Was war das für eine verrückte Schlussphase! Was war das am Ende für ein kaum zu fassendes Unentschieden! Nachdem der FC 05 Schweinfurt eine Woche zuvor noch das Nachholspiel gegen den Liga-Zweiten DJK Vilzing vor heimischer Kulisse mit 0:1 verloren hatte, gelang der Elf von Cheftrainer Marc Reitmaier am Samstag im Sachs-Stadion gegen den Liga-Vorletzten FC Memmingen ein echtes ein Last-Minute-Comeback. Und so am Ende ein kaum noch für möglich gehaltenes 2:2. Damit erhöhten die Schnüdel ihr Punktekonto nicht nur auf 34 Zähler, sondern halten auch den Abstand zwischen sich und den Allgäuern konstant und damit auch den Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze, der nach wie vor satte 19 Punkte beträgt.
Im Vergleich zum Duell mit Vilzing hatte Reitmaier vor der Partie gegen den FCM gleich fünf Änderungen an seiner Startelf vorgenommen: Für Taha Aksu, Kevin Fery und den spielenden Co-Trainer Adam Jabiri sowie den angeschlagenen Kapitän Lukas Billick und den Gelb-Rot-gesperrten Luka Trslic rückten Severo Sturm, Hans Anapak, Dominik N'gatie und Tom Feulner sowie der wieder genesene Fabio Bozesan neu ins Team.
Premiere für Schweinfurts Innenverteidigerduo
Das bedeutete auch: Die Innenverteidigung war mit dem Duo Kevin Frisorger und Tom Feulner eine, die so noch nie zusammengespielt hatte. Aber auch Memmingen erschien ziemlich runderneuert auf dem gut bespielbaren Rasen. Neben den vier in der Winterpause verpflichteten Spielern, die allesamt von Beginn an auf dem Feld waren, stand mit Matthias Günes zudem auch ein neuer Trainer an der Seitenlinie. Zumindest bis zur wahrlich heißen Schlussphase, genauer bis zur fünften Minute der Nachspielzeit, als er (wohl wegen zu heftigen Reklamierens) bei seinem Regionalliga-Debüt von Schiedsrichter Christopher Knauer mit Rot vom Platz geschickt wurde.
Die Partie begann und entwickelte sich nämlich so, dass wohl keiner der rund 600 Zuschauerinnen und Zuschauer damit gerechnet hätte, an diesem sonnig-warmen Frühlingstag überproportionalen Adrenalinausstoß erleben zu müssen. Wach zu sein, gleichzeitig aber auch geduldig zu agieren und auf Chancen zu warten, das hatte Reitmaier vor dem Anpfiff von seiner Elf gefordert. Und die setzte das zunächst über weite Strecken prima um.
Weil aber auch die Gäste gut organisiert in ihrem 4-4-2-System agierten, blieben Torchancen zunächst Mangelware. Noah Müller zirkelte schließlich nach 22 Minuten einen Freistoß aus gut 23 Metern an den Querbalken des Schweinfurter Tores, auf der Gegenseite konnten die Memminger einen Schuss aus kurzer Entfernung, aber relativ spitzem Winkel von Severo Sturm gerade noch zur Ecke lenken (33.). Das war es dann aber auch schon in Hälfte eins mit den nennenswerten Aktionen vor den beiden Toren. "Das 0:0 zur Pause ist absolut okay gewesen", sagte Reitmaier später, schob aber auch sofort nach: "Die Leistung war es sicher nicht."
Starker Endspurt nach zu leichten Gegentoren
Die Zuschauenden, die dann vielleicht gar etwas frustriert nach 85, 86 Minuten das Stadion vorzeitig verließen, verpassten ein furioses Finale. "Wir haben ja schon in der vergangenen Saison ganz viele Spiele gehabt, in denen wir hintenraus noch eine große Wucht entwickelt haben. Deswegen ist es für die Zuschauer immer gut, bis zum Schluss zu bleiben", erklärte Reitmaier.
