
Zum 28. Mal soll am 1. Juli 2023 die Grabfeldrallye in der Rhön stattfinden. Das Besondere: Die Rallye wird seit ein paar Jahren unabhängig vom Deutschen Motor Sport Bund e.V. (DMSB) ausgerichtet, der mehr als 90 Prozent der Rallyes in Deutschland organisiert. Dem DMSB gefällt das überhaupt nicht. Deswegen ist er gegen den Veranstalter und einen Fahrer gerichtlich vorgegangen. Das Verfahren hat er nun aber verloren.
Mark-Eduard Orth ist Experte für Kartellrecht. Der Anwalt leitet regelmäßig Verfahren von Einzelsportlerinnen und -sportlern sowie von Vereinen gegen Verbände. "Ein Kampf gegen schwere Positionen", wie er selbst sagt.
Zugunsten der Grabfeldrallye hat Orth kürzlich ein Verfahren gegen den Deutschen Motor Sport Bund zu seiner "großen Überraschung" gewonnen. Seit 20 Jahren ist er Anwalt; dass er in dieser Sache recht habe, "wusste ich schon vor 20 Jahren", sagt er. Dass das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt trotzdem eine Überraschung war, begründet er damit, dass derselbe Senat in zwei ähnlichen Fällen, in denen die Sachlage offensichtlich war, anders entschieden hatte.
Grabfeldrallye war 25 Jahre Teil des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB)
"Wir waren über sechs Jahrzehnte im DMSB engagiert", sagt Patrick Mohr. "Die Grabfeldrallye war 25 Jahre Teil des DMSB", ergänzt der Vorsitzende des Rallye Supercup e. V. (RSC), der die Rallye ausrichtet und im Februar 2018 in Sulzdorf an der Lederhecke gegründet wurde. Reibereien mit dem DMSB gab es ihm zufolge zuvor bereits seit Mitte der 1990er Jahre. "Sie haben probiert, uns das Leben schwerzumachen, aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen."
Zwei Jahrzehnte lang war die Grabfeldrallye die teilnehmerstärkste Automobilrallye in Deutschland, teilweise sogar in ganz Europa. Doch 2017 gab es seitens des DMSB Umstrukturierungen, sodass Startgruppen weggefallen sind. Das habe der Grabfeldrallye von einem Jahr aufs andere die Hälfte der Teilnehmer gekostet und war einer der Gründe, "endgültig die Reißleine zu ziehen", so Mohr.

"Das Grundproblem der Organisation im Sport ist das Monopol der Sportverbände", sagt Anwalt Orth. "Die Verbände versuchen häufig, andere auszuschließen, um ihr Monopol zu schützen." Kein Sportverband dürfe es Personen aber verbieten, irgendwo anders teilzunehmen. Das wäre ein Missbrauch der Monopolstellung, da sonst kein Wettbewerb entstehen könne, so Orth. Er verdeutlicht: "Das ist so, als würde Amazon verbieten, dass man ein Produkt irgendwo anders als bei Amazon einstellen darf."
Einzelklage von Jörg Seitz gegen den DMSB
Trotzdem gewännen Sportverbände häufig vor Gericht, "auch weil die Sympathien der Richter auf deren Seite liegen", spricht Orth aus Erfahrung. Er betont, dass die Verbände - anders als häufig angenommen - private Vereinigungen sind, und keine staatlichen.
Der Anwalt hatte zuletzt eine Einzelklage des Rallyefahrers Jörg Seitz gegen den DMSB am Oberlandesgericht Frankfurt geführt. Seitz war trotz einer gültigen DMSB-Lizenz mit einer zusätzlichen RSC-Lizenz bei der Grabfeldrallye 2018 gestartet.
Danach wurde der Hesse wie viele andere Fahrer vom DMSB-Sportgericht für die Teilnahme an dieser DMSB-unabhängigen Veranstaltung mit einer Geldstrafe von 2000 Euro auf Bewährung sanktioniert. Bewährungsauflage für alle Fahrer: Sie durften 2019 an keiner Rallye außerhalb des DMSB teilnehmen, sprich: nicht an der Grabfeldrallye. Nach Einreichung der Klage wurde Seitz sogar gänzlich vom DMSB verwehrt, eine Jahresfahrerlizenz des DMSB beantragen zu können.
