Knapp 70 Minuten waren am Freitagabend im Unterfranken-Derby zwischen den Würzburger Kickers und dem TSV Aubstadt gespielt, als die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Haupttribüne der AKON-Arena langsam ungeduldig wurden und nicht mehr wirklich an eine Wende der Partie zugunsten der Hausherren glaubten. Vielmehr rieben sie sich verwundert die Augen, wie sich die Gäste aus dem Grabfeld nach einem 0:1-Pausenrückstand in dieses Spitzenspiel zurück fighteten, nach dem Seitenwechsel immer mehr die Kontrolle übernahmen und am Ende völlig verdient ein 1:1-Unentschieden holten.
Der TSV Aubstadt kassiert nach 561 Minuten das erste Gegentor dieser Saison
Die als Meisterschaftsfavorit in die Saison gestarteten Kickers sind zwar nach dem fünften Spieltag weiterhin ungeschlagen, an der Tabellenspitze steht aber vorerst der unterfränkische Rivale aus Aubstadt. "Diesmal hatten wir nur eine starke Halbzeit und das hat gegen eine gute Aubstädter Mannschaft nur zu einem 1:1 gereicht, was letztlich auch ein gerechtes Ergebnis ist", sagte Kickers-Trainer Marco Wildersinn.
Ganz anders war die Stimmungslage bei TSV-Coach Julian Grell, der mit Lob für seine Mannschaft nicht sparte. "Ich fand unsere Leistung auch in der ersten Halbzeit schon gut. Wir haben relativ wenig zugelassen, was man hier in Würzburg erst einmal schaffen muss." Es dauerte bis zur 21. Minute, ehe die Kickers mit einem schönen Spielzug erstmals ihre Klasse aufblitzen ließen und nach starker Vorarbeit von Benjika Caciel durch Dardan Karimani auch direkt in Führung gingen. Nach 561 Minuten ohne Gegentor war TSV-Torhüter Maximilian Weisbäcker erstmals in dieser Saison geschlagen und der Weg eigentlich bereitet für einen Würzburger Heimsieg.
Bei zwei Standardsituationen hätte Saliou Sane in der Folge erhöhen können, verfehlte mit seinen Kopfbällen aber das TSV-Tor. Das waren zugleich die einzigen nennenswerten Torannäherungen der Hausherren, die von den aufopferungsvollen Gästen das ein oder andere Mal unsanft gestoppt wurden. "Fouls gehören zum Fußball dazu. Unsere drei Gelben Karten in der ersten Halbzeit waren alle berechtigt", erklärte Grell.
Die Einwechslung von Steffen Behr bringt für den TSV Aubstadt die Wende
Während für Wildersinn die Verwarnungen auf Seiten der Gäste ein Beweis dafür waren, "dass wir gut im Spiel waren und die Aubstädter ordentlich bearbeitet haben", reagierte Grell sofort und beruhigte mit einem Spielerwechsel vor der Pause die Partie wieder. Für den Gelb-Rot-gefährdeten Pitter kam nach 36 Minuten Steffen Behr, der als Linksverteidiger den auffälligsten Würzburger, Benjika Caciel, in der Folge fast vollständig abmeldete. Leon Heinze wechselte dafür auf die Rechtsverteidigerposition und Leonard Langhans eine Reihe nach vorne auf die offensive Außenbahn im Mittelfeld.
"Steffen Behr hat heute ein Wahnsinns-Spiel gemacht. Seine Hereinnahme war für mich der Knackpunkt. Aber auch Leon Heinze hat das nach seiner Verletzungspause gut gemacht", sagte Grell. Fast wäre den Aubstädtern noch vor der Pause der Ausgleich gelungen, doch Kickers-Keeper Vincent Friedsam entschärfte den Schuss von TSV-Kapitän Ben Müller aus kurzer Distanz mit einem Klasse-Reflex (41.).
"Wir haben bereits in der ersten Hälfte gesehen, dass die Kickers Probleme bekommen, wenn wir den Ball lange in unseren Reihen halten. Das haben wir in den zweiten 45 Minuten noch besser gemacht", freute sich Grell. Letztlich sollte sich auch seine zweite Auswechslung sofort bezahlt machen. Philipp Harlaß war gerade einmal zwei Minuten auf dem Platz, als er eine Flanke von Martin Thomann aus kurzer Distanz zum 1:1 über die Linie drückte (47.).
Christopher Bieber freut sich über die Punkteteilung an seiner alten Wirkungsstätte
Die Würzburger wären im direkten Gegenzug durch Sane zwar fast erneut in Führung gegangen, dennoch wirkten sie in der Folge durchaus beeindruckt vom mutigen Auftritt der Aubstädter. Die Gäste rissen das Spiel nun an sich, hatten deutlich mehr Ballbesitz, allerdings kaum gefährliche Torchancen. Wenn die Kickers doch einmal in der Offensive auftauchten, war da ja auch noch TSV-Innenverteidiger Adrian Kireski, dessen zwei blitzsaubere Grätschen beispielhaft für die aktuelle Mentalität der Grabfelder stehen.
"Es liegt mir im Blut, mit Herz zu spielen. Manchmal muss man mit einer Grätsche in schwierigen Situationen auch einmal ein Zeichen setzen", sagte der vor der Saison vom hessischen Oberligisten FC Gießen ins Grabfeld gewechselte 22-Jährige. Dass er bisher in allen fünf Ligaspielen 90 Minuten auf dem Platz stand, kommt für Kireski selbst ein bisschen überraschend. "Manchmal braucht man einfach Glück, um seine Chance zu bekommen." Am ersten Spieltag war er in Fürth kurzfristig für den verletzten Christian Köttler in die Startformation gerückt und hat sich seitdem dort festgespielt.
"Was uns momentan auszeichnet, ist der enorme Wille und die große Bereitschaft gegen den Ball zu arbeiten", sagte der gegen seinen Herzensverein in der Schlussphase eingewechselte Christopher Bieber. Gerne hätte er mit einem Lucky-Punch das Spiel noch für die Gäste entschieden, "doch das 1:1 ist ein Ergebnis, mit dem ich sehr gut leben kann und das unterm Strich auch verdient ist".