So wie eben am Samstag, wenngleich das vorzeitige Verlassen des Sachs-Stadion durchaus nachvollziehbar erschien. Reitmaier hatte zur Halbzeit mit Taha Aksu und Adam Jabiri zwei offensive Spieler gebracht, seine Defensive dafür umformiert. Letztere leistete sich dann einige, vor allem aber zwei grobe Abwehrfehler, die die Memminger bestraften. Nach einer knappen Stunde stand es so plötzlich 2:0 für die Gäste. "Die Gegentore waren natürlich viel zu einfach, darüber müssen wir gar nicht reden", räumte Reitmaier unumwunden ein. Und wenig, eigentlich gar nichts, deutete darauf hin, dass den Schnüdeln noch ein oder gar zwei Tore gelingen sollten.
Doch es passierte das, was Gästetrainer Matthias Günes hinterher so beschrieb: "Das ist halt wirklich eine völlig verrückte Liga." Einen langen Ball verlängerte Adam Jabiri auf Severo Sturm, der den Ball direkt nahm und ins Tor drosch (88.). Eine Minute später stibitzte Bozesan Memmingens unaufmerksamem Torhüter Dominik Dewein im Sechzehner den Ball vom Fuß, Jabiri schob die Kugel ins leere Tor. Und innerhalb einer Minute stand es 2:2 (89.).
Zwei mögliche Elfmeter in der Nachspielzeit
Als wäre das nicht schon verrückt genug gewesen, gab es auch noch zwei Szenen, in denen es Elfmeter hätte geben müssen: Erst wurde Jabiri in der Nachspielzeit nach einer Hereingabe am Fünfer heftig am Trikot gezogen. Im Gegenzug sprang Feulner der Ball im Strafraum an die Hand. Memmingens Pascal Maier lupfte die Kugel anschließend sogar noch ins Tor. Dass der Schiedsrichter zuvor auf Foul an Schnüdel-Keeper Lukas Wenzel entschieden hatte, ließ Memmingens Trainer Matthias Günes einen Zehn-Meter-Sprint auf den Platz hinlegen – und nach einem kurzen verbalen Austausch mit dem Unparteiischen auch noch die Rote Karte sehen.
Am Ende waren beide Teams mit der Punkteteilung einverstanden. Reitmaier sah sich zudem als Mahner und Warner, den er auch zuletzt vor jedem Spiel gern und stets mit ernster Mine gegeben hatte, absolut bestätigt: "Unser oberstes Ziel ist und bleibt der Klassenerhalt. Und da fehlen eben noch Punkte." Die beste Leistung aus Schweinfurter Sicht lieferten am Samstag vielleicht die Fans ab, die fast ununterbrochen sangen, anfeuerten, Fahnen schwenkten.
Und am Ende mit der Mannschaft feierten und sie aufs Duell mit dem oberfränkischen Rivalen Eintracht Bamberg am kommenden Samstag einschworen. "Da wollen wir natürlich unbedingt gewinnen", blickte Reitmaier schon mal ein wenig voraus. Und weitere Punkte holen. Die Fans hatten im Sachs-Stadion jedenfalls schon mal ein Banner platziert: „Zug nach Bamberg, Treff: 09:30 HBF"
Fußball: Regionalliga Bayern, Männer
FC 05 Schweinfurt – FC Memmingen 2:2 (0:0)
Schweinfurt: Wenzel – Mahmuti (46. Aksu), Frisorger, Feulner, Piwernetz (87. Tonsi) – Böhnlein, Istrefi (69. Fery) – N’gatie, Anapak (46. Jabiri), Sturm – Bozesan.
Memmingen: Dewein – Kurija, Bauer, Gräser (27. Dolinksi), Lutz – Hingerl (90.+2 Sailer Fidalgo), Rietzler, Maier, Berwein (84. Bareis) – Mulas (62. Moser), Müller (71. Günes).
Schiedsrichter: Knauer (Isling). Zuschauende: 603. Tore: 0:1 Noah Müller (54.), 0:2 Pascal Maier (59.), 1:2 Severo Sturm (88.), 2:2 Adam Jabiri (89.).