss Jena. Von dort ist man auf uns und unsere Klubs zugekommen und wir haben auch ergebnisoffen an diesen Gesprächen teilgenommen. Am Ende kam dabei ein Vorschlag heraus, der fünf Drittliga-Absteiger vorsieht. Was aber kategorisch abgelehnt wurde, war eine Aufteilung der Regionalliga Nordost. Und deshalb habe ich den Vereinen auch kommuniziert, dass die Regionalliga Bayern sicher weiterbesteht. Denn wenn die Nordost-Liga unverändert bleiben soll, sind alle diskutierten Modelle einer Neuaufteilung unmöglich – im Übrigen auch, dass wir zusammen mit Thüringen und Sachsen eine gemeinsame Liga bilden.
Kern: Wahrscheinlich schon. Klar würde es dann vielleicht ein Spiel wie Schweinfurt gegen Jena geben, das seinen Reiz hätte. Nur könnte es genauso zur Partie Schweinfurt gegen Meuselwitz oder auch gegen Eilenburg kommen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Attraktivität einer neuen Liga so groß wäre, dass es uns das wert ist, die Spielklasse, die wir als Landesverband zusammen mit unseren bayerischen Klubs gestalten können, aufzugeben. Aber diese Frage stellt sich nun nicht mehr. Thüringen und Sachsen haben eine solche Lösung kategorisch abgelehnt. Das bedeutet auch: Wir bleiben in diesen Liga-Strukturen.
Kern: Dass die 3. Liga das so abgelehnt hat, war zu erwarten. Da sieht man den vierten Absteiger schon als großes Zugeständnis. Als aus dem Nordosten, nachdem klar wurde, dass ein fünfter Absteiger nicht durchsetzbar ist, der Plan kam, unter allen fünf Regionalligen vier Aufsteiger auszuspielen, um eine vermeintliche Gleichbehandlung zu erreichen, waren wir nicht mehr mit im Boot. Wenn wir etwas verändern, dann müssen die Meister tatsächlich aufsteigen. Aber da gibt es derzeit keine tragfähige Lösung. So wurde uns auch aus der Nord-Regionalliga, wo der Meister auch nur in jedem dritten Jahr direkt aufsteigt, klar signalisiert, dass sich dort alle Klubs eindeutig für das aktuelle Konstrukt ausgesprochen haben und nichts gegen Aufstiegsspiele einzuwenden haben. Da gab es keinerlei Bereitschaft, sich einer Initiative anzuschließen. Was soll denn dabei herauskommen, wenn nicht einmal die Betroffenen geschlossen hinter einer Reformidee stehen?
Kern: Das haben wir mit den Drittligisten auch besprochen. Aber dagegen spricht schon der aktuelle Fernsehvertrag, der für die 3. Liga außergewöhnlich ist. Der hat aber als klare Voraussetzung, dass es eine einheitliche Spielklasse gibt. Ich habe versucht, unsere bayerischen Klubs in den aktuellen Prozessen immer einzubinden. Am Ende muss ich aber feststellen: Es gibt aktuell zum Status Quo keine realistisch durchsetzbare Alternative. Wenn es eine gäbe, stünde ich ihr gewiss offen gegenüber.
Kern: Ich kenne diese Stimmen. Aber wir haben in Bayern innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes auch ein Fünftel der Mitglieder und der Mannschaften. Dann ist es auch gerecht, dass wir eine eigene Regionalliga haben. Natürlich können wir, was die Zuschauerzahlen angeht, noch weiter aufholen. Aber es kommen immerhin im Schnitt über 150 Zuschauerinnen und Zuschauer mehr als bei Spielen in der Regionalliga Nord. Und wenn ich sehe, dass bei den Würzburger Kickers 2600 Zuschauende pro Spiel sind, dann ist es ja nicht so, dass wir gar keine Publikumsmagneten hätten. Ich finde nicht, dass ich mich für eine eigenständige Regionalliga rechtfertigen muss.
Kern: Ich bemerke natürlich, dass wir bisweilen kritisch beäugt werden. Deshalb muss es darum gehen, attraktiv aufzutreten. Wir hatten erst kürzlich ein Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Da ging es um TV-Live-Sendeplätze. Da hat man uns gesagt: Wir brauchen Top-Spiele und keine Konkurrenz mit anderen Partien. Wir werden kleine Schritte gehen. Einer ist es, dass wir in den Länderspielpausen, wenn in anderen Spielklassen der Betrieb ruht, im Regionalliga-Spielplan attraktive Partien eingeplant haben, um zu versuchen, uns im Fernsehen live zu platzieren. Wir haben im Dritten übrigens einen festen Platz am Samstagnachmittag, was keine Selbstverständlichkeit ist: Der BR hat hier 27 Zusammenfassungen gezeigt, die über 3,5 Millionen Menschen gesehen haben. Dazu kommen weit mehr als zwei Millionen, die sich die von uns produzierten Partien ansehen. Diese Zusammenfassungen gibt’s schon kurz nach Spielschluss.
