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Olympia 1972
Ein Schweinfurter Kampfrichter erinnert sich an 1972: "Der olympische Geist hat gesiegt, aber der Glanz hat gefehlt"
Herbert Brehm hat 1972 die Olympischen Spielen in München hautnah miterlebt, als Radsport-Kampfrichter. Auch mit 88 Jahren erinnert er sich noch genau.
Vor 50 Jahren bei den Olympischen Spielen in München als Kampfrichter dabei, hat Herbert Brehm aus Bergrheinfeld noch beste Erinnerungen an die Sommerspiele 1972. Auch dank Dackel Waldi, dem damaligen Symboltier der Spiele.
Foto: Anand Anders | Vor 50 Jahren bei den Olympischen Spielen in München als Kampfrichter dabei, hat Herbert Brehm aus Bergrheinfeld noch beste Erinnerungen an die Sommerspiele 1972.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:47 Uhr

An Dackel Waldi, Symboltier der "heiteren Spiele", erinnern sich heute nur noch wenige. Kampfrichter Herbert Brehm hat das buntgestreifte Olympiamaskottchen vor 50 Jahren aus München mitgebracht, für Töchterchen Ursula, die sich einen echten kleinen Hund erhofft hatte. Der kam erst später, wie sich Vater und Tochter in Bergrheinfeld erinnern.

"Man schrieb das Jahr 1972, als uns die Mitteilung erreichte, dass wir ausgewählt wurden, als Wettkampfhelfer oder Funktionäre an den 20. Olympischen Sommerspielen von München teilzunehmen." So beginnt die Broschüre, die der langjährige Vorsitzende des Radrenn- und Motorsportclubs 1950 Schweinfurt zusammengestellt hat. Beschrieben werden darin die Münchner Ereignisse vom Spätsommer 1972, die nicht nur Sportgeschichte geschrieben haben.

Bis 2012 trafen sich Brehm und die anderen ehemaligen Radsport-Kampfrichter als "Olympia Club" noch regelmäßig, zuletzt in Bamberg, dann forderte das Alter seinen Tribut. Bundesweit gebe es nur noch sechs von 52 Ehemaligen, sagt der rüstige 88-Jährige. Ein Grund mehr, die Erlebnisse "fest zu machen". Die Broschüre gibt es in einer Auflage von 30 Stück; sie wurde unter Mithilfe des Clubs, von Tochter Ursula Büttner, Christiane Schulz und Horst Schabel vom Fahrradmuseum Gochsheim verfasst.

Brehm ging zusammen mit der lokalen Radsportlegende Edi Ziegler und einer kleinen Schweinfurter Gruppe, rund um Senior Josef Schulz, nach München. "Wir haben gelebt wie Gott in Frankreich", erinnert er sich an den Testlauf im Juli, nach dem Festlegen der Rad-Strecken. Probleme mit dem Jahresurlaub bei Kugelfischer waren für den Familienvater mit zwei kleinen Kindern auch noch zu lösen. "Ich wollte schon absagen", erinnert sich Brehm. Seniorchef Dr. Georg Schäfer setzte sich aber persönlich dafür ein, dass der Kampfrichter außer der Reihe freigestellt wurde: "Du gehst nach München!"

Im Olympiadorf erhielten die Helfer ihre türkisgrünen Kampfrichter-Sakkos nebst Hosen und die Ausweise: Das "Sesam öffne dich" nicht nur bei den Gipfeltreffen der Radsport-Elite, sondern auch bei anderen Sportveranstaltungen, wie Schwimmen, Ringen, Boxen oder Turnen. Die Unterfranken tauchten ein in ein internationales Mega-Event, wie man heute sagen würde. Die farbigen Uniformen erlebten später in Brehms Musikband ein Revival.

Den Einmarsch der Nationen erlebten die Unterfranken am Marathon-Tor mit, ebenso die Rede von IOC-Präsident Avery Brundage. 100 DM kostete für normale Besucher das Ticket für die Eröffnungsfeier, 40 bis 60 DM der Zugang zu den Wettbewerben. Natürlich blühte der Schwarzhandel. Auch Doping gab es schon, berichtet Brehm.

Beim Empfang der Kampfrichter in Schweinfurt erhielt Herbert Brehm (3. von rechts) vom damaligen Schweinfurter Oberbürgermeister Kurt Petzold eine Urkunde.
Foto: Archiv Hrbert Brehm | Beim Empfang der Kampfrichter in Schweinfurt erhielt Herbert Brehm (3. von rechts) vom damaligen Schweinfurter Oberbürgermeister Kurt Petzold eine Urkunde.

Zunächst waren die Kampfrichter in einem schlichten Jugendhotel untergebracht, Edi Ziegler und Herbert Brehm kamen am Olympia-Hauptcomputer zum Einsatz, beim Ergebnisvergleich. Das Hightech-Spezialgerät wurde von der Bundeswehr betreut. Ein Hauptmann aus Oberfranken sorgte dafür, dass das darbende Helferduo in die bestens versorgte Kaserne in der Schwere-Reiter-Straße umziehen durfte, per Zweitausweis.

Das Drama der Spiele

Dort waren sie in Sicherheit, als am frühen Morgen des 5. September das Geiseldrama in den Wohnungen der israelischen Sportler seinen Lauf nahm: "Uns wäre nichts passiert". Beim Testlauf war Brehm noch gegenüber der Connollystraße einquartiert gewesen, Schauplatz des Terroranschlags. "Plötzlich waren alle in Bereitschaft", erinnert sich der Zeitzeuge. Statt Polizisten in Trainingsanzügen hätten Uniformen die Szene beherrscht. Viel mitbekommen haben die Schweinfurter nicht, es sollte von vornherein keinen Kontakt zu den Athleten geben.

Der Tag endete tragisch, mit Feuergefecht und elf ermordeten Israelis: "Die Uhr der Spiele stand still". Die Kampfrichter waren schon am Kofferpacken. Dann hieß es, Olympia geht weiter. Der olympische Geist habe gesiegt, sagt Brehm, trotz allgemeiner Bedrückung: "Aber der Glanz hat gefehlt."

 
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