Das Ende ist nah: Die Saison im bayerischen Amateurfußball, die im Sommer 2019 begonnen hat und die derzeit schon zum zweiten Mal wegen der Corona-Pandemie unterbrochen ist, steht kurz davor, endgültig abgebrochen zu werden.
"Das Bayerische Kabinett hat an diesem Dienstag die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung bis einschließlich 9. Mai 2021 verlängert, womit weitere Öffnungsschritte in den Bereichen Kultur, Gastronomie und Sport vorerst auf absehbare Zeit praktisch ausbleiben. Damit steht gemäß des vom Vorstand des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) verabschiedeten Vier-Punkte-Plans de facto auch fest, dass die aktuell aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochene Spielzeit 2019/21 in den allermeisten bayerischen Amateurfußballligen nicht mehr zum Abschluss gebracht werden kann", ließ der BFV daher wissen.
Zwar will der Verband noch ein Meinungsbild unter den Vereinen einholen, weist aber gleichzeitig auf seine Spielordnung hin, die bereits fixe Regelungen für einen Fall des Abbruchs enthält. Gewertet würde die Saison im Falle eines Abbruchs nämlich schon: Es gibt nur direkte Auf- und Absteiger, die Relegation entfällt. Und für Platzierungen in der Tabelle ist nicht die Anzahl der Punkte ausschlaggebend, sondern ein Wert, der durch die sogenannte Quotientenregel bestimmt wird. Dabei wird die Anzahl der Punkte durch die der Spiele dividiert, heraus kommt der Quotient.
Das soll verhindern, dass Klubs, die weniger Spiele bestritten haben als die Konkurrenz, benachteiligt werden. Die Quotientenregel hätte allerdings in manchen Klassen zur Folge, dass der Tabellenzweite mit dem höheren Quotientenwert den Spitzenreiter noch überflügelt und so zum Meister und Aufsteiger wird.
So zum Beispiel in der Kreisklasse Würzburg 3, wo es dazu auch noch elend knapp ist. Derzeit steht hier der SV Sendelbach-Steinbach mit 43 Punkten vor dem FC Gössenheim mit 41 Zählern. Da aber der SVS 20 Spiele bestritten hat und der Verfolger erst 19, kommt Sendelbach-Steinbach auf einen Quotientenwert von 2,15, Gössenheim aber auf 2,157, aufgerundet 2,16. Das heißt: Die dritte Stelle hinter dem Komma würde im Falles eines Abbruchs den Gössenheimern die Meisterschaft und damit den Kreisliga-Aufstieg bescheren.
"Wir würden das natürlich am liebsten auf dem Platz zu Ende bringen, aber im Augenblick sieht es wirklich nicht danach aus, dass das möglich wäre", erklärt Michael Knauf, der Fußball-Abteilungsleiter beim FC Gössenheim ist. "Es wäre schön, eine Meisterschaft mit den Fans zu feiern, aber es ist eben eine Zeit, die sich irgendwie komisch anfühlt." Natürlich habe man schon gerechnet und gemerkt, dass der FC nach der Quotientenregel ganz knapp vorne liege. "Deshalb bereiten wir uns darauf vor, dass wir in der neuen Saison Kreisliga spielen", gibt Knauf an.
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Was des einen Freud sein könnte, würde des anderen Leid sein. Doch Markus Gutthäter, der Vorsitzende des SV Sendelbach-Steinbach, gibt zu bedenken: "Aus meiner Sicht würde ich das mit dem Quotienten so akzeptieren, irgendeine Regelung muss es ja schließlich geben. Wenn es so ist, dann ist es eben so." Natürlich sei die Situation aus Sicht der Sendelbacher und Steinbacher ärgerlich. "Aber wichtig ist, dass irgendwann überhaupt wieder Fußball gespielt werden kann", sagt Gutthäter.
Irgendwie sei er froh, dass er schon vor einigen Jahren selbst aufgehört habe, aktiv zu spielen. "Für die Spieler ist das gerade eine harte Zeit – und solch eine Situation wie bei uns macht die Sache noch schwerer. Gerade an Frühlingstagen wie jetzt, wenn es schön ist, sehnt man sich einfach nur danach zurück, wieder Fußball zu spielen."
Überholmanöver im Sinngrund?
Auch im Sinngrund könnte ein tabellerisches Überholmanöver anstehen. "Ich kann mir nicht recht vorstellen, dass wir wirklich wieder beginnen können", sagte Bernd Lengler, Sportleiter beim SV Rieneck, bereits vor den Beschlüssen vom Dienstag. Lenglers Team liegt derzeit mit drei Punkten Rückstand auf Tabellenführer FV Mittelsinn-Obersinn auf Rang zwei der A-Klasse Würzburg 5.
Da die Rienecker aber zwei Spiele weniger als der Konkurrent bestritten haben, liegen sie mit dem Quotientenwert mit 2,25 (Mittelsinn-Obersinn: 2,17) vorn. "Das Wichtigste ist, dass wir überhaupt wieder spielen können. Wie in diesen Zeiten eine Meisterfeier aussehen könnte, darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht", so Lengler. So bleibt in der kleinen Stadt im Sinngrund also eine Videokonferenz, bei dem jeder ein Bier auf dem Tisch vor sich stehen hat, eine realistische Option.
Julian Weikinger, nach der Saison scheidender Trainer des FV Mittelsinn-Obersinn, der seinen designierten Nachfolger Matthias Deter bereits ins Boot geholt hat, meint zum Verlust der Spitzenposition für seine Mannschaft: "Das wäre ärgerlich. Wir haben eine super Saison gespielt und schon in der Runde zuvor knapp den Aufstieg verpasst. Natürlich würden wir gerne weiterspielen, aber nach Lage der Dinge ist ein Abbruch wahrscheinlich und wohl auch richtig."
Auch Weikinger ist es jedoch am wichtigsten, dass es in absehbarer Zeit überhaupt wieder losgeht. Derzeit hält er sein Team mit Online-Fitness-Einheiten fit, technische und taktische Inhalte blieben dabei freilich auf der Strecke. Deshalb sagt der FV-Coach vorher: "Wenn es wieder losgeht, werden viele Fußballspiele erst einmal nicht so ansehnlich sein."