
Noch bevor Pilot Johannes Lochner den Bob nach dem vierten Lauf im Zielraum zum Stehen gebracht hatte, war Christian Rasp aus dem Schlitten gesprungen, um auf der Eisbahn eine Art Freudentanz aufzuführen. Für den 32-Jährigen, der in Ochsenfurt geboren und in Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) aufgewachsen ist, hatte sich soeben ein Lebenstraum erfüllt. Denn das Bobteam Lochner lag nach seinem vierten Lauf bei den Olympischen Spielen in Führung. Nur der Bob-Dominator Francesco Friedrich konnte ihnen den Sieg noch nehmen.
Das tat er auch. Für Pilot Johannes Lochner und die Anschieber Florian Bauer, Christopher Weber und den Unterfranken Rasp blieb eine hervorragende Silbermedaille. Es war das fehlende Puzzleteil, nachdem Rasp im Schlitten von Lochner schon Welt- und Europameister sowie Gesamtweltcupsieger geworden war. Von einer Medaille bei Olympischen Spielen hatte der ehemalige Leichtathlet schon immer geträumt.
Lochner führt nach dem ersten Lauf
Nach dem ersten Lauf, der von Freitag auf Samstag stattfand (MESZ), gab es sogar die Chance auf mehr. Friedrich, der nun als erster Pilot zweimal hintereinander bei Olympischen Spielen Gold im Zweier- und Viererbob geholt hat, schwächelte, und Lochner rauschte mit Bahnrekord durch die Eisröhre im Yanqing Sliding Center, etwa 70 Kilometer nördlich von Peking. Dann konterte der deutsche Fahnenträger im zweiten Lauf knapp zwei Stunden später. Drei Hundertstel lag Friedrich nach zwei von vier Läufen vor seinem ärgsten Verfolger.
"Im zweiten Lauf hat uns Friedrich ganz schön gegeben. Das wollen wir morgen enger gestalten", hatte Rasp hinterher im Interview mit der ARD gesagt. Als hinterer Anschieber springt er als Letzter in den Schlitten und ist maßgeblich für die Startzeit verantwortlich. Dass der direkte Konkurrent im zweiten Lauf einen Startrekord für sich verbuchte, spornte den mittlerweile in Berchtesgaden lebenden Polizisten zusätzlich an, denn ein oder zwei Hundertstel am Start könnten den Ausschlag geben. Um den Bronzeplatz kämpfte der dritte deutsche Bob, gelenkt von Christoph Hafer, mit dem Kanadier Justin Kripps.
Beide Piloten wollen angreifen
Sowohl Friedrich als auch Lochner kündigten für den dritten Lauf an, voll attackieren zu wollen. Friedrich gelang dies deutlich besser. Er nahm Lochner und seinem Team sowohl im dritten, als auch im vierten Lauf je 17 Hundertstel Sekunden ab. Zum Vergleich: Ein Wimpernschlag dauert etwa 15 Hundertstel Sekunden. Doch im Bobsport ist das eine kleine Welt und bedeutete, dass sich am frühen Sonntagmorgen (MESZ) Lochner, Bauer, Weber und Rasp am Ende „nur“ über Silber freuen durften. Hafer wurde hinter Kripps Vierter.
„Ich bin so froh, dass wir nochmal Silber geholt haben“, erklärte Lochner, der zuvor bereits im Zweierbob mit Bauer als Anschieber auf Platz zwei gefahren war, im Interview mit der ARD. Lochner sagte, er freue sich besonders für Weber und Rasp, die das Rennen um den Startplatz im Zweierbob knapp verloren hatten. Nach der Enttäuschung von 2018, als Lochner als Favorit ins Rennen gegangen war und am Ende nur Achter wurde, wollte er nun unbedingt die Medaille holen
Rasp zieht positives Fazit
Nach dem Coup zog Rasp ein positives Fazit: „Es waren sehr spezielle Spiele, aber wir haben versucht, uns den Begebenheiten anzupassen und das Beste daraus zu machen.“ Es sei ein Erlebnis gewesen, in China zu starten – die Umstände waren widrig, am Ende aber wurde ein Lebenstraum erfüllt. Eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen – die kann Rasp keiner mehr nehmen.