
Es war das Aufregerthema kurz vor Beginn der Fußballsaison in Unterfranken. Als Reaktion auf die kontinuierlich steigende Zahl von Spielgemeinschaften im Männerbereich hatten die unterfränkischen Funktionäre des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) auf den Spielgruppentagungen angekündigt, den Umgang mit Spielgemeinschaften zu verschärfen. Doch bereits die erste Maßnahme, nur noch den federführenden Verein in den offiziellen Tabellen zu nennen, hatte bei den Vereinen einen derart großen Protest hervorrufen, dass der Beschluss kurze Zeit später wieder aufgehoben wurde.
"Es war ein Versuch gewesen, den Vereinen zu zeigen, dass Spielgemeinschaften kein Allheilmittel sind", hatte der unterfränkische Bezirksspielleiter Bernd Reitstetter daraufhin Mitte Juli gesagt. Weiter möchte er sich aktuell nicht dazu äußern, auch wenn der künftige Umgang mit Spielgemeinschaften natürlich weiterhin ein Thema in den Verbandsgremien sei.
In der Rhön sind mehr als die Hälfte aller Vereine in einer SG
Schließlich ist die Zahl der Spielgemeinschaften in den vergangenen Jahren vor allem in Unterfranken stark angewachsen. In der Premierensaison vor gut zehn Jahren gab es gerade einmal 32 Anträge in allen unterfränkischen Spielklassen, 2020 waren dann schon 168 Spielgemeinschaften beim Bezirk registriert. Viereinhalb Jahre später sind es aktuell nun bereits etwas über 200 – Tendenz weiter steigend. Unterfrankenweit liegt der Anteil an Spielgemeinschaften bei 29,9 Prozent, zugleich der mit Abstand höchste Wert in ganz Bayern.
Zum Vergleich: Auf Platz zwei liegt Oberfranken mit 23,3 Prozent, dahinter folgen Mittelfranken (22,1 Prozent), Oberpfalz (21 Prozent), Niederbayern (14,4 Prozent) und Schwaben (13,5 Prozent). In Oberbayern mit der Metropolregion München ist der Anteil mit gerade einmal sechs Prozent mit Abstand am niedrigsten. Spitzenreiter unter den unterfränkischen Fußball-Kreisen ist die Rhön, wo sich bereits mehr als die Hälfte aller Vereine (51,2 Prozent) in einer Spielgemeinschaft befinden. Es folgen die Kreise Schweinfurt (34 Prozent), Würzburg (22,2 Prozent) und Aschaffenburg (20,3 Prozent).
Beim BFV sieht man den rasanten Anstieg von Spielgemeinschaften mit Sorge. "Durch den Verlust von eigenständigen Mannschaften geht auch immer mehr die Identifikation der Spieler mit dem Heimatverein verloren. Das bedeutet in der weiteren Konsequenz ein weniger lebendiges Vereinsleben", schreibt BFV-Pressesprecher Fabian Frühwirth in der Antwort auf eine Anfrage dieser Redaktion.
Bernd Hemmert kann diese Argumentation nicht verstehen. Der 50-Jährige ist einer von drei Vorsitzenden des TSV Heustreu (Landkreis Rhön-Grabfeld), dessen Verein bereits seit 2015 mit dem TSV Hollstadt eine Spielgemeinschaft bildet. Die erste Mannschaft der SG Heustreu/Hollstadt spielt seitdem mit Ausnahme eines einjährigen Kreisliga-Intermezzos ununterbrochen in der Kreisklasse, die zweite Mannschaft in der B-Klasse. "Ich hätte auch lieber eine eigenständige Mannschaft im Dorf, immerhin ist der Fußball die Haupteinnahmequelle unseres Vereins. Aber es geht nun einmal nicht anders und das wird sich in Zukunft auch nicht ändern. Vielmehr werden auf Dauer noch größere Spielgemeinschaften entstehen, ob uns das gefällt oder nicht."