Kern: Es darf keine Denkverbote geben – und ich frage bewusst provokativ und völlig unabgestimmt: Wollen wir die Regionalliga öfter auch einmal am Montag spielen lassen? Ja, das ist ein Problem, wenn zum Beispiel Aschaffenburg in Schalding-Heining spielt. Aber, wenn man präsent in den Medien sein will, muss man die schwarzen Flecken im TV-Programm nutzen. Wir werden solche Pläne nur dann verfolgen, wenn die Vereine das wirklich wollen. Es ist ein schwieriger Spagat, das ist mir schon klar. Und unser Fußball muss für die Fans da sein. Die sitzen aber auch vor dem Fernseher – und wir hatten die Montagsspiele ja schon bei SPORT1. Damals war es ein Highlight für jeden Klub, da wurde eher darum gestritten, wer jetzt das Fernsehspiel bekommt, die Zahl war ohnehin überschaubar. Aber attraktiv wird diese Liga nur durch weitere mediale Präsenz und die bekommen wir nur, wenn wir nicht gegen „Dahoam is dahoam“ oder ähnlich populäre Formate konkurrieren müssen.
Kern: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist in dieser Saison kein Thema. Bislang gibt es sie auch in keiner anderen Regionalliga. Ein solches Verfahren würde die Vereine selbst erst einmal viel Geld kosten. Wenn die Klubs das wollen würden, dann würden wir darüber reden. Wenn ich mich aber an die Fälle Türkgücü München und KFC Uerdingen in der 3. Liga erinnere, muss ich mich fragen, ob ein solches Verfahren zielführend ist. Man kann ja nur die Zahlen prüfen, die ein Verein vorlegt: Stehen Aufwand und Kosten in einem richtigen Verhältnis. Ich würde sagen: Nein! Momentan glaube ich, dass der dringende Appell, dass man nur einen Euro ausgeben kann, wenn man ihn zuvor eingenommen hat, ausreicht.
Kern: Der Verband kann nicht alles regeln. Für gewisse Dinge sind die Vereine selbst verantwortlich, natürlich zuerst dafür, dass Normen und Gesetze eingehalten werden. Im konkreten Fall Aubstadt sprechen wir von einem laufenden Verfahren. Wir wollen erst einmal abwarten, ob da überhaupt etwas hängen bleibt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Völlig unabhängig von diesem Fall: Wenn einer schummeln will, dann können wir das als Verband nicht verhindern.
Kern: Diese Frage haben wir uns kürzlich im Zusammenhang mit der 3. Liga auch im DFB-Vorstand gestellt. Ich brauche nicht erläutern, dass es, was die DFB-Mannschaften angeht, derzeit nicht rund läuft. Die große Frage ist, wie wir die Nachwuchsförderung verbessern. Ursprünglich sollte die 3. Liga eine Ausbildungsliga werden, in der junge Spieler die Möglichkeit haben, unter Profibedingungen spielen und sich weiterentwickeln zu können. Im Laufe der Jahre ist sie aber weitgehend zu einem Sammelbecken für erfahrene Profis geworden. Jetzt gibt es Überlegungen, wie man das ändert. Zum Beispiel mit dem Fördertopf, aus dem Klubs für den Einsatz von jungen Spielern finanziell belohnt werden. Daraus folgt automatisch die Frage: Wie gestalten wir die Regionalliga?
Kern: Wir müssen uns fragen: Wollen wir diese Mannschaften tatsächlich draußen aus der Liga haben oder ist es für den Fußball insgesamt besser, wenn sogar noch mehr zweite Mannschaften hinein kommen in die Liga. Ein Beispiel: Als der FC Ingolstadt aus der 2. Bundesliga abgestiegen ist, musste seine zweite Mannschaft raus aus der Regionalliga, weil es eine Regelung gibt, die besagt, dass zwischen erster und zweiter Mannschaft eine Spielklasse liegen muss. Nun wäre es im Sinne des Nachwuchsleistungszentrums in Ingolstadt aber besser, die zweite Mannschaft könnte in der Regionalliga spielen. Mir ist aber auch klar, dass ein Spiel Greuther Fürth II gegen FC Ingolstadt II möglicherweise zwar spielerisch absolut attraktiv ist, aber kaum Massen anzieht. Im Falle der Zweitvertretung des FC Bayern sieht das schon anders aus. Da sind wir dann wieder beim Thema Vermarktung. Wir müssen uns klar werden: Was für eine Liga wollen wir in Zukunft haben?
Kern: Naja. Buchbach zum Profiklub zu machen, wäre absurd. Da wird mir dort nun auch niemand böse sein. Aber wir stehen am Tor zum Profifußball und es steigen ja auch Klubs dorthin auf. Wir können keine Amateure in die Profiliga schieben. Deshalb brauchen wir in dieser Liga ein Feld an Mannschaften, die profifähig sind, beziehungsweise schon eine Weile unter Profibedingungen arbeiten. Wir brauchen auch in der ganzen Liga einen gewissen Grad an Professionalisierung. Zu Corona-Zeiten hat man sich zur Profiliga gemacht, damit gespielt werden konnte. Das konnte man gut begründen. Aber wenn man das heute bewertet, muss man bei einzelnen Vereinen bei der Konkretisierung Abstriche machen.