Für den aus Mainbernheim (Lkr. Kitzingen) stammenden Anschieber Christian Rasp im Bobteam von Pilot Johannes Lochner war 2021 sportlich wie persönlich ein Jahr zum Vergessen.
Umso mehr hofft der 32-Jährige nach dem Jahreswechsel auf bessere Zeiten, um bei den Winterspielen in Peking (4. bis 20. Februar 2022) seinen Traum von einer olympischen Medaille zu verwirklichen. Es könnte seine letzte Chance sein.
"Ich habe schon alles gewonnen, nur noch keine Olympiamedaille", sagt Rasp, der im Viererbob mit Pilot Johannes Lochner bereits zweimal Weltmeister und viermal Europameister geworden ist sowie 2018 den Viererbob-Gesamtweltcup und elf Weltcuprennen gewonnen hat.
An Covid erkrankt: Rasp wäre fast im Krankenhaus gelandet
Rasp schiebt seit 2015 auf der hinteren Position im Lochner-Vierer den Schlitten an. Der 1,82 Meter große Athlet ist ein eher kleiner und weniger gewichtiger Vertreter seiner Zunft, so dass im Bob meist Zusatzgewichte eingesetzt werden müssen, um das Mindestgewicht von 390 Kilogramm für das Gefährt plus seiner Besatzung zu erreichen.
Privat brachte das vergangene Jahr für Christian Rasp manch unliebsame Erlebnisse mit sich. Zum einem lief es für die Lochner-Crew sportlich nicht wunschgemäß, und zum anderen wurde auch Rasp nicht vom Coronavirus verschont. Im März 2021 erkrankte der Leistungssportler an Covid-19.
Vier Wochen lang warf die Erkrankung den durchtrainierten Sportler komplett aus der Bahn: "Mich haben Fieber, harter Husten und Lungenprobleme geplagt, ich war schließlich kurz davor, stationär ins Krankenhaus zu müssen", berichtet der Polizeihauptkommissar nachdenklich von einem beinahe schwereren Verlauf.
Wassermassen rissen Teile der Bob- und Rodelbahn weg
Wenige Wochen, nachdem er Covid überstanden hatte, erlebte Rasp, der seit vielen Jahren in Schönau am Königssee im Berchtesgadener Land und damit direkt vor Ort am Bundesleistungszentrum für Bob und Rodeln wohnt, vor der eigenen Haustür eine Naturkatastrophe.
Im Juli suchten zerstörerische Fluten als Folge eines Unwetters neben Ahrtal und Rheinland-Pfalz auch die Gemeinde Schönau heim. Wassermassen rissen Teile der Bob- und Rodelbahn weg, Geröll und Schutt bedeckten die Anlage. In kürzester Zeit war die Kunsteisbahn zerstört, womit allen Bob- und Rodelsportlern jene Trainings- und Wettkampfstätte fehlt, die für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele besonders wichtig gewesen wäre.
"Es tut unendlich weh, das ansehen zu müssen", berichtet Rasp, wie sehr der Anblick der zerstörten Bahn Rodel-Olympiasieger Felix Loch und viele seiner Kolleginnen und Kollegen geschmerzt hat. Es wird wohl mehrere Jahre dauern und eine hohe zweistellige Millionensumme erfordern, die Anlage wieder neu aufzubauen.
Deshalb sind sich Christian Rasp und der ein Jahr jüngere Johannes Lochner auch gar nicht sicher, ob sie in ihrer sportlichen Laufbahn überhaupt noch einmal ihre heimische Bahn nutzen oder dort zu einem Wettkampf antreten können.
Bis zu Rasps Haus fehlte den Fluten nur ein halber Meter
Schneller ging's bei der Sanierung der von der Flut betroffenen Häuser, darunter das Elternhaus von Johannes Lochner, voran. Lochner musste während des Sommers zu Schlaghammer und Schaufel greifen, um die enormen Schäden an Haus und Hof zu beseitigen. Seine Kumpels Rasp und Loch packten mit an. "Wir sind ja alle fit und gut gebaut", scherzt Christian Rasp und betont die Freundschaft der Athleten untereinander, die über das gemeinsame sportliche Ziel hinausgeht.
"Zum Glück waren die Lochners dagegen versichert", sagt Rasp. Er selbst sei sehr froh gewesen, in jener Unwetternacht noch ungeschoren davongekommen zu sein. Schließlich wohne er unweit der Lochners. "Das Wasser ist im Minutentakt gestiegen. Es hätte keinen halben Meter mehr haben dürfen", erinnert sich der ehemalige Leichtathlet an jene Nacht, als erst der Regen und dann der Schlamm kamen. Rasp brachte schließlich sein Auto in Sicherheit und übernachtete vorsichtshalber bei Bekannten.
Sportlich lief es in der bisherigen Saison auch noch nicht rund für Rasp und seine Kollegen: Mal seien es Fahrfehler, mal eine technische Panne und zuletzt sogar ein nicht eingeklappter Anschieberbügel gewesen. So fiel die Bilanz des Lochner-Bobs bislang mager aus. "Wir haben heuer deutlich bessere Startzeiten", rätselt Rasp, warum im Eiskanal die Erfolge trotz harter Arbeit bisher ausgeblieben sind.
Lochners Viererbob beendet den Weltcup nur als Fünfter
Das sei wohl auch ein wenig den Experimenten am Schlitten geschuldet gewesen. Ein Sponsor hatte eigens für die Bobfahrer einen Fahrsimulator entwickelt, mit dem die Piloten diverse Bahnen und vor allem die Olympiaeisbahn in Peking noch besser verinnerlichen sollten. Aber auch diese Errungenschaft half der Lochner-Crew noch nicht, zurück in die Erfolgsspur zu finden.
Für das Team, zu dem auch Florian Bauer und Christopher Weber auf der mittleren Position im Bob gehören, standen im neuen Jahr noch zwei Weltcup-Rennen auf dem Programm. In Winterberg im Hochsauerland belegte der Viererbob einen für Lochner "enttäuschenden vierten Platz", und im noblen Schweizer Wintersportort St. Moritz wurde er auch nur Fünfter. Mit der gleichen Platzierung beendete das Team die Weltcup-Gesamtwertung. "Das ist schade, aber wir wissen, dass wir mehr Potenzial haben", so Lochner.
Jetzt gönnen sich Rasp und seine Kollegen zwei Wochen Pause. Dann hebt der Flieger gen Peking ab. Für Lochner seien es die "letzten Olympischen Spiele", kündigte der 31-Jährige bereits an. Am 20. Februar, am letzten Tag der Winterspiele, soll sich somit schließlich Christian Rasps Traum einer olympischen Medaille erfüllen.