Die Richtlinien des BFV für die Bildung von Spielgemeinschaften bedürfen daher einer Überarbeitung, findet Hemmert. Dort heißt es, "dass eine Spielgemeinschaft grundsätzlich einen temporären Charakter hat. Die Spielgemeinschaft eröffnet die Möglichkeit, einen vorübergehenden Spielermangel zu überbrücken/kompensieren und verfolgt das Ziel, die betroffenen Vereine anschließend wieder in die Eigenständigkeit zurückzuführen."
Viele Spielgemeinschaften haben schon ihr eigenes Wappen
Die Realität sieht jedoch meist ganz anders aus. So haben viele Spielgemeinschaften bereits ihr eigenes Wappen entworfen oder die Trikots mit dem neuen SG-Namen beflockt. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es nicht um eine zeitlich begrenzte Überbrückung geht. Beispiele von Vereinen, die aus einer Spielgemeinschaft heraus zurück in die Eigenständigkeit gekehrt sind, gab es in den vergangene Jahren hingegen kaum.
"Als wir die Spielgemeinschaft vor knapp zehn Jahren eingegangen sind, war dies von Anfang an eine langfristig angelegte Lösung", sagt auch Hemmert. So seien zunächst die Fußballer aus Hollstadt in der Überzahl gewesen, mittlerweile dreht sich das Ganze in Richtung der Heustreuer. "In all den Jahren hätte aber sicher keiner der beiden Vereine eine eigenständige Mannschaft stellen können, ohne dass der andere kaputtgeht."
Die Zeiten, in denen ein Team mit einem 18-Mann-Kader problemlos durch die Saison gekommen ist, sind obendrein längst vorbei. Verantwortlich für die Personalnot ist in erster Linie das veränderte Freizeitverhalten. Ländliche Regionen wie der Landkreis-Rhön-Grabfeld leiden zudem unter dem studien- und berufsbedingten Wegzug der jungen Spieler.
Dass die Zahl der Kinder, die Fußball im Verein spielen, in den vergangenen Jahren in Bayern stetig gestiegen ist, wird die Situation nach Ansicht von Hemmert nicht entschärfen. "Ich habe meinen Sohn mit drei weiteren gleichaltrigen Jungs aus dem Ort von klein an im Verein trainiert. Bis in den Männerbereich hat aber nur mein Sohn durchgehalten." Laut Hemmert müsse man daher froh sein, wenn in den Vereinen überhaupt noch Fußball angeboten werden kann. "Ob die Mannschaft dann in der A-Klasse, der Kreisklasse oder der Kreisliga spielt, ist letztlich doch egal."
Ambitionierte Spielgemeinschaften suchen sich Schlupflöcher
Er kann daher die Sorge des BFV, dass Spielgemeinschaften zur Leistungssteigerung und dem Ziel, möglichst höherklassig zu spielen, gegründet werden, nicht teilen. Zumal für Spielgemeinschaften in der Kreisliga laut der Richtlinien sowieso Endstation ist. So erging es in der vergangenen Saison beispielsweise der SG Sommerhausen/Winterhausen, die trotz Rang drei in der Kreisliga Würzburg 1 nicht an der Bezirksliga-Relegation teilnehmen durfte. Mittlerweile wurden aller Spielerberechtigungen auf die TSG Sommerhausen übertragen, sodass die Mannschaft künftig nicht nur unter diesem Namen spielt, sondern somit auch aufstiegsberechtigt wäre.
Von diesem Schlupfloch profitierten in der Vergangenheit bereits andere Vereine wie die SG Ettleben/Werneck, die in der Bezirksliga Ost als TSV Ettleben geführt wird. Andere Spielgemeinschaften wie der FV Rannungen/Pfändhausen/Holzhausen (Kreisliga Rhön) gründeten sogar gleich einen neuen Verein, um im Ernstfall auch auf Bezirksebene spielen zu können.