
Gäbe es die großen Radrennen noch in der Gegend, und wäre am Samstag eines, er würde seinen 85. Geburtstag vermutlich an der Strecke feiern. Doch die ruhmreichen Zeiten des Schweinfurter Radsports, sie sind Geschichte. So freut sich eben Gattin Elvira, dass Herbert Brehm an seinem Jubeltag zu Hause in Bergrheinfeld die Torte anschneidet und den Kaffee einschenkt. Der langjährige Vorsitzende des RMC 50 Schweinfurt feiert im Kreis der Familie.
- Ehrungen gab's zuhauf: Höchste Auszeichnung für Herbert Brehm
- Und das passierte nach dem Rücktritt von Brehm als RMC-50-Vorsitzender
Familie. So etwas war die Radsport-Szene allerdings auch stets für Brehm. Obwohl die Eltern einst nichts wissen wollten von einer Radler-Laufbahn des Buben. Aus Hergolshausen war die Nachricht gekommen, dass ein Rennfahrer vom Lkw überrollt worden und tödlich verletzt worden ist. Da hat der Papa "nein" gesagt. Dumm nur: Klein Herbert war schon Mitglied im RMC. Und da die Fußballer-Karriere beim TV Oberndorf in den Fünfzigern zwar immerhin in der Landesliga mündete, ihn aber nicht erfüllte, beschloss Brehm, sich auf Funktionärsebene dem geliebten Radsport zu widmen.
Spitzen-Radsport bei den Rennen in Schweinfurt
Bis er es zum Vizepräsident des Bayerischen Radsportverbands und zwei Perioden lang in den Vorstand der Ehrengilde, einem Bund von Rad-Legenden, geschafft hatte, vergingen freilich Jahre. Brehm hatte Organisationstalent, stellte zunächst kleinere Rennen auf die Beine, die dann immer prominenter besetzt waren. Hilfreich dabei: Für den RMC 50 fuhr Reinhold Pommer, der 1956 in Melbourne mit der Mannschaft Olympia-Bronze gewann. Und ums Eck, beim RV 89 Schweinfurt, war da Edi Ziegler, der 1952 in Helsinki ebenfalls Olympia-Dritter wurde und zahlreiche deutsche Meisterschaften gewann. Die beiden Zugpferde kamen Brehm gerade recht.

Leutselig wie er ist, hatte er schnell einen Draht zur europäischen Radsport-Elite. Das Resultat: Der Schweinfurter Kugelring und das Ernst-Sachs-Gedächtnisrennen avancierten zu international prominenten Veranstaltungen. "Das geht nicht von heute auf morgen, da steckt viel Arbeit drin", erinnert sich der frühere Angestellte bei Kugelfischer, der Elvira zu Liebe in Bergrheinfeld hängen geblieben ist und 1957 das Haus baute, in dem die beiden heute noch wohnen. Und vor dem das kleine Schild hängt: "Bitte klingeln. Wenn niemand öffnet, bitte Unkraut jäten... Danke."
Brehm war immer ein humorvoller Mensch. Und ein Schlitzohr. Als die großen Rennen immer schwerer zu finanzieren waren, die Fahrer mehr verlangten, aber die Großindustrie, anfangs immer mit 5000 oder 10000 DM dabei, selbst für Wettbewerbe wie das Moritz-Fischer-Rennen nicht mehr so viel locker machte, verschuldete sich der RMC 50. Da übernahm Brehm den Vorsitz.

Und erfand in Anlehnung an die populären Volksmärsche das sogenannte Volksradfahren. "Alle haben mir abgeraten", erinnert sich der rüstige Senior an die Premiere 1971. "Aber es machten auf Anhieb 1000 Leute mit." Irgendwann waren's dann 10000 Rad-Begeisterte, die sich auf die Runde Schweinfurt-Vogelsburg-Schweinfurt machten und dafür einen Obulus leisteten. Ruck zuck waren die Schulden weg - bis 1987 ein nicht einmal offiziell angemeldeter Teilnehmer bei Garstadt tödlich verunglückte.
Kampfrichter bei Olympia 1972 in München
Auch persönliche Höhepunkte erlebte Brehm mit dem Radsport. 1972 bei den olympischen Spielen in München war er Kampfrichter, im Vorfeld auch mit Größen wie Gustav Kilian für die Auswahl der Strecken zuständig. "Das war meine schönste Tätigkeit", so Brehm, der von schwärzesten Moment der Spiele erst spät etwas mitbekam. "Wir waren nicht im Olympischen Dorf untergebracht, weil wir keinen Kontakt zu den Athleten haben durften. Da ist uns erst am nächsten Morgen aufgefallen, dass da überall Polizei und Militär ist." Erst dann sickerten Informationen durch in einer Zeit ohne Handys und Internet.

Seit der RMC 50 sich 2009 mangels aktiver Fahrer auflösen musste, wurde es etwas weniger hektisch im Hause Brehm. Stiller aber nicht. Denn der passionierte Musiker übt immer noch fleißig am Akkordeon. Seit Jahrzehnten spielt Brehm mit Ex-Kollegen in Altersheimen für andere Senioren. Legendär sind die Volksfest-Nachmittage der Gruppe. "Es ist schön, eine Beschäftigung zu haben. Denn es gibt nichts schlimmeres als Rentner, die Zeit haben." Am Samstag freilich nimmt sich Herbert Brehm Zeit - und tischt seiner Frau, den zwei Kindern und vier Enkeln ein Spanferkel auf.