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Fußball
Frauen und ihre Erfahrungen in Männerfußball-Mannschaften: "Es geht bei den Jungs deutlich körperlicher zu"
Doofe Sprüche, Probleme mit den Umkleiden und Duschen oder doch eine reibungslose Eingewöhnung? Fußballerinnen berichten, wie es ist, mit Männern zu kicken.
Von links: Tanja Benchert, Chiara Warmuth, Lena Grau und Michaela Weigand spielen bei den Männern des FV Rannungen/Pfändhausen/Holzhausen. Als Spielertrainer der Dritten freut sich Andreas Tschorn darüber.
Foto: Josef Lamber | Von links: Tanja Benchert, Chiara Warmuth, Lena Grau und Michaela Weigand spielen bei den Männern des FV Rannungen/Pfändhausen/Holzhausen. Als Spielertrainer der Dritten freut sich Andreas Tschorn darüber.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 02.04.2024 02:45 Uhr

Als erste Frau im unterfränkischen Männerfußball debütierte Chiara-Sophie Matthes vom FC Reichenbach vor eineinhalb Jahren in der Rhöner B-Klasse. Dort hat sie sich behauptet und läuft auch heute noch für die SG Burglauer II/Reichenbach III/Windheim II auf. Der Exoten-Status ist mittlerweile weg: In Bayern sind 112 Frauen für Männermannschaften gemeldet, 24 davon in Unterfranken.

Auch die 29-jährige Tanja Benchert spielt seit Saisonbeginn Fußball in einer Männermannschaft - wie noch fünf andere Frauen beim FV Rannungen/Pfändhausen/Holzhausen. Da hätten anfangs einige Konkurrenten in der B-Klasse Rhön 2, wo die Dritte der Spielvereinigung zu Hause ist, große Augen gemacht. "Es gab Sprüche von den Zuschauern, aber nie unter der Gürtellinie", erzählt Benchert. "Eher mal, wenn eine dem Sohnemann den Ball abgenommen hat."

Spielertrainer Andreas Tschorn: Die Frauen sind eine echte Verstärkung

Als in Rannungen (Lkr. Bad Kissingen) die Frauenmannschaft nach zahlreichen Abgängen vor dem Aus stand, die neu formierte SG mit Weichtungen aus der Bezirksliga in die Kreisliga zurückgezogen ist, suchten einige Spielerinnen eine zusätzliche Herausforderung - und wurden bei den Männern fündig. "Wir wollten den Spielbetrieb unserer Dritten aufrecht halten, da waren die Mädels willkommen", sagt der stellvertretende Vorsitzende Andreas Tschorn. "Sie sind eine echte Verstärkung." Tanja Benchert ist Stammspielerin, Isabell Reck hat Einsätze im Kreisliga-Team.

Dass die FV-Dritte auf Platz elf von zwölf Mannschaften in der B-Klasse Rhön 2 liegt, stört weder Tschorn, der mit 44 Jahren als Spielertrainer mitkickt, noch Benchert. Die Verwaltungsangestellte einer psychosomatischen Klinik in Bad Kissingen, die früher bei der SG Oerlenbach/Ebenhausen mit Männern Basketball gespielt hat, vermisst allenfalls das taktischere Spiel aus der Frauen-Bezirksliga: "Es geht bei den Jungs deutlich körperlicher zu. Aber ich gehe selbst gerne mit dem Körper rein. Da muss der ein oder andere Mann schauen, wie er vorbeikommt", sagt Benchert. Sie spielt mal im Mittelfeld, mal im Sturm. "Für die Abwehr fehlt die Masse."

Das Bier nach dem Spiel gehört auch für die Frauen dazu

An Akzeptanz habe es ihr nie gemangelt. Auch das mit dem Duschen sei unkompliziert geklärt worden. "Wobei wir Mädels lieber zuerst dran sind, weil die Männer tatsächlich länger brauchen", erzählt Tanja Benchert. "Bei uns ist keine dabei, wo das Tape zum Trikot passen muss." Modedebatten gibt es derzeit trotzdem: über das neue, in pink und lila gehaltene Auswärts-Trikot der deutschen Männer-Nationalmannschaft. "Keine schlechte Abwechslung, aber man muss sich erst noch dran gewöhnen", sagt Benchert.

