Als B-Jugendliche war Mia Zschocke ans Handball-Internat nach Leverkusen gekommen. In der Stadt am Rhein schaffte die Lohrerin den Sprung in die Bundesliga, ins Juniorinnen- und schließlich ins Frauen-Nationalteam. "Leverkusen ist mein Herzensverein", sagt die 22-Jährige über Bayer 04. Dennoch wird die Rückraumspielerin den Werksklub nach sieben Jahren im Sommer verlassen und zum Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund wechseln. "Natürlich fällt es mir schwer, zu gehen, aber ich will mich sportlich weiterentwickeln", erläutert Zschocke ihren Entschluss. Zudem sei es auch ein guter Zeitpunkt für eine Luftveränderung, hat sie doch ihr Bachelorstudium der Wirtschaftspsychologie abgeschlossen. Und das mit einer Note von 1,7.
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Ein Blick auf die Bundesliga-Tabelle offenbart den leistungsmäßigen Unterschied zwischen ihrem derzeitigen und ihrem neuen Verein. Dortmund ist Tabellenführer, 17 Saisonspiele, 17 Siege – Leverkusen Neunter mit acht Siegen aus 16 Partien. Bei der Borussia hat sich ein Team mit internationaler Besetzung – vor allem Niederländerinnen sind stark vertreten – zusammengefunden. "Da ist die Konkurrenz natürlich groß. Aber ich will um Titel und international spielen", macht die Lohrerin klar. Außerdem sei in einer stark besetzten Mannschaft auch das Niveau im Training hoch, wovon sie zu profitieren hofft. Ebenso von Europapokalpartien, die sie in der Saison 2021/22 mit den Dortmunderinnen wohl bestreiten wird und die ihr häufig zwei Pflichtspiele pro Woche bescheren dürften.
Doch offenbar nicht jeden konnte die 22-Jährige mit ihren Argumenten für ihren Wechsel überzeugen. Auch ihrer Instagram-Seite wurde sie mit recht derben Worten angegangen. "Natürlich ist das krass", räumt Zschocke ein, dass sie mit derlei Reaktionen nicht gerechnet habe. Doch irre machen lässt sie sich nicht: "In solcher Kritik steckt ja oft auch Neid. Daher sehe ich die ganze Sache eher als Wertschätzung", erklärt die Handballerin, dass sie die unfreundlichen Worte auf Instagram in positive Energie verwandeln will.
Derzeit verwendet Mia Zschocke viel Energie darauf, nach ihrer Ende November 2020 erlittenen schweren Verletzung körperlich wieder auf Touren zu kommen. Bei einem Lehrgang mit der Nationalmannschaft in Frankfurt, der der Vorbereitung auf die anschließende Europameisterschaft in Dänemark diente, hatte sich die 22-Jährige in einer Zweikampfsituation das Syndesmoseband angerissen. Seitdem hat sie kein Bundesliga-Spiel mehr bestritten und ist erst kürzlich ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. "Man muss erst einmal wieder ein Gefühl für die Bewegungen entwickeln und Sicherheit gewinnen", deutet sie an, dass es mit der Rückkehr aufs Spielfeld noch etwas dauern kann.
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Dass sie wegen der Verletzung die Europameisterschaft in Dänemark verpasst hat, muss für sie jedoch nicht unbedingt ein Nachteil gewesen sein. Denn das deutsche Team blieb bei den EM-Spielen, die wegen Corona ohne Zuschauer stattfanden, unter seinen Möglichkeiten und verpasste auf Platz sieben die Qualifikation für die im Sommer 2021 in Tokio geplanten Olympischen Spiele. Ein Misserfolg, für den Zschocke angesichts ihres Fehlens nicht haftbar gemacht werden kann. Allerdings ist dadurch auch ihr Olympiatraum erst einmal geplatzt. Doch im Sommer 2024 finden in Paris die nächsten Olympischen Spiele statt. Für die heute 22-jährige Lohrerin ein sportlich durchaus realistisches Ziel.
Zumal Dortmund die Chance zur sportlichen Weiterentwicklung bietet. Auch weil sie dort neben einer Handballerin auflaufen dürfte, die zu den wenigen deutschen Gewinnerinnen der Europameisterschaft in Dänemark zählt: Spielmacherin Alina Grijseels, mit 24 Jahren wie Mia Zschocke eine der Jungen im Nationalteam. Da könnte in Dortmund ein Rückraum der Zukunft heranwachsen, der auch die deutsche Auswahl in den nächsten Jahren prägen könnte. Gute Perspektiven also für Zschocke, die in den nächsten Jahren "den Fokus voll auf Handball" legen will. "Daneben werde ich wohl ein Fernstudium aufnehmen, weil das mit dem Handball gut vereinbar ist", erklärt sie. Gut möglich also, dass sich für Mia Zschocke der Weggang vom "Herzensverein" trotz allem lohnen könnte.