Vergleiche mit dem Super-League-Verfahren und der "One Love"-Binde
All das ist jetzt hinfällig. Das Oberlandesgericht bemängelte in seinem Urteil unter anderem, dass der DMSB die Sanktionen nicht transparent geregelt habe. Im Urteil heißt es: "Es muss grundsätzlich vorab klar und deutlich erkennbar sein, ob und in welchem Ausmaß ihr Verhalten Konsequenzen nach sich zieht und welche Konsequenzen das sind. Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen für Sanktionen klar, objektiv, transparent, nicht diskriminierend, überprüfbar und abschließend festgelegt werden müssen."
Orth sagt, das Urteil sei vergleichbar mit dem Verfahren des Europäischen Fußballverbandes Uefa zur Super League, das nach wie vor aktiv ist. Außerdem greift der Anwalt die Debatte um die "One Love"-Armbinde der Fifa auf. Auch gegen deren Verbot hätte man gerichtlich vorgehen können, sagt er. Denn der Fußball-Weltverband hatte keine entsprechende Sanktionsnorm - somit sei ein Verbot dem Urteil des Oberlandesgerichts zufolge nicht rechtens.
Grabfeldrallye: 2019 nur 32 statt 170 Fahrer
"Für den Sport ist es so wichtig, mal was anderes zu machen", sagt Orth. Jetzt sei der Anlass da. "Impulse und Innovationen kommen oft von außen, nicht von den großen Verbänden. Die Champions League wollte die Uefa damals auch nicht", sagt er. Doch häufig habe der oder die Einzelne keine Chance.
Orth hat die Hoffnung, dass das aktuelle Urteil Vorbildcharakter für ähnliche Verfahren habe. Er betont: "Rennfahrer wie Sportler generell sind mit diesem Urteil ihrem Monopolverband nicht mehr hilflos ausgeliefert." Ein Präzedenzfall.

"Für Fahrer, Beifahrer und Sportwarte mit einer DMSB-Lizenz ist dieses Urteil wahrlich ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk", so Mohr. Denn die Drohungen des DMSB hätten Auswirkungen gehabt und sehr viele Teilnehmer von der Rallye abgehalten. "Wir hatten 2018 zwar immer noch das größte Feld in Deutschland", sagt er stolz. Mit der Bewährungsauflage sei die Grabfeldrallye 2019 dann aber "auf 32 Starter runtergeknallt". Zum Vergleich: Vorher waren im langjährigen Schnitt 170 Teilnehmer gestartet.
Bald acht Rallyes pro Jahr und eine eigene Meisterschaft als Konkurrenz zum DMSB
Die Organisatoren bauten sich deshalb ein Rechtsanwaltnetzwerk auf und zogen "in eine Schlacht gegen den DMSB", wie es Mohr nennt. Das jetzige erfolgreiche Verfahren sei ein Befreiungsschlag. "Ab sofort können wir unsere Rallye wieder richtig aufbauen, obwohl wir nie am Boden lagen, und den RSC können wir auch richtig aufbauen."
Heuer hätten trotz aller Umstände schon wieder 54 Starter an der Grabfeldrallye teilgenommen. "Damit waren wir zufrieden im Sinne von: Es war kein Fiasko. Für frühere Verhältnisse und das, auf was unsere Veranstaltung ausgelegt ist, war es trotzdem katastrophal." Für 2023 hofft er auf wieder 100 Teilnehmende.
Das große Ziel ist es, in den nächsten drei bis fünf Jahren auf acht Rallyes pro Jahr anzuwachsen. Sogar eine Meisterschaft will der RSC dann ausschreiben, "eine brutale Konkurrenz zum DMSB".