Die sechs Spielerinnen des FV Rannungen/Pfändhausen/Holzhausen, von denen eine derzeit wegen einer Schwangerschaft pausiert, haben sich schnell eingewöhnt. "Wir wissen, wie man eine Bierflasche aufmacht. Nach den Spielen gibt es immer einen Kasten. Wir setzen uns zusammen und quatschen. Das ist richtig schön", sagt Benchert. Die eine oder andere spielt mit ihrem Mann oder Freund in einem Team. "Großartig gezickt, wer besser war, wird hinterher aber nicht."

Jennifer Wagner wechselt nach einer Saison zurück zu den Frauen des FC 05 Schweinfurt

Nicht ganz so gut läuft es dagegen bei Jennifer Wagner. Die 25-Jährige fühlte sich bei der SG Gochsheim III/Weyer II sowie allgemein in der Liga zuletzt nicht mehr akzeptiert und wechselt nach nur einer Saison im Sommer zurück zu den Frauen des FC 05 Schweinfurt.

"Ich habe eine größere sportliche und psychische Herausforderung gesucht", erklärt Jennifer Wagner ihren Wechsel zu den Männern im Sommer 2023. A-Klasse statt Landesliga - und ein kernigerer Umgangston auf dem Feld. "Ich wollte mein Selbstbewusstsein ausbauen." In Ansätzen habe das geklappt. Doch 15 überwiegend kürzere Einsätze waren ihr zu wenig. 

Meist eine Halbzeit, manchmal zehn Minuten - das sagt die Statistik über die Schweinfurterin, die im Leopoldina-Krankenhaus eine Ausbildung zur Pflegefachfrau absolviert. 

Zu viel Zeit auf der Ersatzbank, zu wenig auf dem Feld: Jennifer Wagner wünscht sich bei den Männern der SG Gochsheim III/Weyer II mehr Einsätze. 
Foto: Michi Bauer | Zu viel Zeit auf der Ersatzbank, zu wenig auf dem Feld: Jennifer Wagner wünscht sich bei den Männern der SG Gochsheim III/Weyer II mehr Einsätze. 

"Im Verein haben wir sie mit offenen Armen empfangen", sagt Trainer Maximilian Meder. "Ich habe größten Respekt davor, wenn Frauen den Schritt wagen. Körperlich ist das nicht einfach, aber Jennifer hat sich wacker geschlagen."

Probleme bei der Nutzung von Umkleiden und Duschen

Probleme hatte Jennifer Wagner bei der Nutzung der Umkleiden und Duschen: "Einige nehmen keine Rücksicht, springen rein, sagen 'Oh, sorry'. Mit dem Resultat, dass ich inzwischen zu Hause dusche", erzählt sie. Trainer Meder kennt die Problematik: "Die räumliche Trennung ist in bestehenden Sportheimen nicht hinzubekommen."

Robust im Zweikampfverhalten: Jennifer Wagner (SG Gochsheim III/Weyer II) bremst ihren männlichen Gegenspieler.
Foto: Philipp Skrzybski | Robust im Zweikampfverhalten: Jennifer Wagner (SG Gochsheim III/Weyer II) bremst ihren männlichen Gegenspieler.

Schwerwiegender seien für sie ohnehin sportliche Gründe, das Experiment als gescheitert zu werten, sagt Wagner. Sie sei ein ehrgeiziger Mensch, wolle nicht nur zum Spaß kicken. "Ich bereite mich immer gewissenhaft vor, habe aber das Gefühl, dass meine Leistung unterschätzt wird."

Trainer Maximilian Meder erklärt, dass eine dritte Mannschaft sich für sportliche Entwicklung kaum eigne - bei einer Trainingseinheit in der Woche.

Negative Erlebnisse als Schiedsrichterin selbst in Jugendspielen

Kreisliga, wo die Zweite des Landesligisten spielt, würde sich Wagner zutrauen - will aber woanders keinen zweiten Versuch mehr wagen: "Ich laufe wieder Gefahr, dass man mich, nur weil ich eine Frau bin, maximal zehn Minuten spielen lässt und ich in der Zweiten oder Dritten lande", sagt sie.

Dennoch bleibt Jennifer Wagner dem Männerfußball erhalten: als Schiedsrichterin. Auch in dieser Rolle habe sie schon "Diskriminierung und Sexismus erfahren", sagt die 25-Jährige. "Dass die mit ihren fetten Stampfern überhaupt laufen kann", habe mal ein U-13-Kicker gerufen. "Aber ich werde mich nicht abmelden. Sonst haben solche Leute gewonnen. Ich lasse mich nicht klein kriegen."

 
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