Umwelt- und Sicherheitsaspekte spielen bei der Grabfeldrallye eine große Rolle
Der RSC wolle näher zurück zu den Ursprüngen des Sports und bezahlbar bleiben, obwohl auch im Motorsport die Verteuerung weitergehe. Gleichzeitig erfülle die Grabfeldrallye Umwelt- und Sicherheitsaspekte, so Mohr. "Anders als der DMSB haben wir die Möglichkeit, Hybridautos, wasserstoffbetriebene Autos, reine Elektroautos ohne Markenbindung einzusetzen. Synthetische Kraftstoffe, Bio-Kraftstoffe, all das ist im DMSB nicht erlaubt, da kann man eigentlich nur den Kopf schütteln", sagt der RSC-Vorsitzende.
"Ultra stolz und dankbar" ist er für den Rückhalt aus der Politik, aber auch aus der Bevölkerung von Sulzdorf und Umgebung. Bei der Rallye sind 700 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Einsatz. "Das ist ein bisschen wie Kirchweih und Rallye in einem", sagt er. Und sein Dank gilt auch dem Fahrer Jörg Seitz.

Der sagt nach dem Urteil: "Ich habe es damals wie heute einfach nicht eingesehen, warum ich als freier Bürger nicht selbst entscheiden kann, an welcher ordentlich, öffentlich-rechtlich genehmigten Motorsportveranstaltung ich teilnehmen kann." Für ihn sei die Grabfeldrallye die schönste im Jahr.
Seitz sagt, er sei schon 1994 bei der ersten Auflage mitgefahren und habe bei einer Rallye auch seine Frau kennengelernt. 2023 kann er - wie viele andere auch - wieder richtig durchstarten.
Wer braucht sowas in der heutigen Zeit noch?
Das ist doch geradezu ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung DMSB. Der wir seine Hausaufgaben nun machen und seine Bestimmungen transparenter gestalten!
Ich sehe das Urteil als ein kurzzeitiges Aufatmen. Der DMSB wird sicher nachlegen wenn er die finanziellen und personellen Möglichkeiten hat. Fahrer haben sicherlich auch keinen Bock auf permanenten, ständig wiederkehrenden Stress und Maßregelungen und man hat ja in den Vorjahren gesehen für wen sie sich entschieden haben!
Zitat: "..man hat ja in den Vorjahren gesehen für wen sie sich entschieden haben!", gemeint sind hier die Aktiven. Der Satz müsste lauten "...für wen sie sich entscheiden mussten".
Im Artikel der MP fehlen entscheidende Passagen des Urteils in denen ganz klar festgestellt wird dass das monopolistische Vorgehen des DMSB rechtswidrig ist. Eine solche Vorgehensweise wurde bereits in anderen Sportarten sogar vom Europäischen Gerichtshof ganz klar festgestellt. Da kann der DMSB machen und tun, er wird selbst mit Geld (sofern vorhanden) hier nicht viel daran rütteln können.
Hätte man in den letzten Jahren seitens des DMSB mehr für den motorsportlichen Breitensport getan wäre es ganz sicher ganz anders gekommen.
die großen Verbände werden niemals nachgeben oder klein beigeben. Sie sitzen was Geld, Mitglieder und Organisation betrifft oftmals am längeren Hebel. Da wird keine Konkurrrenz geduldet, egal wie Gerichte entscheiden. Möglicherweise wird vom DMSB das geändert was Gerichte bemängeln. Möglicherweise verbietet der DMSB auch die Teilnahme an seinen Veranstaltungen auch wenn er daran erstmal leidet. Ausgehungert wurden schon viele kleinere Konkurrenten egal in welchem Bereich, da gibt es unzählige Möglichkeiten und Gerichte haben daran selten was nachhaltig ändern können.
Die Frage ist doch letztlich ab wieviel Teilnehmern die Grabfeldrallye sich finanziell lohnt bzw. wie lange die Reserven reichen wenn nur wenige teilnehmen?
Ich jedenfalls finde die Grabfeldrallye super und hoffe wirklich das Beste für die Zukunft, ich sehe aber auch eine große Gefahr.
Für die Grabfeld wird das Urteil auf jeden Fall einen Wiederaufschwung bedeuten. Hoffentlich für weitere neue oder auch bestehende Rallye ebenfalls die sich dem RSC anschließen.